Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Energie-Talk bei Lanz Weil: "Katar ist ein seriöser Geschäftspartner"
Niedersachsens Ministerpräsident erteilt Fracking in seinem Bundesland eine Absage. Dem WM-Gastgeber Katar stellt Stephan Weil ein gutes Zeugnis aus.
Frackinggas allein aus Niedersachsen könnte theoretisch den Erdgasbedarf Deutschlands auf Jahre hinweg decken. Die notwendige Technologie ließe sich notfalls binnen weniger Monate realisieren, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Donnerstagabend bei "Markus Lanz". Dennoch ist der Sozialdemokrat im Gegensatz zum bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) weiterhin kein Freund vom Fracking in Norddeutschland, auch mit Blick auf Wähler, die notfalls vor Gericht ziehen: "Allein das Wort zu sagen, sorgt dafür, dass sich Bürgerinitiativen bilden."
Die Gäste
- Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident Niedersachsens
- Ronny Blaschke, Sportjournalist
- Hans-Joachim Kümpel, Geophysiker
- Petra Pinzler, "Die Zeit"
Weil machte bei Lanz klar: Für ihn ist der Preis für Fracking einfach zu hoch. Um es rasch einzuführen, dürfe es keine Umweltverträglichkeitsprüfung geben und der Rechtsschutz bei solchen Projekten müsse auf ein Minimum heruntergefahren werden. Die hohen Investitionen müssten zudem wieder verdient werden, was die Abhängigkeit von fossilen Energien nur verlängere.
Mit Fracking aus der Gaskrise?
Seit Jahren für Fracking in Deutschland argumentiert hingegen Hans-Joachim Kümpel. Der ehemalige Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) stellte bei "Markus Lanz" in Aussicht: Schiefergas aus Niedersachsen könnte 20 der hierzulande pro Jahr verbrauchten rund 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas stellen. Er ging von förderbaren Vorkommen von insgesamt etwa 800 Milliarden Kubikmetern aus.
"Schiefergas nicht zu nutzen, wäre geradezu unverantwortlich für unser Land?", fragte Lanz. "Es ist geradezu ein Schildbürgerstreich", bekräftigte Kümpel. Zwar gebe es beim Fracking ein Restrisiko, räumte er ein. Es handele sich aber mitnichten um eine Risikotechnologie. Bilder aus den USA von brennbarem Wasser, das aus Wasserhähnen fließt, hätten die Fördertechnik in Deutschland verteufelt.
"Fracking ist für die Allgemeinheit Sodom und Gomorrha", kritisierte der Geophysiker. Dabei war Fracking ihm zufolge gar nicht Schuld an dem brennbaren Gas im Trinkwasser. Dabei habe es sich um natürlich vorkommende Faulgase gehandelt, wie sie auch in der Trinkwasserversorgung in einigen ländlichen Regionen Deutschlands zu finden seien.
Journalistin Pinzler kritisiert Geophysiker
"Wir hätten eine absolut sichere Erdgasproduktion, ohne dass dem Grundwasser was passiert", beteuerte Kümpel. Er warf der Großen Koalition vor, das Frackingverbot 2016/17 aus politischen Gründen und gegen die einhellige Meinung von Wissenschaftlern erlassen zu haben. Lanz warf hier die Frage auf, ob Fracking womöglich dem Bau der Pipeline Nordstream 2 und billigem russischem Erdgas zum Opfer gefallen war.
"Die Geschichte stimmt so nicht", widersprach "Zeit"-Journalistin Petra Pinzler Kümpels Darstellung. Sie warf dem ehemaligen BGR-Chef vor, die Risiken der Technologie kleinzureden und mit seinem Eintreten für das heimische Fracking früher auch unter dem Einfluss zahlungskräftiger Lobbyisten gestanden zu haben.
Embed
Tatsächlich gebe es eine Reihe von Argumenten gegen diese Art der Gasförderung, allen voran der enorme Wasserverbrauch und mögliche Erdbeben wie beispielsweise im niederländischen Groningen, sagte Pinzler. Frackinggas sei zudem laut einigen Studien bei der CO2-Bilanz fast so schlimm wie Kohle und werde laut realistischen Szenarien weder in diesem noch im nächsten Winter zur Verfügung stehen.
"Ist es das wert, für das, was wir bekommen?", fragte die Umweltexpertin der "Zeit". Führende Gasexporteure wie die USA würden längst auf Wasserstoff als Zukunftstechnologie setzen. "Deshalb sollten wir unser Geld nicht in das Spiel von gestern reinstecken", forderte Pinzler.
Weil lobt Bemühungen von Katar
Weniger kritisch als beim Fracking zeigte sich Weil, als es im letzten Teil der Ausgabe von "Markus Lanz" um Katar und die Fußballweltmeisterschaft ging. Der Sportjournalist Ronny Blaschke warf die Frage auf, ob die Kritik an der absoluten Monarchie nicht im nächsten Schritt dazu führen müsse, auch die Geschäftsbeziehungen mit Katar auf den Prüfstand zu stellen.
Weil bezeichnete das Emirat, das über eine Holding Schätzungen zufolge mittlerweile 17 Prozent der Volkswagen AG hält, hingegen als "seriösen Geschäftspartner". "Das sind sie mit Sicherheit, nach allen Erfahrungen, die wir jedenfalls machen", sagte er. Weil brach sogar eine Lanze für Katar als Arbeitgeber.
"Gemessen an den Arbeitsbedingungen, wie sie in Deutschland sind beziehungsweise sein sollten, ist es natürlich in Katar nicht vertretbar. Gemessen an dem, was in größeren Teilen der Welt angesagt ist, sind Mindestlohn und andere Maßnahmen durchaus beachtlich", attestierte er dem Emirat. Katar habe in Vorbereitung auf die WM durchaus Verbesserungen angestoßen. "Das kommt mir zu kurz", sagte der frisch wiedergewählte Ministerpräsident. "Wir haben ein völlig anderes Wertesystem. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß und wir sind nicht nur weiß", fügte er hinzu.
- zdf.de: "Markus Lanz" vom 24. November 2022