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Kritik an Polizei: Schweigemarsch in Chemnitz eskaliert in Gewalt


Ausschreitungen mit Verletzten
AfD-"Schweigemarsch" in Chemnitz eskaliert in Gewalt

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 02.09.2018Lesedauer: 3 Min.
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Ende: Die Polizei sperrte wegen einer Blockade auf der Strecke den weiteren Demonstrationsweg der Kundgebung von AfD und "Pro Chemnitz", Teilnehmer durchbrachen die Sperre, die Demo wurde abgebrochen.Vergrößern des Bildes
Ende: Die Polizei sperrte wegen einer Blockade auf der Strecke den weiteren Demonstrationsweg der Kundgebung von AfD und "Pro Chemnitz", Teilnehmer durchbrachen die Sperre, die Demo wurde abgebrochen. (Quelle: Reuters-bilder)

Die AfD hat ihren geplanten "Trauermarsch" in Chemnitz* wegen Blockaden nicht wie geplant durchziehen können. Nach dem Abbruch der Veranstaltung kam es zu Übergriffen.

Wegen Blockaden auf der geplanten Route des Demonstrationszugs haben AfD, Pegida und "Pro Chemnitz" den von der AfD angekündigten "Trauermarsch" nach wenigen Hundert Metern abbrechen müssen. Während die zwischen 4.500 und 6.000 Teilnehmer zunächst wie angekündigt schweigend und friedlich durch Chemnitz gezogen waren, kam es später zu Übergriffen auf Polizei, Journalisten und Gegendemonstranten. Umgekehrt berichtete die Polizei auch von Angriffen aus dem linksautonomen Lager. Mindestens elf Menschen wurden verletzt und ins Krankenhaus gebracht.

AfD demonstrierte mit Neonazis

Die Organisatoren des von Björn Höcke angeführten sogenannten "Trauermarschs" hatten sich erkennbar bemüht, ein würdiges Bild abzugeben und ständig an die Teilnehmer – unter denen sich auch zahlreiche Neonazis und Hooligans befanden – appelliert, sich friedlich zu verhalten. Nachdem der Demonstrationszug aber wegen der Blockade zum Stehen gekommen war, spitzte sich die Lage immer weiter zu.

Eine Gruppe gewaltbereiter Demonstranten durchbrach die Polizeiabsperrungen, ließ sich von Polizisten nicht stoppen und stimmte "Frei, sozial und national"-Rufe an – eine bekannte Neonazi-Parole.

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Filmende und fotografierende Journalisten wurden direkt neben einem Wasserwerfer der Polizei angegriffen, darunter auch t-online.de-Reporter Jan-Henrik Wiebe. Dieses Video zeigt die Szene, bei der die Ausrüstung unseres Reporters beschädigt wurde. Auch zahlreiche weitere Reporter wurden im Laufe des Tages attackiert.

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Die Polizei erklärte die Demonstration der AfD schließlich für beendet, weil auch die vorgesehene Versammlungszeit abgelaufen sei. Die Demonstration um die Blockade herumzuführen sei aus gefahrenabwehrrechtlichen Gründen nicht möglich, so die Polizei. AfD-Politiker kommentierten die Entscheidung später mit Empörung. Thomas Seitz, Abgeordneter aus Baden-Württemberg und früherer Staatsanwalt, twitterte vom "Versagen des Rechtsstaats" und einer "Kapitulation vor den Linken". Der sächsische Innenminister Roland Wöller müsse zurücktreten.

Gegendemo mit 3500 Teilnehmern

Zeitgleich zu der AfD-Kundgebung waren zu einer Veranstaltung für Frieden und gegen Ausländerfeindlichkeit rund 3500 Menschen auf einen Parkplatz in direkter Nähe der rechten Demoroute gekommen, darunter Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und Linken. Linke Demonstranten waren aber trotz starker Polizeipräsenz auch auf den geplanten Demonstrationsweg der rechten Demo gelangt. Insgesamt 1800 Polizisten waren laut Polizei eingesetzt, die überwiegend sehr zurückhaltend agierten.


Nach der Auflösung des "Trauermarschs" verließen Teile die Gruppe, in der Folge kam es auch zu Angriffen von Rechten und Autonomen. Unter anderem geriet eine Gruppe des SPD-Bundestagsabgeordneten Sören Bartol auf dem Weg zu ihrem Bus in einen Hinterhalt. Plötzlich seien rund 20 Neonazis zwischen Autos aufgetaucht und auf sie zugelaufen, sagte ein Mitarbeiters Bartols zu t-online.de. Drei Mitglieder seien geschlagen worden, ohne ernsthafte Verletzungen davon getragen zu haben.

Drohende Eskalation zum Schluss

Ein anderer Teil der rechten Demonstranten verharrte auch nach dem Ende des Marsches noch an dem Ort unweit der Stelle, an der der 35-jährige Chemnitzer Daniel H. von Asylbewerbern mit Messerstichen tödlich verletzt worden war. Nachdem die Demonstranten auch nach mehrfachen Aufforderungen nicht den Platz verlassen hatte, erlaubte die Polizei schließlich, einzeln zu der Gedenkstätte zu gehen.

In der Folge bewegte sich allerdings die gesamte Gruppe zu dem Platz, an dem Kerzen an die Tat erinnern. Dort kam es zu "Daniel"- und "Das war Mord"-Sprechchören. Die Lage drohte zu eskalieren, als ein Demonstrant einen mutmaßlichen Journalisten anging, weil der ihn fotografiert habe. Kurzzeitig hielten sich "Auf die Fresse" und "keine Gewalt"-Sprechchöre die Wage, ehe sich die Lage dort beruhigte.

Die Polizei berichtete am späten Sonntagabend von bis dato 25 konkret bekannt gewordenen Straftaten: Körpverletzungen, Sachbeschädigungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Weitere Sachverhalte würden noch aufgearbeitet.

Auch Linke kritisieren die Polizei

Vorwürfe gegen die Polizei kamen auch aus dem linken Lager: Die säschische Landtagsabgeordnete Jule Nagel beklagte, dass mehr als 200 Gegendemonstranten für mehr als zwei Stunden eingekesselt worden seien. Gegen diese Demonstranten gab es den Vorwurf des Landfriedensbruchs. Nagel twitterte: "Während Nazis durch die Stadt marodieren, werden Linke festgehalten."

Vor knapp einer Woche war ein 35-jähriger Deutscher bei einer Messerattacke in Chemnitz getötet worden, zwei weitere wurden verletzt. Als Tatverdächtige sitzen ein Iraker und ein Syrer in Untersuchungshaft. Dem Verwaltungsgericht Chemnitz zufolge hätte der Iraker im Mai 2016 nach Bulgarien abgeschoben werden können. Auch soll er einem Medienbericht zufolge gefälschte Personaldokumente besessen haben.

*Wir hatten an dieser Stelle versehentlich von Dresden geschrieben. In der Überschrift und im übrigen Text stand Chemnitz. Wir bitten das Versehen zu entschuldigen und bedanken uns für die Hinweise.

Verwendete Quellen
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