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9-Euro-Ticket-Nachfolge: Wie geht es jetzt weiter? Die wichtigsten Antworten


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Nachfolger des 9-Euro-Tickets
Günstig war gestern


Aktualisiert am 06.09.2022Lesedauer: 6 Min.
Hauptbahnhof Leipzig: Vor allem die Regionalzüge waren teils aufgrund des Ansturms überfüllt.Vergrößern des Bildes
Hauptbahnhof Leipzig: Vor allem die Regionalzüge waren aufgrund des Ansturms teils überfüllt. (Quelle: Arnulf Hettrich/imago-images-bilder)

52 Millionen Mal wurde das 9-Euro-Ticket verkauft. Im neuen Entlastungspaket werden die Weichen für einen Nachfolger gestellt. Klar ist schon jetzt: Das Ticket wird teurer.

Seit Sonntag steht das Entlastungspaket der Ampelkoalition: 65 Milliarden Euro stellt der Bund zur Verfügung, um mit verschiedenen Maßnahmen die Folgen der Inflation und der Energiekrise für Bürger und Unternehmen abzumildern.

Auch die von vielen erwartete Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket hat es in die Beschlüsse geschafft. Wie es nun weiter geht im Nahverkehr auf der Schiene.

Wie wird der Nachfolger des 9-Euro-Tickets aussehen?

Die gute Nachricht: Es wird ein neues "Deutschland-Ticket" geben. Die schlechte Nachricht: Noch ist völlig unklar, was es kann und kostet. Der Preis ist bislang vage mit 49 bis 69 Euro angegeben, auch die Reichweite ist nicht geklärt: Zählt der Nachfolger nur im Regionalverkehr oder auch in den einzelnen Städten?

Die Grünen, die das Entlastungspaket mit entworfen haben, halten eine bundesweite Nahverkehrsfahrkarte für 49 Euro machbar. Maike Schäfer, Bremer Senatorin der Grünen und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, ließ erkennen: "Ich persönlich halte 69 Euro als Nachfolgeticket für zu hoch, auch wenn es überregional für ganz Deutschland gelten sollte."

Unsicherheit besteht auch bei der Finanzierung. Der Bund will 1,5 Milliarden Euro bei dem Vorhaben zuschießen – wenn die Länder mindestens ebenso viel zahlen. Die Aushandlung der Details dürfte ersten Reaktionen nach zu urteilen ein langwieriges Unterfangen werden. Im Klartext: Vor Jahresende wird der Nachfolger des 9-Euro-Tickets keine Entlastung bringen.

Wer profitiert von dem geplanten Nahverkehrsticket?

Ob sich die Monatskarte für 49 bis 69 Euro für regelmäßige ÖPNV-Nutzer rechnet, hängt von Wohnort und Fahrtstrecke ab. Wer nur innerhalb seiner eigenen Stadt unterwegs ist, den erwartet ein mehr oder weniger großer Rabatt. In Berlin etwa kostet die Monatskarte 86 Euro. Wer regelmäßig fährt und sie im Abo bucht, ist aber mit gut 63 Euro im Monat schon jetzt unter Umständen günstiger dran als mit dem geplanten Ticket. In Frankfurt dagegen kostet das Abo in der günstigsten Variante bereits rund 77 Euro, in Paderborn hingegen nur etwa 55 Euro.

Klarer ist die Sache für Menschen, die aus dem Umland in Innenstädte pendeln. Für sie lohnt sich das geplante Angebot in den allermeisten Fällen. Denn bisher galt bei den Tarifen: je weiter, desto teurer. Wer etwa die 50 Kilometer zwischen Lüneburg und Hamburg pendelt, zahlt im Abo mindestens rund 187 Euro im Monat. Kommt der Einheitspreis, dann gilt: je weiter, desto größer die Ersparnis.

Die Nutzung des Tickets für Tagesausflüge und Urlaube dürfte im Vergleich zum 9-Euro-Vorgänger hingegen geringer ausfallen. Denn für gelegentliche Tagesausflüge, gerade mit mehreren Reisenden, sind häufig die bestehenden Länder-Tickets der Bahn oder das bundesweite Quer-durchs-Land-Ticket günstiger.

Wie fallen die Reaktionen auf den Vorschlag aus?

Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern überwiegt die Erleichterung, dass es überhaupt eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket geben wird – immerhin stellten die Pläne eine Verbesserung zu den vorherigen Ticketpreisen dar.

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Ob das von der Ampel vorgeschlagene Deutschland-Ticket tatsächlich die Bezeichnung als Nachfolger des 9-Euro-Tickets verdient, bezweifeln indes andere. Kritiker sagen, dass ein 49- oder 69-Euro-Ticket für diejenigen, die den Gürtel besonders eng schnallen müssen, noch immer zu teuer sei – und damit eben nicht den gleichen Entlastungseffekt wie das 9-Euro-Ticket hätte. Vielmehr profitierten andere, besserverdienende Bevölkerungsschichten, die auf den günstigeren Preis womöglich gar nicht angewiesen seien.

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Auch von Verbänden und Politik fallen die Urteile durchwachsen aus. So kritisiert der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn Karl-Peter Naumann: "Es fehlt die Familienkomponente." Eine kostenfreie Kindermitnahme wie beim Vorbild 9-Euro-Ticket ist bisher nicht angekündigt. Das werde manche davon abhalten, auf Bus und Bahn umzusteigen. "Für den Autofahrer macht es bei den Kosten aber keinen Unterschied, ob er seine Kinder mitnimmt."

Auch das Vorgehen bei der Planung einer Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket wird kritisiert. Aus Sicht von Unionsfraktionsvize Jens Spahn hätten die Länder von Anfang an einbezogen werden müssen, sagte der CDU-Politiker am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Eine einheitliche bundesweite Regelung sei zwar vernünftig, aber die Länder müssten mitmachen, "weil die finanzieren das mit, die organisieren das", sagte er. Spahn kritisierte weiter: "Es wird auch viel Geld verteilt, das eigentlich Ländern und Gemeinden vom Ansatz her beim Steueraufkommen zusteht, dann muss man halt auch miteinander reden."

Wer soll das bezahlen?

Das neue Ticket wird für den Staat deutlich günstiger, als es die dauerhafte Finanzierung des 9-Euro-Ticket gewesen wäre. Das Angebot des Sommers weiterzuführen hätte den Fiskus pro Jahr 14 Milliarden Euro gekostet.

Nun sollen es 1,5 Milliarden Euro sein und die Ampel wünscht sich von den Ländern "mindestens den gleichen Betrag". Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) verwies schon Anfang Juli im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" darauf, dass die Gestaltung des ÖPNV grundsätzlich Ländersache ist. Tatsächlich liegt der ÖPNV auf der Schiene bei den Bundesländern, auf der Straße bei den Kommunen. Der Bund bezuschusst die Bereitstellung der Verkehrsmittel.

Bei der Frage, wer die Kosten schultern soll, bahnt sich auf mehreren Ebenen Streit an. Bayerns Finanzminister Albert Füracker kritisierte das Entlastungspaket als "nicht seriös gerechnet": "Wie dieses jüngste Entlastungspaket insgesamt finanziert werden und wie Energie dadurch bezahlbar bleiben soll, ist mir völlig schleierhaft."

Auch Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers kritisierte den vom Bund erwarteten Anteil der Länder. "Für Niedersachsen wären das dauerhaft vermutlich rund 150 Millionen Euro", sagte der CDU-Politiker. "Spielraum im Haushalt sehe ich dafür wahrlich nicht."

Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hält die Finanzierung für unzureichend. Die Branche erwartet angesichts des Vorhabens der Bundesregierung deutliche Einnahmeverluste. Der vorgesehene Monatspreis von 49 bis 69 Euro führe zu einem jährlichen Minus zwischen 1,8 und 3 Milliarden Euro, teilte der VDV am Montag mit.

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Aus Sicht des Verbands sind daher weitere Mittel vom Bund notwendig – auch wegen der stark gestiegenen Energie- und Personalkosten. "Hierzu brauchen wir ebenfalls schnell eine Lösung, sonst wird ein bundesweites Nahverkehrsticket auf ein immer weiter eingeschränktes ÖPNV-Angebot treffen, weil die Verkehrsunternehmen Kosten sparen müssen", sagte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.

Wie genau das Nachfolgeticket finanziert werden soll, möchte die Regierung in einer Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz klären. Dort soll über die Kosten des dritten Entlastungspakets verhandelt werden. Ein Termin steht jedoch noch nicht fest.

Welche Entlastung hat das 9-Euro-Ticket gebracht?

In den Diskussionen zum geplanten Deutschland-Ticket wird immer wieder an die positiven Effekte des 9-Euro-Tickets erinnert: Ersparnisse für die Verbraucher, Beitrag zur Verkehrswende, Image-Booster für Busse und Bahnen. Zu Recht?

Eine Bilanz des VDV beweist zumindest die Beliebtheit des Tickets: 52 Millionen Mal wurde es bundesweit verkauft, 1,8 Millionen Tonnen CO2 seien laut des Verbands durch vermiedene Autofahrten eingespart worden. Gemäß einer Umfrage des Instituts Kantar im Auftrag von "Focus" hätten sich 79 Prozent der Befragten einen Nachfolger gewünscht.

Die geringen Mobilitätskosten wirkten sich zudem dämpfend auf die Inflation aus. Ökonomen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) berechneten, dass der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ohne staatliches Eingreifen noch zwei Prozentpunkte über dem tatsächlich festgestellten Niveau gelegen hätte.

"Vor allem Entlastungen wie das 9-Euro-Ticket dürften dabei ausschlaggebend sein", erklärten die IW-Forscher. "Der Personenverkehr hat einen großen Anteil am Warenkorb, mit dem die Inflation berechnet wird." Die Wissenschaftler warnten, dass das 9-Euro-Ticket nach seinem Ende im Herbst für steigende Preise sorgen könnte. Ob sie damit recht behalten, werden die vorläufigen Inflationsdaten Ende September zeigen.

Könnte das Deutschland-Ticket das Mobilitätsverhalten tatsächlich dauerhaft verändern?

Inwiefern ein günstigeres Nahverkehrsticket die ersehnte Mobilitätswende befördert, ist auch nach dem Sommer des 9-Euro-Tickets noch ungewiss. Der Bahnexperte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW), Christian Böttger, teilte etwa Anfang August mit, dass es nach ersten Erkenntnissen nur "einen leichten Verlagerungseffekt von der Straße auf den öffentlichen Verkehr von bestenfalls zwei bis drei Prozent" gebe.

Der VDV sprach hingegen davon, dass zehn Prozent der Fahrten mit dem 9-Euro-Ticket für Strecken genutzt wurden, die sonst mit dem Auto gefahren worden wären. Insgesamt liege der Anteil der aus anderen Verkehrsmitteln verlagerten Fahrten bei 17 Prozent.

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Klar ist: Das Mobilitätsverhalten der Menschen ändert sich nicht innerhalb eines Vierteljahres. Insbesondere diejenigen, die ein Auto besitzen, werden dieses aufgrund von drei günstigen Monaten im Nahverkehr nicht einfach aufgeben, viele dürften ihre Gewohnheiten in so kurzer Zeit nicht verändern.

Denkbar ist, dass ein 49-Euro-Ticket vor allem diejenigen zum Umstieg auf den ÖPNV bewegt, die lange Strecken pendeln. Hier könnte der Preisdeckel bei Bus und Bahn, auch angesichts steigender Spritpreise, durchaus neue Anreize schaffen.

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