Gauland bei "Maybrit Illner" Bei einer Sache reagiert der AfD-Senior plötzlich beleidigt
Bei Maybrit Illner ging es kurz um den Nato-Gipfel von Vilnius. Danach arbeitete sich die Runde an den Ansichten des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland ab.
Zum Einstieg gab’s ein kleines Zugeständnis: "Ich glaube auch, dass man in der heutigen Zeit das Zarenreich Peters des Großen nicht wieder aufbauen kann", stellte der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland fest. Sogar die Worte "völkerrechtswidriger Angriffskrieg" kamen ihm über die Lippen. Das war es dann aber auch schon an Übereinstimmungen mit dem Rest der Runde.
Unter der Überschrift "Sicherheit für die Ukraine – Nato stärken, Russland provozieren?" ging es in der gestrigen "Maybrit Illner"-Ausgabe weniger um die aktuellen Ergebnisse des Nato-Gipfels in Vilnius als um die kruden Ansichten des 82-jährigen Rechtspopulisten.
Die Gäste:
- Alexander Graf Lambsdorff (FDP), designierter deutscher Botschafter in Moskau
- Roderich Kiesewetter (CDU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, Oberst a. D.
- Alexander Gauland, AfD-Ehrenvorsitzender
- Melanie Amann, Journalistin ("Der Spiegel")
Nachdem er seine Freude über die noch nicht beschlossene Aufnahme der Ukraine in das westliche Verteidigungsbündnis bekundet hatte, führte Gauland mehrfach aus, warum er "grundsätzlich dagegen" sei, dass sich die Nato "bis an die russische Grenze" ausdehne: Schließlich habe der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher 1991 in seiner Tutzinger Rede versprochen, dass es keine solche Ausdehnung geben werde. Man müsse akzeptieren, dass sich die "russischen Eliten" von einem solchen Szenario "bedroht" fühlten.
Es war dann an Alexander Graf Lambsdorff klarzustellen, "dass nicht die Nato an Russland herangerückt ist", sondern dass nach von Russland beförderten Abspaltungen in Georgien und Moldawien die ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts "bei der Nato angeklopft" hätten, weil sie Schutz vor russischen Aggressionen suchten.
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Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, der in wenigen Wochen als Botschafter nach Moskau geht, erinnerte zudem daran, dass es sich bei der Nato um eine reine Defensivallianz handle. CDU-Mann Roderich Kiesewetter wies darauf hin, dass Russland "das Existenzrecht früherer Sowjetrepubliken schlichtweg nicht anerkannt" habe.
Als Maybrit Illner ein Video mit Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin einspielte, in dem dieser das Narrativ der Nato-Aggression als Lüge bezeichnet, fand es Alexander Gauland "etwas komisch", nun "ausgerechnet Herrn Prigoschin als Zeugen aufzurufen". Er blieb dabei, dass "die Russen als Welt- und Großmacht das ununterbrochene Heranrücken der Nato" nicht akzeptiert hätten. Schließlich akzeptierten "auch die Amerikaner seit 1823 nicht, dass auf ihrem Kontinent Europäer sich festsetzen". Er wäre sehr gespannt, was passieren würde, "wenn die Kanadier auf die Idee kämen, die Hudson Bay an die Chinesen zu verpachten".
Illner erinnert an Gaulands Wort vom "Vogelschiss"
Verweise von Roderich Kiesewetter auf Bündnisfreiheit und Souveränität, auf die Charta von Paris und die Schlussakte von Helsinki perlten an Gauland ebenso ab wie der Hinweis von "Spiegel"-Journalistin Melanie Amann, dass er mit dem ständigen Anführen von Russlands legitimen Sicherheitsinteressen "durch die Hintertür" den Krieg rechtfertige.
Dafür kam der AfD-Senior auf die besondere deutsche Verantwortung wegen des Zweiten Weltkriegs zu sprechen: "Ich find’s keine gute Idee, wenn deutsche Panzer russische Soldaten töten." Von Maybrit Illner gefragt, wie das mit seiner früheren Einordnung der Nazizeit als "Vogelschiss in der Geschichte" zusammenpasse, reagierte der Rechtspopulist beleidigt: Das sei "nicht die feine englische Art, jetzt mit dem Vogelschiss zu kommen", er habe sich x-mal für den Begriff entschuldigt.
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Damit waren die rückwärtsgewandten Gauland-Festspiele aber noch nicht beendet. Die Moderatorin konfrontierte ihn mit seinem Ausspruch "Ein starkes Russland ist immer ein freundliches Russland", und er bestätigte: "Für uns Deutsche ist das in der Geschichte so gewesen." Gauland weiter: "Die Russen haben uns geholfen 1763, die haben uns geholfen 1813."
Auch hätte Bismarck die deutsche Einigung ohne russische Hilfe nicht hinbekommen. Und ebenso 1990. "1990 war die Sowjetunion so schwach, dass sie der deutschen Wiedervereinigung zugestimmt hat", korrigierte Alexander Graf Lambsdorff. Melanie Amman merkte in Richtung Gauland an: "Ihre Doktrin würde dazu führen, dass man das Völkerrecht dem Faustrecht unterwirft."
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Als Alexander Graf Lambsdorff in anderem Kontext feststellte, das deutsche Ansehen in Osteuropa habe sich "gegenüber dieser fürchterlichen Nord-Stream-Phase" wieder gebessert, hatte Gauland noch eine weitere Provokation parat: "Warum war Nord-Stream falsch?", fragte der AfD-Abgeordnete: "Ich sehe nicht, warum wir kein russisches Gas kaufen sollen."
Er sei aber ohnehin grundsätzlich gegen Wirtschaftssanktionen – die hätten "schon 1936 im Abessinienkrieg nicht funktioniert". Spätestens hier konnte einem der ironische Spruch "Opa erzählt vom Krieg" in den Sinn kommen – wäre der nicht angesichts der realen Kriegsgräuel in der Ukraine allzu bitter. Immerhin: Den Vorwurf, dass AfD-Positionen in Talkshows nicht ausreichend vertreten würden, kann nach dieser Sendung erst mal keiner mehr erheben.
- ZDF: "Maybrit Illner" vom 13.07.2023