Grüne wollen bei Klimaschutz nachverhandeln Ampel-Parteien verzichten wohl auf Digitalministerium
Die Grünen-Führung muss sich rechtfertigen: In der Partei war Ärger über die Klimaziele der Ampel-Koalition aufgetreten. Zudem muss die FDP einem Bericht zufolge auf ein Digitalministerium verzichten.
In der neuen Bundesregierung wird es aller Wahrscheinlichkeit nach kein eigenständiges Digitalministerium geben. Dies berichtete das "Handelsblatt" am Donnerstag unter Berufung auf mit den Koalitionsverhandlungen vertraute Kreise.
Die FDP, die als einzige der drei Ampel-Parteien ein solches Ressort ausdrücklich in ihrem Wahlprogramm festgeschrieben hat, befinde sich mit ihrer Forderung "auf dem Rückzug", sagte demnach ein Unterhändler.
Während der Gespräche in der Facharbeitsgruppe hätten die Liberalen teilweise den Eindruck erweckt, sie müssten nur Digitalressort sagen und alle Bälle rollten auf sie zu, sagte laut "Handelsblatt" ein anderer Insider. Inzwischen scheine sich aber auch bei der FDP die Einsicht durchgesetzt zu haben.
Der Aufbau eines neuen Ministeriums mit der Zusammenführung verschiedener digitaler Zuständigkeiten könnte demnach zu lange dauern und somit das Tempo bei der Digitalisierung eher bremsen als forcieren würde.
In FDP-Kreisen wurde die Darstellung bestätigt. Demnach werden auch eine "große fachliche Restrukturierung", die mit der Schaffung eines neuen Ministeriums einhergehen müsste sowie der "personelle Aderlass" in vielen anderen Ressorts als Hindernis gesehen
Grüne wollen beim Klimaschutz nachverhandeln
Die Grünen-Spitze hat unterdessen Fehler in den Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP beim Klimaschutz eingeräumt. "An einigen Stellen lässt das Sondierungspapier es leider noch an der nötigen Klarheit fehlen", heißt es in einem Brief der gesamten Partei- und Fraktionsführung an acht Umweltverbände, der der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag vorlag.
"Hier werden wir die jetzt beginnenden Verhandlungen auf der Fachebene nutzen, um in unser aller gemeinsamen Interesse das Notwendige zu erreichen." Man müsse gerade beim Klima- und Biodiversitätsschutz in den Gesprächen noch viel tun.
Verärgerung über Sondierungspapier
"Es wäre dafür sehr hilfreich – und in Teilen seid ihr ja bereits dran – wenn Ihr darauf hinwirken könntet, dass SPD und FDP hier ambitionierte Vorschläge einbringen", bittet die Grünen-Führung. "Wenn wir das weiter alleine tun müssen, erschwert das die Verhandlungen enorm."
Am Mittwoch hatte die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass es innerhalb der Grünen massive Verärgerung über den Klimateil des Sondierungspapiers gibt. Besonders die geplanten Änderungen beim Klimaschutzgesetz sowie den CO2-Einsparungen im Verkehrssektor sorgten für Unruhe. Die Grünen versuchten nun, dies in den Gesprächen zu korrigieren, was aber bei den anderen Parteien auf Widerstand stößt.
"Katastrophaler Fehlstart"
Zudem hatten acht Umweltverbände von BUND über den WWF bis hin zu Greenpeace indirekt die Grünen kritisiert, das Klimaschutzgesetz aufzuweichen: "Die neue Bundesregierung muss das Klimaschutzgesetz mit seinen jahresscharfen Sektorzielen stärken und dem Klima-Expert:innenrat mehr Kompetenzen verleihen. Eine Aufweichung des Gesetzes wäre ein katastrophaler Fehlstart."
Auch darauf reagieren die Grünen in ihrem Brief an die Verbände: "Das Klimaschutzgesetz ist als Governance-Instrument wichtig, und es muss auch weiterhin Sektorziele und den jährlichen Monitoringbericht über alle Sektoren geben", schreiben sie und erläutern: Man wolle aber das Gesetz weiterentwickeln und eine vorausschauende und übergreifende Bewertung der Lage in den verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Landwirtschaft oder Gebäude erreichen.
"Vielen Dank, dass ihr unsere Sorgen teilt"
Bei Zielverfehlung müsse es Gegenmaßnahmen geben. Auch wolle man erreichen, den von den Verbänden genannten Expertenrat zu stärken, der die Gegenmaßnahmen bewerten und billigen muss. "Vielen Dank für euren Brief an uns und vor allem, dass ihr unsere Sorgen teilt", heißt es in dem Schreiben der Grünen weiter. Am Ende finden sich die Vornamen der Parteiführung aus Annalena Baerbock und Robert Habeck, der Fraktionsführung und dem Chef-Klimaverhandler Oliver Krischer.
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass die Ampel-Verhandlungen nicht so schnell vorankommen wie gehofft. Die drei Parteien verzichteten nach einer Zwischenbilanz der Verhandlungen in den 22 Arbeitsgruppen Unterhändlern zufolge darauf, einen weiteren detaillierten Zeitplan zu veröffentlichen. "Wir sehen derzeit zu wenig Fortschritt, was die inhaltliche Substanz anbetrifft", sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner in Berlin.
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Probleme nicht nur beim Klimaschutz
So gab es nicht nur beim Klimaschutz Dissonanzen zwischen den Parteien, sondern auch bei Finanzen, dem Umgang mit Polen oder der nuklearen Teilhabe. Diese konnten zunächst nicht aufgelöst werden. Die Verantwortung dafür wurde von Vertretern der drei Parteien jeweils bei den anderen Parteien gesehen. Dennoch betonten alle Befragten auch am Donnerstag, dass man weiter auf eine Einigung setze. Es sei normal, dass es angesichts der unterschiedlichen Wahlprogramme von SPD, FDP und Grünen schwierige Themen geben werde.
Dreyer: Verhandlungen nicht gefährdet
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sieht trotz der Dissonanzen in den Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP den Zeitplan zur Bildung der ersten Ampel-Koalition im Bund nicht in Gefahr. "Wir verhandeln in guter Atmosphäre. Und dass es ab und zu mal ruckelt, ist das Normalstes von der Welt", sagte die SPD-Politikerin am Freitag im ZDF. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese Gespräche positiv weitergehen." Die Ampel-Parteien eine das gemeinsame Ziel, die großen Herausforderungen miteinander zu schaffen. Sie sei daher optimistisch, dass Olaf Scholz wie geplant in der Nikolaus-Woche zum Bundeskanzler gewählt werde. "Das ist unser Ziel, und ich bin zuversichtlich, dass wir das auch erreichen können."
Die 22 Arbeitsgruppen mit fast 300 Teilnehmern hatten am Mittwoch pausiert, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. Die Ampelparteien haben sich einen straffen Zeitplan gesetzt und wollen den SPD-Politiker Olaf Scholz in der Woche ab dem 6. Dezember zum neuen Bundeskanzler wählen. Dazu müssten sie aber noch in der 2. Novemberhälfte die Verhandlungen abschließen, damit die Parteigremien oder Sonderparteitage einem Koalitionsvertrag rechtzeitig zustimmen können.
- Nachrichtenagenturen AFP und Reuters