"Könnte vor Wut heulen" ARD-Reporter rebellieren gegen Sendeplatz
Das Fernsehmagazin "Weltspiegel" am Sonntagabend ist eine Institution. Nun soll es im Programm verschoben werden – an eine unattraktivere Stelle, wie viele Kritiker finden. Die Verantwortlichen verteidigen ihre Entscheidung.
Die geplante Verlegung des Fernsehmagazins "Weltspiegel" stößt bei einer Reihe von ARD-Auslandsreportern auf große Skepsis. "Die Verschiebung des seit 58 Jahren eingeübten "Weltspiegel"-Sendeplatzes am Sonntagabend auf den Montag um 22.50 Uhr (...) ist eine drastische Schwächung der Auslandsberichterstattung im Ersten", steht in einer senderinternen Stellungnahme von mehr als 40 Unterzeichnern an die ARD-Chefetagen, die der Branchendienst "Medienkorrespondenz" veröffentlichte.
"Die absoluten Zuschauerzahlen werden uns nicht zufriedenstellen", heißt es in dem Schreiben der betroffenen Journalisten. "Derzeit liegen sie Montagabend nach den "Tagesthemen" durchschnittlich bei ca. 1,3 Millionen, gegenüber derzeit rund 2,1 Millionen am Sonntagabend. Unser lineares Stammpublikum ist nicht jung und wird uns um diese Uhrzeit wohl kaum im bisherigen Maße treu bleiben."
Die ARD-Korrespondentin Natalie Amiri etwa kommentierte die Nachricht auf Twitter: "Manchmal könnte ich vor Wut heulen." Es sei das letzte ARD-Auslandsformat. Auch zahlreiche Journalisten aus anderen Medienhäusern drückten auf Twitter ihr Bedauern aus.
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Verantwortliche reagieren auf Kritik
Die ARD-Verantwortlichen Christine Strobl (Programmdirektorin), Oliver Köhr (ARD-Chefredakteur) und Florian Hager (stellvertretender Programmdirektor und Channel-Manager der ARD-Mediathek) reagierten am Donnerstag mit einem gemeinsamen Statement: "Der "Weltspiegel" ist und bleibt Kern der ARD-Auslandsberichterstattung." Das breite Netz der Korrespondentinnen und Korrespondenten sei einzigartig.
"Ihre Kompetenz und ihre Expertise werden auch künftig nicht nur eine zentrale Rolle im Ersten – auch in der Primetime – spielen, sondern die Schlagkraft soll im non-linearen Bereich ausgebaut werden", so die drei ARD-Verantwortlichen zu ihren Plänen. "Es ist das Bestreben, die Informationsangebote in allen Ausspielwegen zu schärfen und zu stärken und damit die Informationskompetenz in der ARD insgesamt zu stärken. Eine Platzierung des 'Weltspiegel' nach den 'Tagesthemen' würde die Möglichkeit bieten, aktuelle Themen aus internationaler Sicht zu vertiefen und einzuordnen."
Das Dokumentarische soll "an Bedeutung gewinnen"
Strobl hatte im Juni in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur zudem erklärt, Dokumentationen und Serien seien "die Erfolgsgaranten in der digitalen Welt". Das Dokumentarische werde für die ARD "an Bedeutung gewinnen". In der TV-Branche gelten Dokus für Mediathekennutzer als attraktiver im Vergleich mit Videos von tagesaktuellen Formaten.
Der Deutsche Kulturrat kritisierte die Pläne: "Selbstverständlich müssen Sender stets darüber reflektieren, ob Sendeplätze passend sind und die Zielgruppe erreicht wird. Eine Sendung allerdings auf einen Sendeplatz zu verschieben, der im linearen Programm nur noch von Enthusiasten geschaut wird, ist vollkommen unverständlich."
- Nachrichtenagentur dpa