Debatte um Ausbildung CDU-Verteidigungsexperte will Saudi-Soldaten bei Bundeswehr überprüfen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Soll die Bundeswehr weiter Soldaten aus Saudi-Arabien schulen, das für den Tod von Journalist Jamal Khashoggi und Kriegsverbrechen im Jemen am Pranger steht? In der Koalition gibt es unterschiedliche Meinungen.
Es war eine Nachricht, die bei vielen Lesern Verwunderung, bei einigen auch Empörung auslöste: Die Bundesregierung stoppt zwar die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, Soldaten aus dem Land werden aber weiter von der Bundeswehr ausgebildet.
Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Henning Otte, fordert nun eine Überprüfung. "Vertrauen ist Grundlage von Zusammenarbeit, gerade bei der Ausbildung. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen muss diese Art der Zusammenarbeit geprüft werden", sagte er t-online.de. Politiker von Grünen und Linken hatten ein Ende der Kooperation gefordert, ein AfD-Verteidigungsexperte kritisiert dagegen sogar den Stopp der Rüstungslieferungen.
SPD-Politiker Felgentreu sieht Chance in Ausbildung
Aktuell geht es um sieben junge Männer aus Saudi-Arabien. Es sind Kadetten, die laut Verteidigungsministerium beim Bundessprachenamt in Köln-Hürth Deutsch lernen, um danach Offiziersschulen und Universitäten der Bundeswehr zu besuchen. Für Fritz Felgentreu, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, ist die Ausbildung der Soldaten aus dem autokratischen Scheich-Reich auch in der aktuellen Situation kein Problem, sondern eine Chance.
"Es ist eine einmalige Gelegenheit, Führungskräften aus diesem autoritären System das Konzept des Staatsbürgers in Uniform, das Funktionieren von Streitkräften in der Demokratie, von Gleichberechtigung und Meinungsvielfalt in den Streitkräften und von Rechtsstaatlichkeit nahezubringen", sagte Felgentreu t-online.de. Deutschland solle diese Möglichkeit weiterhin nutzen.
Ministerium will bislang an Praxis festhalten
An der Einschätzung des Verteidigungsministeriums vom Wochenende habe sich bisher nichts geändert, sagte ein Sprecher zu t-online.de: "Vorbehaltlich anderweitiger politischer Entscheidung" werde die Ausbildung wie geplant fortgesetzt. Im Gegensatz dazu steht die Forderung von CDU-Verteidigungsexperte Otte nach einer Überprüfung.
Im Ministerium sieht man die Vorteile überwiegen: "Im Rahmen der Offizierausbildung in der Bundeswehr nehmen die Vermittlung von Demokratie und Werten einen hohen Stellenwert ein." Die Teilnahme von Angehörigen anderer Staaten sei deshalb ein wichtiges Instrument. Soll heißen: man hofft darauf, dass die Soldaten eine demokratische Perspektive in ihre Heimatländer mitnehmen.
Auf diesen Standpunkt stellt sich auch die AfD: Deren Experte für Verteidigungspolitik im Bundestag, der langjährige Offizier Rüdiger Lucassen, sagte t-online.de: "Durch die Ausbildung ausländischer Offiziere hat Deutschland die Möglichkeit, enge Verbindungen zu anderen Streitkräften aufzubauen und unsere Vorstellungen von Truppen- und Menschenführung auch anderen Armeen vorzustellen." Deutschland kooperiert bei der Militär-Ausbildung mit mehr als 100 Ländern.
AfD kritisiert "Vermischung"
Diese seit Jahrzehnten gängige Praxis dürfe sich nicht "an tagespolitischen Geschehnissen" wie dem "kriminellen Akt" der Tötung von Khashoggi orientieren. Lucassen hält es deshalb auch für falsch, dass die Rüstungsexporte gestoppt wurden. Er nennt dies "eine vorschnelle Verknüpfung, die Dinge vermischt, die nichts miteinander zu tun haben." Militärpolitische Entscheidungen dürften nicht als Vergeltungsmaßnahmen missbraucht werden.
Aus Sicht von Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Linken, greift das zu kurz. Sie sieht die Frage nicht nur im Kontext des Todes von Khashoggi: "Die saudischen Streitkräfte führen einen verbrecherischen Krieg im Jemen. Wer militärisch zusammenarbeitet, macht sich mitschuldig", sagte sie auf Anfrage von t-online.de. Sie fordert deshalb, dass die Ausbildung durch die Bundeswehr umgehend beendet werden müsse.
Kooperation Folge von Besuch der Ministerin
Auch für Tobias Lindner, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, kann es nur eine Entscheidung geben: "Wenn die Bundesregierung ihre Empörung über den Mord an Herrn Khashoggi wirklich ernst nimmt, darf sie nicht gleichzeitig saudische Offiziere ausbilden", sagte er zu t-online.de. Er verweist darauf, dass auch die Kooperation der Bundespolizei mit Saudi-Arabien auf Eis gelegt wurde. "So richtig das ist, so scheinheilig" sei es, zugleich die Ausbildung saudischer Offiziere fortzuführen.
Eine Stellungnahme des von t-online.de angefragten verteidigungspolitischen Sprechers der FDP steht noch aus.
Die Ausbildung saudischer Soldaten geht auf einen Besuch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim heutigen Kronprinzen Mohammed bin Salman im Dezember 2016 zurück. Ein entsprechendes Abkommen regelt in 16 Artikeln zahlreiche Einzelheiten der Ausbildung von Unterkunft, Verpflegung und Bekleidung bis zur "Beilegung von Meinungsverschiedenheiten". Die Kosten der Lehrgänge übernimmt Saudi-Arabien vollständig.
Saudi-Arabien führt seit 2015 eine Allianz von neun Staaten an, die im Jemen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen bekämpft. Der Krieg hat zu einer humanitären Katastrophe geführt, die von den Vereinten Nationen als derzeit schlimmste weltweit eingestuft wird.
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Nach dem gewaltsamen Tod Khashoggis im saudischen Generalkonsulat in Istanbul hat die Bundesregierung erklärt, für die Zeit der Ermittlungen zunächst keine Ausfuhrgenehmigungen mehr zu erteilen.
- eigene Recherchen