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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Lanz"-Debatte über Propalästina-Demos Spahn: "Wasserwerfer bei Corona-Rentnern schneller im Einsatz"
Bringen mehr Zuwanderer auch mehr Judenhass nach Deutschland? Jens Spahn meint ja und sorgt sich auch um andere Gesellschaftsgruppen.
Am 85. Gedenktag der Pogromnacht gegen Juden hat Markus Lanz mit seinen Gästen am Donnerstag über Antisemitismus in Deutschland gesprochen. In den Fokus rückte dabei schnell das Thema muslimische Zuwanderung.
Viele Geflüchtete kämen aus Ländern, in denen Antisemitismus "Teil der Alltagskultur ist", erklärte CDU-Politiker Jens Spahn. Diese kulturelle Prägung werde nicht abgelegt, wenn man die deutsche Grenze übertritt, stellte er klar.
Die Gäste
- Jens Spahn, CDU-Politiker
- Petra Pinzler, "Zeit"-Journalistin
- Kubilay Dertli, Fachkräfte-Rekrutierer
- Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen"
Mit Blick auf propalästinensische Demonstrationen, bei denen auch Antisemitisches skandiert werde, forderte Spahn ein härteres Durchgreifen. Recht und Ordnung müssten umgesetzt werden, erklärte er. "Wir merken doch, da erodiert was."
Spahn fordert härteres Durchgreifen
Besonders erwähnte Spahn in diesem Zusammenhang die propalästinensische Demonstration, die am vergangenen Samstag auf dem Berliner Alexanderplatz abgehalten wurde.
Tausende Menschen hatten sich dort versammelt, Plakate gezeigt und propalästinensische Sprechchöre gebildet. Mehrere Männer kletterten auf den Neptunbrunnen, um die Palästinenser-Flagge zu hissen. Die Polizei nahm 68 Personen fest, 36 Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet.
"Ich habe manchmal den Eindruck, die Wasserwerfer waren bei den Corona-Rentnern schneller im Einsatz", wurde Spahn mit Blick auf Vorfälle wie diese deutlich. Er stellte die Frage in den Raum: Hätten wir das zugelassen, wenn das Rechtsradikale gewesen wären? Seine Antwort: "Ich weiß es nicht."
Antisemitismus in Deutschland
Ob von rechten, linken oder muslimischen Antisemiten: Ein Bild von dem, was Juden in Deutschland tagtäglich erleben, zeichnete am Donnerstag der Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen", Philipp Peyman Engel.
Er berichtete von Glaubensbrüdern, die sich in der Berliner U-Bahn schon lange nicht mehr trauten, sich auf Hebräisch zu unterhalten, Juden, die ihre Kippa unter Mützen versteckten und immer mehr Abonnenten, die darum bitten, die "Jüdische Allgemeine" in einem neutralen Umschlag geliefert zu bekommen.
Auf einer Linie mit Spahn erklärte Engel: "Viel zu lange wurde in Deutschland muslimischer Judenhass tabuisiert." Der Chefredakteur stellte jedoch auch klar, dass man nicht generalisieren dürfe. Antisemitismus in Deutschland habe viele Seiten, zu denen auch deutscher Rechtsextremismus zähle, so Engel.
Spahn: Unkontrollierte Migration gefährdet Demokratie
Der Schlüssel für eine gesunde Demokratie liegt laut Spahn in der Lösung des Problems der irregulären Migration nach Deutschland. Ob die demokratische Mitte es schaffe, irreguläre Migration unter Kontrolle zu bringen, werde über die "Existenzfrage der Demokratie" entscheiden, prognostizierte er.
Die Unsicherheit in der Gesellschaft, die durch unkontrollierte Migration entstehe, sorge dafür, dass die Menschen weniger offen seien, erklärte Spahn. Minderheiten bekämen das zuerst zu spüren. "Das besorgt mich gerade auch als schwuler Mann", so der Unionsfraktionsvize. Die Maßnahmen zur Begrenzung der Migration, die Bund und Länder Anfang der Woche nach einem Gipfel in Berlin verkündet hatten, hielt Spahn für nicht ausreichend.
Unter anderem sieht der Bund-Länder-Beschluss einen besseren Schutz der europäischen Außengrenzen, schnellere Asylverfahren und Rückführungen, sowie eine bundesweite Bezahlkarte vor.
Spahn distanziert sich von Frauke Petry
Das sei alles "nicht falsch", erklärte Spahn. Er forderte jedoch zusätzlich eine Begrenzung der irregulären Migration "auf null". Notfalls müsse die Abweisung von Zuwanderern auch mit physischer Gewalt durchgesetzt werden, erklärte er.
Damit meine er beispielsweise bewachte Zäune, so der CDU-Mann auf Nachfrage. Von "Schießbefehlen", wie Ex-AfD-Chefin Frauke Petry sie 2016 ins Spiel gebracht hatte, distanzierte er sich deutlich. Das sei "Humbug", stellte er klar. Viel eher gehe es darum, Menschen am Passieren einer Grenze zu hindern, ähnlich wie das bei einer Passkontrolle am Flughafen der Fall sei.
Gegenwind von Petra Pinzler
Gegenwind erntete Spahn von "Zeit"-Journalistin Petra Pinzler. Spahn suggeriere, dass es in der Zuwanderungsdebatte eine einfache Lösung gebe, kritisierte die. "So funktioniert das nicht", stellte sie klar. Spahns Kritik an den Ergebnissen der Ministerpräsidentenkonferenz führte sie darauf zurück, dass "er nicht mit am Tisch saß."
Darüber hinaus störte sie sich an der Wortwahl des CDU-Mannes und erklärte, man müsse mit seiner Sprache "fürchterlich aufpassen". Sonst könne es passieren, dass man politischen Rändern Argumente zuspiele.
"Sprachlos" war Pinzler nach eigener Aussage angesichts von Engels Erzählungen über Judenhass in Deutschland. "Mir wird schlecht, wenn ich das höre, ich dachte, wir hätten das hinter uns gelassen", so die Journalistin.
Mehrheit wünscht sich stärkere Bekämpfung von Antisemitismus
Ihre Sorge angesichts des Judenhasses in Deutschland teilen offenbar viele. Wie die Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap jüngst ergab, ist eine Mehrheit mit den Anstrengungen zur Bekämpfung von Antisemitismus in Deutschland nicht zufrieden.
Aus der Befragung ging hervor, dass mit 56 Prozent mehr als der Hälfte der Befragten die Anstrengungen zur Bekämpfung von Antisemitismus in Deutschland nicht weit genug gehen. 23 Prozent halten sie für ausreichend, 9 Prozent gehen sie zu weit.
- zdf.de: "Markus Lanz" vom 9. November 2023