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Bamf-Bescheid: Afghane kann mit Mädchen Blutschuld zahlen


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Wirbel um Formulierung
Asylbescheid: Afghane kann mit Frauen Blutschuld begleichen


06.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Junge Frau im Tausch: In einem ablehnenden Asylbescheid schreibt eine BAMF-Entscheiderin vor, ein Streit müsse nicht zwangsläufig mit Blutrache enden, weil der Mörder seine Schuld ja auch beispielsweise mit zwei heiratsfähigen Mädchen begleichen könne (Symbolfoto).Vergrößern des Bildes
Junge Frau im Tausch: In einem ablehnenden Asylbescheid schreibt eine BAMF-Entscheiderin vor, ein Streit müsse nicht zwangsläufig mit Blutrache enden, weil der Mörder seine Schuld ja auch beispielsweise mit zwei heiratsfähigen Mädchen begleichen könne (Symbolfoto). (Quelle: reuters)
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Steinzeitliche Regeln in der Begründung für einen ablehnenden Asylbescheid: Das Bamf soll einem Afghanen geschrieben haben, dass er seine Ermordung aus Rache im Tausch gegen zwei Mädchen umgehen kann. t-online.de liegt der Wortlaut vor.

Eine Entscheiderin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat mit einer irritierenden Formulierung Wirbel ausgelöst. Es geht um einen Mörder aus Afghanistan, der von drohender Blutrache in Afghanistan spricht, wenn er nach seiner Haft dorthin ausgewiesen wird. Eine Asylentscheiderin zweifelte an der Gefahr – und hielt in dem Bescheid fest, dass Schuld dort auch mit Mädchen aus der Familie beglichen werden kann. Das Bamf spricht von einer unpräzisen Formulierung.

Der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff hat den Vorgang auf Facebook öffentlich gemacht. Er vertritt den Afghanen, dessen Asylantrag abgelehnt worden ist. In dem Bescheid, der t-online.de vorlag, fällt diese barbarische Formulierung.

Najim O. (Name von der Redaktion geändert) lebt bereits seit 1988 in Deutschland. Er ist legal ins Land gekommen, er hat hier eine Ausbildung abgeschlossen, hier gearbeitet – und er hat hier getötet. Kommt er nach der Haftstrafe frei, soll er in das Land ausgewiesen werden, aus dem er stammt und in dem viele Opfer-Angehörige leben. Und die warten dort angeblich auf ihn, um die Tat zu sühnen, wie Najim O. nach Angaben seines Anwalts den Behörden erklärt hat. Das Argument ist sein letzter Strohhalm, die Ausweisung zu verhindern.

"Die finden ihn, wenn er in Afghanistan ist"

Details zu der Tat seines Mandanten will der Anwalt nicht preisgeben: Wenn die bekannt würden, wisse die Familie sofort, dass Najim O. aus der Haft entlassen und nach Afghanistan ausgewiesen werden könnte, sagte er zu t-online.de. Die Familie sei weitverzweigt, „die finden ihn, wenn er in Afghanistan ist“. Es gehe um Blutrache unter Paschtunen, der größten Bevölkerungsgruppe in Afghanistan mit archaisch erscheinenden Stammes-Regeln.

Familienvater Najim O. hat deshalb vor einigen Monaten Asyl beantragt, als klar wurde, dass die lange absehbare Ausweisung näher rückt. Ausländische Straftäter sollen nach Verbüßung einer Haftstrafe wegen schwerer Kriminalität abgeschoben werden. In der Praxis geschieht das jedoch nur bei einem kleinen Teil.

Die Ausweisung wollte der Mann auch verhindern mit der Begründung, dass ihm dort der Tod drohe. "Offensichtlich unbegründet" sei der Antrag, entschied das Bamf. Vom afghanischen Staat gehe für den Mann schon einmal keine Gefahr aus. Die Behörde hatte aber auch Zweifel, ob die Opferfamilie überhaupt Vergeltung will. Selbst in diesem Fall sei es aber fraglich, ob es wirklich zur Blutrache kommen und Gleiches mit Gleichem vergolten werden muss.

Im Ablehnungsbescheid, den t-online.de einsehen konnte, findet sich die Begründung, die verstörend wirkt: Die Tötung sei nach paschtunischem Gewohnheitsrecht nicht der einzige Ausweg bei den Streitigkeiten. Es sei auch vorstellbar, "ein Vergebungsritual abzuhalten oder dass zwei Frauen an die Opferfamilie übergeben werden". An anderer Stelle ist von "heiratsfähigen Mädchen" die Rede. Die Entscheiderin stützt sich an diesen Stellen auf ein Gutachten in dem Fall.

Mädchen als Kompensationsleistung

Die Situation vieler Frauen in Afghanistan fasste die Bonner Islamwissenschaftlerin und Professorin Christine Schirrmacher in einer Analyse so zusammen: "Das Recht des größten Stammes Afghanistans, das Paschtunwali, betrachtet Frauen quasi als Gegenstände." Bei Konflikten wegen Landbesitz, Schulden oder Ehrverletzungen könnten sie wie eine Ware von Sippe zu Sippe übergeben werden. Kinderehen seien zulässig. Das wäre das, was nach dem Szenario im Bamf-Schreiben dann auch passieren könnte.

Der Ablehnungsbescheid wurde von einer Frau geschrieben. Sie kommt zum Schluss, "dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Tötung des Ausländers als einzige Möglichkeit der Beilegung der Streitigkeiten gegeben sind". Die nach paschtunischem Gewohnheitsrecht möglichen weiteren Kompensationsleistungen stellten "keinen ernsthaften Schaden" für O. dar.

Ein solcher Schaden könnte nach dem Asylgesetz einer Ausweisung im Wege stehen. Anwalt Gerloff erklärte zu t-online.de, mit Geld habe sich die Opferfamilie nach Aussagen seines Mandanten nicht zufrieden geben wollen.

Auf Facebook schreibt er sarkastisch: "Ich bin gespannt, ob das Bamf noch mitteilt, woher mein Mandant die beiden Mädchen zaubern soll und ob das Bamf dann die Übergabe organisieren würde." In Kommentaren unter dem Beitrag zeigt sich viel Unverständnis über die Bamf-Formulierung, in der Kanzlei riefen am Freitag zahlreiche Medien an.

"Satz hätte im Konjunktiv stehen müssen"

Das Bamf ist in einer schwierigen Situation: Für das Bundesamt haben Tausende Entscheider in diesem Jahr schon mehr als 120.000 Asylentscheidungen getroffen, für die Formulierung in einem davon gerät es in die Kritik und kann ohne eine Entbindung von der Verschwiegenheitserklärung nicht detaillierter antworten.

Ein Sprecher teilte t-online.de jedoch mit, die Textpassagen seien unpräzise formuliert. "Der Satz hätte wohl eher im Konjunktiv stehen müssen." Er stelle nicht die Meinung der Entscheiderin dar. Die Formulierung gebe nur wieder, was Gutachter und Antragsteller erklärt hätten. "Der in dem Post [auf facebook, Anm. d. Red.] angedeutete Zusammenhang, dass die Übergabe zweier heiratsfähiger Mädchen genüge, um die Gefahr für den Antragsteller zu beheben, wurde nicht von der Person im Bamf hergestellt."

Bereits im April hatte eine Bamf-Entscheidung in einem Asylverfahren eines Afghanen Wellen geschlagen. Da hatte die Behörde geschrieben, ein 18-jähriger Afghane, dem Gefahr durch die Taliban droht, könne ja in Kabul "untertauchen". Dort gebe es schließlich "kein funktionierendes Meldewesen".

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Anwalt Gerloff kritisiert, die Qualität der Bescheide habe insgesamt deutlich nachgelassen. Er könne sich die Begründung in dem Bescheid nur auf eine Art erklären: "Da sind so viele neue Leute, da macht jeder, was er für richtig hält." Im Bamf geht allerdings die Zahl der zu bearbeitenden Asylanträge ständig zurück.

Gerloff hat Klage gegen den Asylbescheid erhoben und einen Eilantrag mit aufschiebender Wirkung gestellt, um eine Abschiebung zu verhindern.

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