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Debatte um Grundsicherung: Darum wird es auch in Zukunft Hartz IV geben


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Debatte um Grundsicherung
Darum wird es auch in Zukunft Hartz IV geben

  • Johannes Bebermeier
Eine Analyse von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 28.03.2018Lesedauer: 3 Min.
Bedürftige stehen bei der Trierer Tafel für Lebensmittel an: Hartz IV wird wohl auf absehbare Zeit als Grundsicherung bleiben.Vergrößern des Bildes
Bedürftige stehen bei der Trierer Tafel für Lebensmittel an: Hartz IV wird wohl auf absehbare Zeit als Grundsicherung bleiben. (Quelle: Harald Tittel/dpa)

Jens Spahn findet, mit Hartz IV habe jeder das, was er zum Leben braucht. Das sehen viele anders – auch in der Politik. Sogar Hartz IV abzuschaffen, wird nun gefordert. Doch das ist wenig realistisch.

Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn provoziert gern. Daraus macht er gar keinen Hehl. Als er sich Mitte März in seinem neuen Ministerium seinen Mitarbeitern vorstellte, gab er unumwunden zu: „Was ich ab und zu brauche, ist eine kontroverse Debatte.“ Er lächelte dabei – und seine Zuhörer waren ebenso amüsiert. Denn etwas Neues hatte er ihnen damit nun wirklich nicht erzählt.

Gerade erst hatte er eine große Kontroverse über Hartz IV ausgelöst. Mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“, hatte er in einem Interview gesagt. Hintergrund war die Diskussion um die Essener Tafel, die einen vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer verhängt hatte. Spahn wollte wohl die Ehre des deutschen Sozialstaats retten. Denn er sagte auch: "Wir haben eines der besten Sozialsysteme der Welt.“

Doch Debatten lassen sich eben nur bedingt steuern. Und inzwischen diskutiert die Politik nicht mehr darüber, wie gut Hartz IV angeblich vor Armut schützt. Jetzt geht es um die Mängel des Systems. Selbst eine mögliche Abschaffung wird offen diskutiert.

Doch realistisch ist das nicht.

Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD das Thema ausgespart. Hartz IV wird dort nicht einmal erwähnt. Und trotzdem wird es in dieser Legislaturperiode wohl noch eine Reform geben. Das liegt an der SPD – und der AfD. Abgeschafft wird Hartz IV aber nicht. Das liegt an der Union – und auch ein bisschen an der SPD selbst.

SPD leidet unter der Agenda 2010

Die SPD hat die Reformen der Agenda 2010 mit Hartz IV als Hauptgrund für ihren Niedergang in den vergangenen Jahren ausgemacht. Das Lob, das die größte Reform Gerhard Schröders von vielen Wirtschaftsforschern und sogar von der politischen Konkurrenz erhält, macht die Genossen eher verlegen. Man findet heute kaum noch einen SPD-Politiker, der die Agenda 2010 und ihre Wirkung auf den Arbeitsmarkt lobt – zumindest in der Öffentlichkeit. Zu groß ist die Wut bei den Menschen, die die SPD gern wieder als Wähler hätte, zu groß die Angst, sie zu provozieren.

Die Sozialdemokraten durften also nicht schweigen, als Spahn Hartz IV lobte. Allein um ihrer selbst Willen. Tiefer als auf die 20,5 Prozent bei der vergangenen Bundestagswahl wollen sie nicht fallen. Und da Worte allein noch keinen Hartz-IV-Bezieher zum SPD-Wähler machen, hat die SPD auch ein großes Interesse daran, die Härten ganz konkret mit Reformen abzumildern – lieber heute als morgen.

Auch die AfD macht Reformen wahrscheinlich – indirekt. Denn in der Debatte selbst tut sie sich nicht hervor. Doch SPD, CDU und CSU wollen, dass die neue Partei wieder aus dem Bundestag verschwindet. Das ist aber mit einer großen Koalition nicht ganz einfach. Solche Bündnisse stärken die Ränder, weil sie der Opposition keinen Platz mehr lassen, so lautet eine populäre Analyse. Die Bürger bekommen den Eindruck, dass es keine Alternativen mehr gibt – und wählen den, der am lautesten schreit: die AfD.

Zusammen regieren und zugleich streiten

SPD, CDU und CSU haben sich deshalb dazu entschieden, die Aufgaben der Opposition gleich mit zu übernehmen. Sie wollen gemeinsam regieren, aber zugleich klarmachen, dass sich die drei Parteien in wichtigen Fragen unterscheiden. Weil die SPD die Partei sein will, die in Deutschland für soziale Gerechtigkeit steht, versucht sie das nun beim Thema Hartz IV. Auch hier gilt analog: Worte allein machen noch keinen AfD-Wähler zum SPD-Wähler. Also: Reformen.

Eine Abschaffung von Hartz IV wird jedoch zunächst eine Idee bleiben. Das liegt vor allem an der Union, die die Folgen der Agenda-Reformen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt hoch schätzt. Im Deutschlandfunk hat der CDU-Politiker Kai Whittaker gerade noch einmal bekräftigt: Reform ja, Abschaffung nein.

Es liegt aber auch ein bisschen an der SPD selbst. Zwar gibt es durchaus einige namhafte Parteivertreter, die eine Abschaffung fordern. Die SPD-Vizechefs Ralf Stegner und Malu Dreyer zum Beispiel, der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. Ihr Vorschlag eines alternativen „solidarischen Grundeinkommens“ ist aber vor allem Teil der Strategie, sich stärker von der Union abzugrenzen.

Die letztlich entscheidenden SPD-Politiker sind nicht dafür bekannt, große Fans einer Abschaffung zu sein. Die designierte Parteichefin Andrea Nahles nicht. Und auch der zuständige SPD-Arbeitsminister im Kabinett nicht: Hubertus Heil. Der sagte nun zwar der „Bild“-Zeitung, dass er die Debatte für notwendig halte. Betonte aber zugleich, er setze „auf konkrete und machbare Lösungen“. Eine Abschaffung von Hartz IV gehört nicht dazu.

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