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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nazi-Gegner ordert Chemikalien Demokratiebündnis entsetzt über Sprengstofffund
In Thüringen hat die Polizei bei einem Organisator von Protesten gegen rechte Demonstrationen Material zum Sprengstoffbau gefunden. Hinweise auf geplante Straftaten gibt es nicht.
Material zum Basteln von Sprengstoff bringt eine Organisation unter Druck, die in Thüringen für ihren Einsatz gegen Menschenfeindlichkeit und für Demokratie ausgezeichnet worden ist. Bei einem ihrer Sprecher, der in der Vergangenheit auch Demonstrationen gegen rechte Aufmärsche organisiert hat, sind bei einer Razzia Chemikalien zum Herstellen von Sprengstoff gefunden worden. Bei Durchsuchungen an vier Objekten hatte die Polizei auch eine geringe Menge bereits mutmaßlich funktionsfähigen Sprengstoffs gefunden.
Wieso hatten ein 25-Jähriger und ein 31-Jähriger Chemikalien zum Basteln von Sprengstoff bestellt? Am Dienstag stießen Thüringer Kripo-Beamte in Rudolstadt sowie im nahen Ort Uhlstädt-Kirchhasel auf eine kleine Menge des Sprengstoffs Erythritoltetranitrat (ETN) und mehrere Kilo verschiedener Stoffe, die zur Herstellung gebraucht werden. Die Staatsanwaltschaft in Gera rätselt noch über die Motive und Hintergründe.
Keine Hinweise auf konkret geplante Taten
Es gebe zum derzeitigen Zeitpunkt keinen Hinweis auf konkret begangene Straftaten, so die Staatsanwaltschaft. Sie sieht auch derzeit "für einen politischen Hintergrund keinerlei Hinweise", sagt Sprecher Sven Schroth zu t-online.de. AfD-Politiker nutzen den Fall aber bereits, um damit das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt anzugreifen.
Einer der beiden Beschuldigten ist in der Vergangenheit mehrfach als einer der Sprecher des Bündnisses aufgetreten. Er hatte auch bei der Verleihung des Thüringer Demokratiepreises 2016 einen mit 500 Euro dotierten Anerkennungspreis für das Bündnis entgegengenommen.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Reichardt aus Sachsen-Anhalt twitterte nach Bekanntwerden der Vorwürfe: "Die selbsternannte Zivilgesellschaft scheint sich zu enttarnen! Bombenbau passt nicht zur pseudomenschlichen Attitüde." Einschränkend fügte er hinzu: "Wenn es sich bestätigt."
Bündnis zeigt sich entsetzt
Das Bündnis distanzierte sich in einer Stellungnahme "aufs Schärfste". Das Engagement des Bündnisses stehe in keinerlei Zusammenhang mit Aktivitäten des Tatverdächtigen. Man sei "entsetzt über die Lagerung von Materialien, die zur Sprengstoffherstellung geeignet sind. Unabhängig von Zweck und Ziel steht für uns fest, dass es keinen einzigen akzeptablen Grund zur Lagerung dieser Materialien – geschweige denn zum Einsatz von Sprengstoff – gibt."
Bei dem Sprecher des Bündnisses wurde nach Auskunft der Staatsanwaltschaft kein fertiger Sprengstoff gefunden, Chemikalien lagerten aber auch bei ihm. Die Staatsanwaltschaft dementierte die Menge von 20 Kilo, die in der "Ostthüringer Zeitung" genannt wurde. Sie hatte zuerst über den Fall berichtet.
Beide Beschuldigte haben laut Schroth eingeräumt, das Material besessen zu haben, einer habe auch erklärt, die Mischung hergestellt zu haben. Ermittelt werde wegen des Vorwurfs der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens, darauf steht eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.
Zeuge hatte Bestellungen gemeldet
Eine Begründung für ihre Bestellung lieferten die Männer bei der Vernehmung nicht. "Beide haben aber bestritten, eine Straftat geplant zu haben." Die Männer seien bisher nicht oder nur geringfügig wegen eines nicht einschlägigen Delikts polizeibekannt. Die Ermittlungen liefen in alle Richtungen, überprüft werde etwa auch eine Serie von Automatensprengungen.
Über die Bestellung der Ausgangsstoffe war die Polizei auf die beiden Männer gestoßen. Ein Zeuge habe gemeldet, es seien "größere Mengen Düngemittel" bestellt worden. Der Zeuge war der Staatsanwaltschaft zufolge nicht ein Händler. Sichergestellt wurden Buttersäure, Magnesiumpulver, Schwefelpulver und Calciumcarbid.
Bei den Durchsuchungen waren Experten des Landeskriminalamts für unkonventionelle Sprengstoffe im Einsatz, erklärte eine Sprecherin der Polizei Saalfeld. Kräfte von SEK oder MEK waren nicht beteiligt, die Beschuldigten seien kooperativ gewesen.
- Eigene Recherchen
- Berichterstattung OTZ