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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Regierung stellt sich Kinderfragen "Haben Sie Angst vor Putin, Frau Baerbock?"
Der Kanzler, die Außenministerin und der Gesundheitsminister standen in der TV-Show "Kannste regieren?" Rede und Antwort. Ihre Gegenüber waren Schulkinder.
In der aufgezeichneten Sat.1-Show "Kannste regieren?" beantworteten Kanzler Olaf Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock und Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstagabend die Fragen von Schulkindern — unter anderem über den Ukraine-Krieg, die Covid-19-Pandemie und die Gefahr eines dritten Weltkriegs.
Für Scholz und Baerbock war es nicht das erste Mal, dass sie sich den Fragen der jungen Bürger und Bürgerinnen stellten: Im Format "Kannste Kanzler" taten sie 2021 genau dasselbe im Rahmen der Bundestagswahl. Mit einem kleinen Unterschied in puncto Kulisse: Während Baerbock und Lauterbach ihre Gesprächspartner im Klassenzimmer besuchten, empfing Scholz die Kinder jetzt im Kanzleramt.
Baerbock spricht über den Ukraine-Krieg
Dass Baerbock gegenüber den jungen Fragenstellern punkten kann, zeigte sich bereits im vergangenen Jahr — das war diesmal nicht anders. Dabei sparten die Kinder erneut nicht mit unangenehmen Fragen: "Was war Ihr erster Gedanke, als Sie erfuhren, dass Sie nicht Kanzlerin wurden?", wollte ein Kind von ihr wissen. Baerbock gestand eine gewisse Enttäuschung darüber ein, zeigte sich aber pragmatisch: "So ist es im Leben. Mal gewinnt man, mal klappt es nicht". Die meisten Fragen an die Außenministerin drehten sich um den Ukraine-Krieg.
Ob Baerbock dafür sei, dass Deutschland der Ukraine mehr Waffen zur Verfügung stelle? "Ja. Russland hat die Ukraine angegriffen, und wenn wir die Ukrainer nicht unterstützen würden, sodass sie sich wehren können, würden schlimme Dinge passieren", erklärte sie. Ob sie geahnt habe, dass Russland die Ukraine angreifen werde? "Ich habe es befürchtet, aber ich war mir nicht hundertprozentig sicher. Ich fand damals nicht richtig, dass man Putin glaubte, dass nichts passieren würde. Es gab ganz viele Alarmzeichen, sodass man befürchten musste, dass etwas Schlimmeres passiert."
"Haben Sie Angst vor Putin", wollte ein Schüler wissen. Baerbock relativierte. "Nicht, dass mir persönlich was passiert. Mir macht das aber schon große Sorgen, dass einfach ein Land angegriffen wird, dass dort Bomben fallen. Offensichtlich will er diesen Krieg führen, egal, was das für sein Land bedeutet." Ein Junge namens Rachid überreichte ihr einen Brief seiner Großmutter, die als Kurdin in Syrien lebt — mit der Bitte, die Außenministerin möge sich ihrem Fall annehmen. Baerbock versuchte, die Erwartungen realistisch zu halten. "Ich kann jetzt nicht alleine deiner Oma helfen — aber wir gucken uns das ganz genau an".
Lauterbach: "Ich lasse mich von Querdenkern nicht einschüchtern"
Während Baerbock zwar mit Mund-Nasenschutz das Klassenzimmer betrat, diese anschließend aber ablegte, behielt Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Maske auch während des Gesprächs mit den Schülern an. Nur zu Beginn nahm er sie ganz kurz ab. Er trage Maske, "weil ich ein Vorbild für euch sein will. Weil ihr im Herbst, wenn es vielleicht wieder viele Fälle gibt, vielleicht Maske tragen müsst", so der SPD-Politiker.
Schulschließungen werde es keine mehr geben, prophezeite er — und auch der Skikurs im Winter sei wahrscheinlich möglich, allerdings aller Voraussicht nach mit Maskenpflicht. Während Baerbock in erster Linie zum Ukraine-Krieg befragt wurde, dreht sich bei Lauterbach fast alles um Corona. "Warum muss ich als Sechstklässler Maske tragen, aber Mia als Drittklässlerin nicht?", fragte ihn ein Schüler.
Lauterbach gestand, dass dies etwas willkürlich sei, merkt aber an: "Irgendwo muss man eine Grenze ziehen". Die Frage, ob Kinder nun eine weitere Impfung benötigen, ließ er offen. "Es kommen jetzt adaptierte Impfstoffe raus. Ob diese Impfstoffe auch für Kinder zugelassen werden, ist nicht ganz klar." Auch auf seine Kritiker ging Lauterbach ein. "Verstehen Sie, dass viele Menschen sauer auf sie sind?", fragte ein Kind. Er bejahte: "Klar. Vieles, was ich mache, ist umstritten. Das kann ich auch verstehen".
Dennoch müsse jeder vernünftige Mensch nachvollziehen können, warum er das tue. Von sogenannten Querdenkern lasse er sich nicht von seinem Kurs abbringen: "Ich mache meine Arbeit und lasse mich von Querdenkern nicht einschüchtern. Es gibt eine Gruppe von Querdenkern, die ist gewaltbereit und die drohen mir und meiner Familie. Das geht gar nicht, das ist ganz furchtbar. Das ist ein Preis meiner Arbeit, das gefällt mir gar nicht."
"Können Sie nachts schlafen?", lautete die Frage eines Schülers — die sich eigentlich auf Drohungen gegenüber seiner Person bezog. "Die Drohungen machen mir keine Albträume, ich kann gut schlafen. Trotzdem ist es so, dass ich mir natürlich Sorgen mache über Dinge, die gemacht werden müssen."
Er sei vielleicht gestresst, aber keinesfalls schlaflos, meinte er. Beim Spiel "Freund oder Feind", bei dem er politische Kollegen beziehungsweise Kontrahenten in eine der beiden Kategorien einordnen musste, kam nur eine Person auf die Feindesliste: AfD-Chefin Alice Weidel.
Olaf Scholz: Keine Angst vor einem Angriff Russlands
Zu guter Letzt stand für die Kinder ein Besuch im Kanzleramt bei Olaf Scholz auf dem Programm. Scholz empfing die Schüler in seinem Büro — und musste sich auch unangenehmen Fragen stellen, wie jener nach Altkanzler Gerhard Schröder und dessen Beziehungen nach Russland. "Gerhard Schröder arbeitet für russische Unternehmen und leider hat er sich auch die Ansichten zu eigen gemacht, die dort über den gegenwärtigen Konflikt existieren", erklärt Scholz über seinen Parteikollegen.
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Über einen Parteiausschluss entscheide aber nicht er, sondern ein innerparteiliches Schiedsgericht. "Ich finde, dass das, was er macht, nicht in Ordnung ist. Ich habe ihm das auch schon oft gesagt". Auch auf die Frage, ob ein Krieg zwischen Russland und der Nato zu einem Dritten Weltkrieg führen würde, ging Scholz ein. "Es muss alles von jenen, die Verantwortung tragen, getan werden, dass es nicht zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato kommt." Deswegen müsse die Nato so stark sein, "dass niemand auf den Gedanken kommt, das zu versuchen".
Bei einem Konflikt zwischen Russland und der Nato würde niemand gewinnen, so Scholz. Ob er Angst habe, dass Putin Deutschland angreift? "Nein. Wir sind erstens nicht alleine, sondern haben Freunde und Verbündete in der Europäischen Union und in der Nato. Gleichzeitig haben wir eine starke Bundeswehr, mit der wir in der Lage sind, uns selbst zu verteidigen." Ob er sich selbst für einen guten Kanzler halte? "Ich bemühe mich und glaube, dass das so ist", so Scholz — der am Ende der Sendung mit den Kindern Papierflieger vom Balkon des Kanzleramts fliegen ließ.
- sat1.de: "Kannste regieren" vom 22. September 2022