"Das ist reiner Antisemitismus" Sorge um Sicherheit jüdischer Gemeinden in Deutschland
Vor Synagogen in Nordrhein-Westfalen wurden israelische Flaggen angezündet und Steine geworfen. Religionsvertreter verurteilen die Vorfälle scharf, Innenminister Seehofer kündigt ein hartes Durchgreifen an.
Es sollte eigentlich ein freundliches Kennenlerntreffen zwischen Josef Schuster und Georg Bätzing werden. Doch am Mittwoch sind die Gesichter des Präsidenten des Zentralrats der Juden und des Vorsitzenden der Katholischen Bischofskonferenz ernst. Die Lage in Israel und die Berichte über Steinwürfe auf eine Synagoge in Nordrhein-Westfalen überschatteten den jüdisch-katholischen Dialog kurz vor Beginn des Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt, das auch das Zuhause einer der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands ist.
Vor Synagogen in Nordrhein-Westfalen waren israelische Flaggen angezündet worden. Außerdem wurde der Eingang einer Synagoge mit Steinen beschädigt. Der Staatsschutz ermittelt.
"Ich habe schon ein sehr ungutes Gefühl – ich habe Verwandtschaft in Israel, da ist man noch emotionaler beschäftigt mit der Situation", so Schuster. "Jede Stunde, die der Konflikt eher zu Ende ist, ist eine gewonnene Stunde."
"Das kann nicht die Zukunft sein", betont auch Bätzing angesichts der Eskalation im Nahen Osten. "Die Zukunft wird sein, dass beide Seiten an den Tisch des Verhandelns zurückkehren. Das ist mein dringender Wunsch. Dieser Tisch ist schon viel zu lange leer geblieben. Nur so kann Frieden hergestellt werden, nur so kann die Situation für Juden und Palästinenser befriedet werden."
"Angriffe auf Synagogen sind reinster Antisemitismus"
Doch es geht nicht nur um Solidarität mit den Opfern der Gewalt, sondern auch um konkrete Sorgen, welche Wellen der Konflikt in Israel in Deutschland schlägt. "Es ist in keiner Weise zu billigen, wenn der Konflikt aus Israel nach Deutschland übertragen wird. Angriffe auf Synagogen sind reinster Antisemitismus, das werden wir niemals zulassen", betont Bätzing. Das sei etwas, was auch die Zukunft hierzulande gefährde. "Ein Angriff auf eine Synagoge hat nichts mit einer politischen Meinungsäußerung zu tun, es ist reiner Antisemitismus", sagt Schuster.
Derzeit dürften deutschlandweit auch Synagogen und andere jüdische oder israelische Einrichtungen und Vereine unter zusätzlichem Schutz stehen. Die Polizei in Berlin gibt grundsätzlich keine Auskunft über solche Maßnahmen. Eine Sprecherin sagte aber: "Wir werden den Schutz immer dem aktuellen Geschehen anpassen und neu bewerten."
Die hessische Polizei hat angesichts der Entwicklung in Israel bereits ihre Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen nochmals überprüft. Die Sicherheitsbehörden stünden dabei im Austausch mit den jüdischen Einrichtungen, so ein Sprecher des Innenministeriums in Wiesbaden.
Seehofer: "Antisemitischen Hass werden wir mit allen Mitteln bekämpfen"
"Wenn die aktuellen Spannungen in Israel weiter steigen, gehe ich davon aus, dass das erneut auch Auswirkungen auf die Straftaten hierzulande hat", sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Wir als Gesellschaft und vor allem Polizei und Justiz, müssen darauf reagieren. Wir dürfen das nicht dulden." Es sei "leider ein klassisches Muster, Juden in Deutschland dafür verantwortlich zu machen, was die israelische Regierung tut - eine Regierung auf deren Handeln sie ja keinen Einfluss haben".
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verurteilte anti-israelische Protestaktionen vor Synagogen in Nordrhein-Westfalen scharf. "Wir werden nicht tolerieren, dass auf deutschem Boden israelische Flaggen brennen oder jüdische Einrichtungen angegriffen werden", sagte er am Mittwoch nach Angaben seines Ministeriums. "Antisemitischen Hass werden wir mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpfen."
Jüdinnen und Juden müssten in Deutschland sicher leben können, betonte der Minister. "Das ist der Anspruch für uns alle, und dafür trete ich mit aller Vehemenz ein." Die Sicherheitsbehörden müssten alles, was in ihrer Macht stehe, tun, um den Schutz jüdischer Einrichtungen zu gewährleisten.
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, sieht die erneute Zuspitzung des Konflikts auch als Folge der innerpalästinensischen Lage. "Solange die Palästinenser nicht mit sich und ihrer eigenen Gesellschaft ins Reine kommen und zum Beispiel Rechte von Frauen oder Homosexuelle respektieren, wird es erst recht immer wieder Gewaltausbrüche gegen die liberale Gesellschaft Israels und die Juden geben", sagte Joffe. "Es geht im Grunde um einen Krieg der Werte."
- Nachrichtenagentur dpa