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TV-Kritik zu "Klartext": Martin Schulz will zweites TV-Duell mit Angela Merkel


TV-Kritik zu "Klartext"
Schulz fordert von Merkel zweites TV-Duell

dpa, Marc L. Merten

Aktualisiert am 13.09.2017Lesedauer: 4 Min.
Das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz fand am 03.09.2017 in Berlin statt.Vergrößern des Bildes
Das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz fand am 03.09.2017 in Berlin statt. (Quelle: dpa)
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Gibt es die Revanche? Martin Schulz schreibt Angela Merkel einen Brief und fordert sie zu einem neuen Duell vor Fernsehpublikum heraus.

Deutschlands Bürger fragen den Kanzlerkandidaten der SPD: Martin Schulz hat sich in der ZDF-Sendung "Klartext" volksnah gezeigt, kam aber bei der Frage eines Schülers ins Schleudern. Immerhin: Es ging auch um Bildung. Zum Schluss ließ er aufhorchen: Er fordert Angela Merkel zu einem weiteren TV-Duell heraus.

Das Format

Sie heißen „Townhall Meetings“ und kommen aus den USA. Bürgerversammlungen, in denen sich Politiker den Fragen stellen, die Menschen bewegen. So auch am Dienstagabend im ZDF, im „Klartext“-Format, dem sich Martin Schulz stellte. 150 Gäste aus allen Bundesländern waren gekommen, Bettina Schausten und Peter Frey moderierten.

Die Themen

Mietpreis, Renten, Pflege, Mütter, Bildung, Dieselmotoren, Infrastruktur, Sicherheit, Antisemitismus, Flüchtlinge: Ja, Sie haben richtig gelesen, das Thema Bildung wurde am Dienstag tatsächlich diskutiert. Und nein, die Digitalisierung fand einmal mehr nicht statt, ganz so, als ob die Wahl 2017 im Jahr 1998 stattfinden würde. Martin Schulz erwähnte zwar den Ausbau von Breitband-Angeboten für strukturschwache Regionen. Näher kam der Kanzlerkandidat dem Thema aber nicht, weil Frey, Schausten und das ZDF es nicht auf die Liste genommen hatten.

Die überraschende Antwort

Die letzte Frage des Abends war eigentlich schon gestellt, Schulz setzte noch einmal zum Schlusswort an, als Bettina Schausten den SPD-Mann eigentlich schon abwürgen wollte. Da ließ Schulz die Katze aus dem Sack: „Ich habe Frau Merkel einen Brief geschrieben und sie aufgefordert, ein weiteres TV-Duell mit mir zu machen.“ Die Bundeskanzlerin, die einem zweiten Duell im Wahlkampf nicht zugestimmt hatte, wird dem wohl kaum mehr stattgeben. Doch Schulz forderte sie unter dem Applaus der Zuschauer auf, jene Fragen zu diskutieren, die im ersten und wohl einzigen TV-Duell nicht gestellt wurden – unter anderem zur Digitalisierung und zur Bildungspolitik.

Wie die "Bild"-Zeitung aus dem Schreiben vom SPD-Kanzlerkandidat an die Kanzlerin zitiert, argumentiert Schulz darin, im TV-Duell seien die Themen Digitalisierung, Rente und Bildung zu kurz gekommen. "Auch Sie haben die sehr begrenzte Themenauswahl kritisiert. Ich stimme mit Ihnen absolut überein, dass wichtige Kernfragen unseres Landes nicht zur Sprache kamen."

Das überraschende Thema

Bildungspolitik. Man hatte in den letzten Monaten den Eindruck, Bildung spiele im Wahlkampf keine Rolle. Die Bürger brachten es am Dienstagabend auf das politische Tablett. Warum sind Schulabschlüsse je nach Bundesland unterschiedlich viel wert? Und warum ist die Mittlere Reife heute kaum mehr etwas wert – ein Umstand, unter dem gerade das Handwerk leidet? Schulz sprach sich zunächst für eine „nationale Bildungsallianz“ aus, um vergleichbare Standards einzuführen, die Schulabschlüsse in Deutschland auf ein vergleichbares Niveau heben. Was bei den Zuschauern aber vor allem hängen bleiben dürfte, war sein emotionaler Ausbruch zur Frage nach der Mittleren Reife. „Ich muss mir immer wieder anhören: Kann ein Mann ohne Abitur Bundeskanzler werden?“, sagte Schulz. „Ich leide selbst darunter, weil meine kaufmännische Ausbildung weniger wert sein soll als akademische Bildung.“ Der 61-Jährige forderte, Berufsschulen müssten zu „unserer Zukunftswerkstatt“ werden, um handwerkliche Betriebe nicht zukunftslos zurückzulassen.

Schulz’ schwächster Moment

Die Fragen zum Thema Bildung stellten Abiturienten, die eingeladen worden waren. Und so stolperte Schulz bei einer Frage der Zukunft: Es ging darum, wie der SPD-Kandidat junge Wähler, vor allem Erstwähler, für sich begeistern wolle. Schulz hatte im Wahlkampf auf Youtube Diskussionen geführt, kam aber bei der Schilderung dessen ins Stottern. Ob er am Ende wirklich „Instagram“ oder „Internet“ sagen wollte, wurde nicht mehr klar. So ging auch seiner Anekdote der Witz verloren, als er erzählte: „Ich habe mal einen Jugendlichen gefragt, ob er bei den Jusos sei. Er sagte: Nee, nur bei Instagram.“ Doch da war die erhoffte Präsentation als Mann der neuen Medien schon gänzlich misslungen.

Schulz’ stärkster Moment

Dagegen vollführte Schulz eine wortgewaltige Abrechnung mit der AfD, die vielen Zuschauern im Gedächtnis bleiben dürfte und die Frage aufwerfen wird, wie die künftige Bundesregierung tatsächlich mit dieser Partei umgehen wird, die offen rassistisches und antisemitisches Gedankengut wohl in den Bundestag einbringen wird. Wie Schulz auf die AfD reagieren würde, wurde er gefragt. Der 61-Jährige hob die Stimme: „Der Antisemitismus ist ein unerträgliches, aber alltägliches Phänomen“, begann er und verurteilte Björn Höcke noch einmal für dessen Denkmal-der-Schande-Rede. Dann wurde er deutlich: „Das ist keine Alternative für Deutschland, sondern eine Schande für unser Land. Und was ich mit denen im Bundestag machen werde? Ich schmeiße sie raus. Das habe ich schon im EU-Parlament mit solchen Menschen gemacht. Diese Leute treten die Würde der Menschen mit Füßen.“

Der Abgrenzungsversuch zu Angela Merkel

Ein zentraler Versuch Schulz’ war, die SPD und seine eigene Position deutlicher als bisher von Angela Merkel und der Union abzuheben. Den Vorwurf, das TV-Duell sei mehr eine Kuschel-Diskussion als ein Kampf gewesen, wollte Schulz offenbar widerlegen. „Frau Merkel will keine Verschärfung der Mietpreisbremse“, sagte Schulz und nannte die steigenden Mieten in Deutschland eine „hemmungslose Ausbeutung“. Auch in der Frage, wie man Mütter, die zwischen Teilzeit und Vollzeit wechseln, vor Altersarmut schützen könnte, ging er der Bundeskanzlerin an den Kragen: „Frau Merkel sieht da keinen Handlungsbedarf. Das sehe ich anders. Die Altersarmut ist weiblich. Deshalb will ich eingreifen.“ Und schließlich ging es um das meist gegoogelte Wort während des Kanzlersduells: „Angela Merkel blockiert persönlich die Musterfeststellungsklage.“ Also eine Art Sammelklage, um Grundsatzfragen vor Gericht ohne das Risiko Einzelner klären zu können – unter anderem die Ansprüche der VW-Dieselfahrer. Schulz ließ nicht locker, sich von Merkel abzugrenzen. Ein zweites TV-Duell wäre interessant – alleine, es wird wohl nicht kommen.

Fazit

Schulz’ persönlicher Auftritt war geprägt davon, den Bürgern seine Nähe zum Volk begreifbar zu machen. Der Sohn eines Dorfpolizisten, der auf einer Wache groß geworden war. Der Mann ohne Abitur, der bereut, nicht „fleißiger in der Schule gewesen“ zu sein. Der „langjährige Bürgermeister“, der die Ängste der Menschen in seiner Stadt hautnah miterlebt habe. Er begrüßte die Fragesteller meist mit Handschlag, setzte sich zu ihnen in die Sitzreihen, war ständig darauf bedacht, die Distanz zu den Bürgern zu überbrücken. Ob er mit diesem Auftritt allerdings die Distanz in den Umfragen zu Angela Merkel entscheidend reduziert haben wird, das ist zu bezweifeln.

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