Jahresbericht zur Deutschen Einheit Was Ost und West 30 Jahre nach der Wende wirklich trennt
Wirtschaftlich ist der Osten immer noch im Rückstand gegenüber dem Westen, auch wenn es Fortschritte gibt. Der neue Jahresbericht zur Einheit sieht Unterschiede aber vor allem auf einem anderen Feld.
Die Bundesregierung sieht in ihrem neuen Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit Ost-West-Unterschiede vor allem bei politischen Einstellungen. Trotz vieler Erfolge auf dem Weg zu gleichwertigen Lebensverhältnissen seien nicht alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen zufrieden, heißt es in dem Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag und der am kommenden Mittwoch vorgelegt wird. Zuerst hatte das Nachrichtenportal "ThePioneer" (Freitag) darüber berichtet.
"Kennzeichnend für die neuen Länder sind durchgängig skeptischere, distanziertere und auch kritischer ausgeprägte Grundeinstellungen gegenüber der Politik", heißt es in dem Bericht. Bei einem Teil der Bürger schlage die Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie in eine grundlegende Ablehnung der politischen Ordnung um. "Diese Haltung ist häufiger in den neuen Ländern zu finden, wo das Ausmaß verfestigter, oft populistisch gefärbter, Unterstützung für grundsätzliche Kritik an der Demokratie und autoritäre politische Ideen größer ist als in den alten Ländern."
Ursachen für die Ablehnung von Demokratie vielfältig
Weiter. "Die politischen Einstellungen in den neuen und den alten Ländern gehören damit zu den wenigen verbleibenden Feldern, in denen Ost-West-Unterschiede fortbestehen.". Bei allen Unterschieden von politischen Einstellungen zwischen den einzelnen Bundesländern seien diese aber "durchweg gradueller und nicht substantieller Art". Die Ursachen für die Ablehnung von Demokratie speisten sich aus verschiedenen Quellen: "Das reicht von der Unterstützung der DDR-Diktatur über negative Transformationserfahrungen, Benachteiligungsgefühle bis zu Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus. Bei vielen Menschen findet man einfach enttäuschte Erwartungen an die Demokratie."
Erst vor kurzem hatte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), mit Aussagen über Ostdeutsche für Aufsehen gesorgt. "Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind", hatte Wanderwitz der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt. Ein Teil der Bevölkerung habe "gefestigte nichtdemokratische Ansichten". Die Aussagen waren auf viel Kritik gestoßen.
Keine "flächendeckende Strukturschwäche" mehr
Wirtschaftlich hat der Osten dem Jahresbericht zufolge weiter aufgeholt. Die Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer und Berlins habe sich zwischen 2010 und 2020 von 76 auf 81 Prozent des Bundesdurchschnitts erhöht. "Gut 30 Jahre nach dem Fall der Mauer gibt es damit jedoch noch immer einen klar erkennbaren Rückstand. Zugleich nehmen die regionalen Unterschiede in den neuen Ländern zu." In der Corona-Pandemie habe der Osten 2020 einen unterdurchschnittlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung verzeichnet.
Die strukturschwächsten Regionen Deutschlands liegen laut Bericht immer noch in den neuen Ländern. Gleichzeitig aber seien andere Regionen deutlich aufgestiegen, so dass von einer "flächendeckenden Strukturschwäche" in den neuen Ländern nicht mehr gesprochen werden könne.
- Nachrichtenagentur dpa