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Berlin: Tragischer Antisemitismus-Fall schockt Eliteschule


Hass und Mobbing im Villenviertel
Antisemitismus-Fall schockt Eliteschule in Berlin

dpa, Esteban Engel

Aktualisiert am 28.06.2018Lesedauer: 3 Min.
Die John-F.-Kennedy-Schule in Berlin: Hier soll ein Schüler monatelang antisemitisch beschimpft worden sein.Vergrößern des Bildes
Die John-F.-Kennedy-Schule in Berlin: Hier soll ein Schüler monatelang antisemitisch beschimpft worden sein. (Quelle: Robert Schlesinger/dpa-bilder)

An der John-F.-Kennedy-Schule in Berlin soll ein Neuntklässler über Monate hinweg antisemitisch beleidigt worden sein. Der Fall macht dem begehrten Eliteinstitut schwer zu schaffen.

Ein Sticker auf dem Rücken mit einem Hakenkreuz, Rauch aus einer E-Zigarette ins Gesicht gepustet mit der Einschüchterung: "Das soll dich an deine vergasten Vorfahren erinnern". Was die Leiter der renommierten deutsch-amerikanischen John-F.-Kennedy-Schule in Berlin erzählen, dürfte nur ein Teil des Mobbings sein, mit dem Schulkameraden einem Neuntklässler zusetzten. Wenn die Berichte stimmen, die jetzt die Runde machen, hat der jüdische Junge tiefe seelische Verletzungen davongetragen.

Nicht im Problem-, sondern im Villenviertel

Zuletzt gab es in Berlin immer wieder Fälle von Antisemitismus, so bei dem Angriff auf einen Kippaträger aus Israel. Der neue Fall hat aber wohl nichts mit muslimischen Einwanderern zu tun, mit "Problemvierteln" wie Wedding oder Neukölln, sondern spielte sich im bürgerlichen Zehlendorf ab, in der "Mitte der Gesellschaft". So reden Experten, wenn sie beschreiben wollen, wie sich Judenhass im deutschen Alltag eingenistet hat.


Die Leitung der Kennedy-Schule hat nach eigenen Angaben am 7. Juni von dem Fall erfahren. Seitdem ist der Junge nicht mehr zum Unterricht erschienen. Wie lange er gemobbt wurde, können die Direktoren nicht sagen. Vielleicht zwei Tage, bevor die Eltern Alarm schlugen, vielleicht Monate vorher. Die Schule habe sich aber umgehend mit den Eltern in Verbindung gesetzt, sagt Steffen Schulz, Leiter der Oberschulsparte der "JFKS". Ein Gespräch mit Mitschülern und Beratern sei für das Opfer zu belastend gewesen, der 15-Jährige habe daran nicht teilnehmen wollen.

"Wir konnten die Familie nicht zufriedenstellen"

"Wir konnten die Familie nicht zufriedenstellen", räumt der geschäftsführende Direktor Brian Salzer auf Englisch ein. Er könne die Trauer und die Sorgen der Eltern verstehen. Die Direktoren und die Schulrätin bemühen sich um Schadensbegrenzung, nennen aber keine Einzelheiten. Immer wieder betonen sie, von den Vorfällen vorher nichts gewusst zu haben. Man suche jetzt das Gespräch mit Eltern beteiligter Schüler. Auf eine halbe Stunde haben sie die Pressekonferenz beschränkt. Sie wird auf die Minute genau für beendet erklärt.

Während der 30 Minuten zeichnet der Amerikaner Salzer das Bild einer Multikulti-Welt wie aus dem Bilderbuch. Er spricht von Toleranz und Neugierde, die an der zweisprachigen Schule herrsche, von Ethik und Moral im Unterricht, der Internationalität der Schulklientel.

Plätze an der Schule hoch begehrt

Die etwa 1.600 Plätze an der "JFKS" sind hoch begehrt, die auf Dutzende Gebäude verteilte Schule im Grünen erinnert an einen US-Campus. Hier lernen Söhne und Töchter von Diplomaten und Professoren. Was könnte da schiefgehen?

Die Schule hat bereits einen Tag zuvor Fehler eingestanden. Man habe die Dimension des Falles unterschätzt. Dazu passt wohl auch der Vorwurf des Zentralrats der Juden, die Kennedy-Schule sei nur unter dem Druck geplanter Medienberichte an die Öffentlichkeit gegangen.

Protokoll eines monatelangen Leidenswegs

In der "Süddeutschen Zeitung" hat sich "Bruno", wie das Blatt den Jungen zum Schutz seiner Identität nennt, offenbart. Es ist das Protokoll eines monatelangen Leidenswegs. In einer Pause hätten ihn Mitschüler etwa gefragt, was der Unterschied sei zwischen einer Pizza und einem Juden. Als sie dem Jungen im Flur begegnen, singen sie: "Ab nach Auschwitz in einem Güterzug." Immer wieder hätten Mitschüler ihn als schwul beschimpft. "Bruno" notierte, welcher Lehrer gelacht und welcher ihm geraten habe, sich zu wehren.

Junge Leute treffen eben manchmal "wrong choices", falsche Entscheidungen, wie Direktor Salzer sagt. Was sich unter Schülerinnen und Schülern abspiele, bleibe für Lehrer oft unergründlich, man könne sich schließlich nicht in die WhatsApp-Gruppen einloggen.

Nun sollen Lehrer fortgebildet werden

Jetzt will die Schule "Diskriminierung" und "Toleranz" auf den Plan setzen – und die Lehrer zum Thema Antisemitismus fortbilden. Das ist auch im Sinn des Antisemitismusbeauftragten des Bundes, Felix Klein. Er sieht dazu ein Defizit bei Lehrern, sagte er im rbb-Inforadio.

Sie seien oft nicht ausreichend auf solche Situationen vorbereitet. Bereits an diesem Freitag sollen sie an der Kennedy-Schule darüber mit den Schülern in den Klassen sprechen – zur Zeugnisausgabe, am letzten Schultag vor den Sommerferien.

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