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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lesermeinungen zur Organspende "Es geht um das Recht auf meinen Körper"
Soll man die Organspende aktiv ablehnen oder sich gezielt dafür entscheiden? Die t-online.de-Leser hegen einige Bedenken gegenüber der doppelten Widerspruchslösung.
Mein Körper, meine Entscheidung — und das auch nach dem Tod. So lautet der Tenor der t-online.de-Community in der Debatte zur neuen Organspenderegelung. Die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeschlagene doppelte Widerspruchslösung soll jeden Deutschen zum Organspender machen, solange er nicht widerspricht. Die Kritiker des Vorschlags um Annalena Baerbock (Grüne) und Katja Kipping (Linke) stehen hingegen für eine Entscheidungslösung ein. Bei dieser sollen die Bürger regelmäßig nach ihrer Bereitschaft gefragt werden. Am Donnerstag stimmt der Bundestag über den Vorschlag ab.
Die Meinungsbildung zwingt zur Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens. Was passiert mit dem Körper, sobald die grundlegenden vitalen Funktionen verloren gegangen sind, der Hirntod eingesetzt hat? Leser Stefank2014 formuliert in seinem Kommentar Fragen, die mit dem Thema einhergehen: „Was kommt nach dem Tod, wann ist man tot, gibt es eine Seele? Das beschäftigt seit jeher die Menschheit.“ Diese Fragen betreffen jeden einzelnen, gleichzeitig möchte sich kaum jemand mit dem eigenen Tod auseinandersetzen. Das macht das Thema hoch emotional — auch in der Leserdebatte.
Der Staat soll nicht über den Körper verfügen dürfen
Rene1956 würde spenden, positioniert sich aber gegen die doppelte Widerspruchslösung: „Es geht nicht darum, ob ich dem Staat widerspreche, sondern um das Recht auf meinen Körper und dessen Verbleib oder Nutzung nach dem Tod. Ich persönlich bin gerne bereit, Organe zu spenden. Aber ich spreche dem Staat jedes Recht ab, über meinen Körper zu entscheiden, was er mit dieser Widerspruchslösung de facto tut.“
Ist der Tod endgültig eingetreten?
Gibt es wirklich keine Chance mehr? Der Tod durch eine Fehlentscheidung und die verfrühte Entnahme lebenswichtiger Organe – eine Horrorvorstellung. Viele Leser befürchten, dass es im Notfall dazu kommen könnte. Sie möchten sich daher grundsätzlich nicht als Organspender registrieren lassen und lehnen entsprechend auch die doppelte Widerspruchslösung ab.
Leser sieben schreibt in diesem Sinne: „Die Menschen haben Angst, dass wenn die Organe entnommen werden, man vielleicht noch nicht tot ist und das volle Bewusstsein noch da ist. Da noch keiner tot war, kann es auch niemand beantworten, ob es nicht stimmt und das Vertrauen in die Ärzte ist auch nicht mehr das, was es mal war, wo es nur noch um Zahlen geht.“
Angst vor Organhandel
Genau dieses mangelnde Vertrauen führt zur nächsten Sorge, die viele Leser in Bezug auf die Widerspruchslösung umtreibt: Angenommen, Organe stünden dann in größeren Mengen als momentan zur Verfügung, fragen sie sich: Wer bekommt das beste Herz? Kann die Widerspruchslösung zu größerer sozialer Ungleichheit führen? Einige Leser befürchten sogar, Ärzte könnten ihren persönlichen Profit aus Organtransplantationen ziehen.
Leser Diddys Überlegungen gehen genau in diese Richtung: „Wenn genügend Organe zur Verfügung stehen, dann wird angefangen mit dem Alter der Organe etwas nebenbei zu verdienen. Wer Geld hat, (...) bekommt dann ein jüngeres Organ und wer es nicht hat, bekommt dann als junger Mensch ein Organ von einem verstorbenen Rentner eingesetzt.“ Für Leser Stefank2014 muss, um dies zu verhindern, eines sichergestellt sein: „Was nicht passieren darf, ist eine Typisierung, damit Organhandel ausgeschlossen werden kann.“
Die Organspende rettet Leben
Gerade Betroffene, die mit Spenderorganen leben, selbst gespendet haben oder einen nahestehenden Menschen verloren haben, weil dieser kein Spenderorgan erhalten hat, treten für den Gesetzesvorschlag ein.
Stefank2014 argumentiert: „Man denkt differenzierter über das Thema Organspende, wenn man Menschen beim Sterben zuschauen muss, weil kein Organspender zur Verfügung steht. Aus dem Grund bin ich für die doppelte Widerspruchslösung.“
Auch Ihre Meinung ist gefragt: In unserer Leserdebatte können Sie Ihre Ansichten zur Organspendedebatte einbringen.
Kommentator GTLX wäre fast gestorben. Er hat sein heutiges Leben einem Spender zu verdanken. Verständnis für diejenigen, die sich grundsätzlich gegen die Organspende entscheiden, hat er nicht. „Ich habe ein transplantiertes Organ. Ich musste nicht lange überlegen, ob ich das haben wollte, denn ich wollte ja leben. Das werden dann auch diejenigen sagen, die jetzt protzen und sagen: "Mein Körper gehört mir, ich spende nicht". Der Wille, leben zu wollen, ist, wenn man völlig entkräftet daliegt, immer noch riesengroß. Die Dankbarkeit dem anonymen Spender gegenüber hält bei mir noch an. Seit nunmehr 9 Jahren.“
Menschen wie unserm User GTLX wird durch die Organspende ein neues Leben geschenkt. Viele andere kranke Menschen haben dieses Glück jedoch nicht. In Deutschland warten aktuell etwa 9.500 Menschen auf ein neues Organ. Allerdings gibt es im Jahr 2019 lediglich 932 Spender. Die Politik ist sich über die Parteigrenzen hinweg einig: Die Zahl der Organspender muss steigen. Nur der richtige Weg dorthin ist umstritten.
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