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Zum journalistischen Leitbild von t-online.TV-Kritik "Markus Lanz" Lauterbach: "Die Inzidenz im Herbst wird hoch sein"
Der SPD-Gesundheitsexperte verteidigt das Impfangebot für Jugendliche auch ohne Stiko-Empfehlung – und CDU-Mann Marco Wanderwitz will nicht sagen, dass er Hans-Georg Maaßen wählen würde. Eine lebhafte Lanz-Dernière vor der Sommerpause.
Hier der unermüdliche Corona-Mahner Karl Lauterbach und die Medizinethikerin Christiane Woopen zum Thema Impfangebot für Jugendliche, dort der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, und der sächsische Schriftsteller Lukas Rietzschel als Experten für ostdeutsche Befindlichkeiten – die Gästeliste der gestrigen"Markus Lanz"-Ausgabe verhieß eine eher zweigeteilte Sendung. Tatsächlich aber entspann sich eine lebhafte Debatte zwischen allen Diskussionsteilnehmern, die sogar bedenkenswerte Zusammenhänge zwischen den Themenkomplexen Corona, Rechtsextremismus und "Querdenker"-Szene herstellte.
Die Gäste
- Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte
- Christiane Woopen, Medizinethikerin
- Marco Wanderwitz (CDU), Ostbeauftragter der Bundesregierung
- Lukas Rietzschel, Autor
Zunächst verteidigte Lauterbach das von Bund und Ländern beschlossene Impfangebot für Zwölf- bis 17-Jährige, obwohl es noch keine entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission gibt. Die Politik sei hier "wissenschaftlich gesprochen fremdgegangen", so der SPD-Gesundheitsexperte, aber viele renommierte Virologen beurteilten die Lage eben anders als die Stiko, und angesichts des beginnenden Schuljahres gelte es, auch Kinder gegen die Delta-Variante zu schützen. Ob das nicht einen "katastrophalen Eindruck" hervorrufe, insistierte Markus Lanz, nach dem Motto "Ich such mir den Wissenschaftler, der mir gefällt". Dieser Meinung neigte Christiane Woopen zu, die bedauerte, dass das Angebot "die Stiko weggrätscht", und die auch das Erkrankungsrisiko für Kinder geringer einschätzte.
Lauterbach aber ließ sich nicht beirren: Die Stiko sei – trotz der Verwirrung um Astrazeneca – in der Vergangenheit gut gewesen, und er sei sicher, "dass sie wieder zu voller Blüte kommen wird", in diesem Fall aber habe man nicht auf sie warten können. Woopens Einwand, besser als Kinder-Impfungen wäre ein Streetworker-Programm gewesen, um etwa Leute in schwerer erreichbaren Stadtteilen von der Impfung zu überzeugen, ließ er nicht gelten: Da müsse "gigantischer Aufwand" betrieben werden, um "50 bis 80" Leute zu impfen, "das wird immer schwerer, selbst wenn man Community Leader mitnimmt". Die weiteren Lauterbach-Prognosen: "Wir werden für Geimpfte und Ungeimpfte andere Regeln haben" und "Die Inzidenz im Herbst wird hoch sein."
Mit der Frage, warum die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen beim Impfen auf den letzten Plätzen lägen, wandte sich Lanz dann an Marco Wanderwitz. Der Ostbeauftragte führte als eine Erklärung an, dass es etwa in Sachsen nur ein Impfzentrum pro Landkreis gebe, bei Landkreisen mit 200.000 oder sogar über 300.000 Einwohnern. Autor Lukas Rietzschel assistierte: "Der Landkreis Bautzen ist so groß wie das Saarland. Wenn man sich vorstellt, da ist ein Impfzentrum …" Wanderwitz bestätigte aber auch seine von Lanz zitierte Äußerung, es bestehe da "eine auffällige Korrelation mit den Wahlergebnissen der AfD": Schließlich werde in keiner anderen Partei das Impfen derart rigoros abgelehnt.
CDU-Mann Wanderwitz hat kämpferische Antworten parat
Natürlich musste Lanz dann auch auf die umstrittene Wanderwitz-Äußerung zu sprechen kommen, "ein erheblicher Teil" der Bevölkerung im Osten habe "gefestigte rechtsradikale, nichtdemokratische Ansichten". Wanderwitz stand dazu ("Der Anteil ist größer als in den alten Bundesländern"), genauso wie zu seiner Analyse, die Menschen seien "teilweise so diktatursozialisiert, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind". Es handle sich um eine Zustandsbeschreibung, ihm sei "kein besseres Wort eingefallen".
Da regte sich Widerspruch bei Christiane Woopen ("Ist das nicht viel komplizierter?") und Lukas Rietzschel: "Diese Leute abzuschreiben halte ich für fatal", so der Autor. Was Wanderwitz denn machen wolle, um "diesen Sumpf auszutrocknen"? Der CDU-Mann hatte kämpferische Antworten parat: "Programme gegen Rechtsextremismus stärken, zum Beispiel gegen Rassismus am Arbeitsplatz." Es sei auch nicht in Ordnung, "wenn der Jugendtrainer im Sportverein der örtliche NPD-Vorsitzende ist".
Bei so viel aufrichtigem Engagement musste Lanz noch eine kleine Gemeinheit platzieren: "Hans-Georg Maaßen, ist das die Speerspitze der CDU im Kampf gegen Rassismus und Extremismus?", fragte er scheinheilig in Bezug auf den rechtslastigen ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten, der bei der Bundestagswahl als CDU-Direktkandidat in Südthüringen antritt.
Nach längerer Pause rang sich Wanderwitz die Formulierung ab, Maaßen sei "einer, der unverdächtiger Demokrat ist". Eine positive Antwort auf die Frage, ob er ihn auch wählen würde, kam ihm zwar nicht über die Lippen. Aber dafür noch eine gute Pointe. "Was erzählt es, dass ein CDU-Politiker sich nicht vorstellen kann, einen anderen CDU-Politiker zu wählen?", wollte Lanz wissen. "Dass wir ziemlich breit aufgestellt sind", antwortete Wanderwitz.
- "Markus Lanz" vom 5.8.2021