Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Gewinner und Verlierer der Woche Lindner holt die fünf Prozent – Wagenknecht zittert weiter
![Christian Lindner und Sahra Wagenknecht: Beide wollen mit ihren Parteien noch in den Bundestag einziehen. Christian Lindner und Sahra Wagenknecht: Beide wollen mit ihren Parteien noch in den Bundestag einziehen.](https://images.t-online.de/2025/02/KxtLCCSCoP-A/0x0:1920x1080/fit-in/1920x0/image.png)
Endlich darf sich Christian Lindner über gute Umfragewerte freuen. Zittern müssen derweil zu Recht Sahra Wagenknecht und ihr Bündnis. Der Gewinner und die Verliererin der Woche.
Noch etwas mehr als eine Woche, dann wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Aus welchen Fraktionen sich dieser zusammensetzt, ist dabei längst noch nicht ausgemacht, was vor allem an den drei kleinen Parteien liegt, die um den Einzug ins Parlament kämpfen: FDP, BSW und die Linke.
Christian Lindner, FDP-Spitzenkandidat, hatte es ausweislich der Umfragen von den dreien bis zuletzt am schwersten. Wie festgetackert schien die Vier vor dem Prozentzeichen, allen Mühen zum Trotz. Nun aber scheint sich der Wind zu drehen. Umgekehrt sieht es aus bei Sahra Wagenknecht und ihrem gleichnamigen Bündnis: Nach immer mehr Querelen und schlechten Schlagzeilen geht es für das BSW bergab.
Lindner nutzt seine Chancen zur Aufholjagd
Haben Sie's auch gehört? Gestern Abend hat es ziemlich laut "Rumms" gemacht in der Berliner Reinhardtstraße. Dort, in der FDP-Zentrale, dürfte vielen ein ganzer Haufen Steine vom Herzen gefallen sein: Endlich steht die fünf vor dem Komma, die Trendwende ist da – es geht aufwärts, wir können's noch schaffen.
Gemeint ist das Ergebnis der aktuellen Allensbach-Umfrage. Seit August standen die Liberalen dort wie auch in vielen anderen Wahltrends bei nur vier Prozent, würden so den Einzug in den Bundestag also knapp verfehlen. Dass jetzt, eine Woche vor der Wahl, demnach auf einmal fünf Prozent der Deutschen die FDP wählen wollen, ist darum mehr als nur ein Zuwachs um einen Punkt.
Es ist der so lang ersehnte liberale Hoffnungsschimmer, dass es doch noch klappt mit der Fünfprozenthürde, und ein wichtiger Push auch in Sachen Wähler-Psychologie: Erkennen jetzt genügend Menschen, dass eine Stimme für die Liberalen nicht verschenkt ist, kann das dazu führen, dass die Operation Wiedereinzug tatsächlich glückt. Selbsterfüllende Prophezeiung nennt sich das.
Zurechnen darf sich den Zuspruch für die FDP vor allem Christian Lindner, Spitzenkandidat der Liberalen. Land auf, Land ab ist er derzeit als Wahlkampfmaschine unterwegs – und diese Woche hat er besonders viel abgeliefert: Sonntag hielt er eine starke Rede auf dem Parteitag in Potsdam; Montag las er bei "Hart aber fair" Sahra Wagenknecht und dem Oberlinken Jan van Aken die Leviten; Dienstag sorgte er für Lacher im Bundestag, als er Olaf Scholz für den "Nobelpreis in Physik" vorschlug, weil dieser die Existenz eines "Paralleluniversums" beweise; Mittwoch stieß er per "Handelsblatt"-Interview eine Diskussion über den Abbau von Ministerien an.
Lindner hatte viel Sendezeit – und er hat sie gut genutzt. Setzte voll auf das Thema, das die Liberalen zum neuen alten Kern dieses Wahlkampfs machen: eine Wirtschaftspolitik, die das Land wirklich wieder flott macht und die Probleme nicht nur mit immer neuem, geliehenem Geld zuschüttet.
Ganz augenscheinlich kommt das an. Es mag sich gerade viel um Sicherheitsfragen drehen, um die zuletzt gehäuften schrecklichen Anschläge, um die Migrationspolitik. Und doch scheinen viele Menschen darüber nicht zu vergessen, was auch Lindners Text auf den letzten Wahlkampfmetern ist: Unser Wohlstand ist in Gefahr, wir müssen jetzt die richtigen Reformen anpacken, sonst fällt Deutschland zurück.
Noch neun Tage sind es bis zur Wahl, eine Umfrage macht noch lange keine Aufholjagd. Doch die Liberalen dürfen nun einmal mehr zu Recht hoffen, auch im neuen Bundestag vertreten zu sein – und womöglich sogar in der nächsten Regierung.
Wagenknecht flattert das zentrale Thema davon
Für Sahra Wagenknecht reißen die schlechten Nachrichten nicht ab. Erst gab es monatelang Knatsch und Krach beim Hamburger Ableger ihres Bündnisses, dann machten auch in anderen Teilen des Landes immer wieder einzelne BSW-Politiker negative Schlagzeilen.
Jüngstes Beispiel: Klaus Ernst, einst Gewerkschaftspromi bei der Linken, heute in selber Funktion BSW-Aushängeschild – mit dem nun aber die Gewerkschaft nichts mehr zu tun haben will. Grund: die Zustimmung der Wagenknechte zum Migrationsantrag der Union im Bundestag, Seite an Seite mit der AfD. Lieber Ernst, tritt doch bitte bei uns aus, schreibt ihm sinngemäß die IG Metall.
Das BSW, bei den Ostwahlen noch der große Gewinner, von null direkt auf die Regierungsbank in Brandenburg und Thüringen, scheint weniger als ein Jahr nach der Gründung am Rande seines Potenzials angelangt. Ausweislich der jüngsten Umfragen dürfte es mit dem Einzug in den Bundestag höchst knapp werden, viel deutet darauf hin, dass es wohl eher nicht klappt.
An Gründen dafür mangelt es nicht. Und weil beim BSW der Name buchstäblich Programm ist, lautet der erste zwangsläufig: Sahra Wagenknecht. Viel zu wenig präsent in der Fläche ist die Spitzenkandidatin im Wahlkampf, das munkeln sogar viele in der Partei selbst. Wo andere, siehe FDP und Lindner, mehr Termine abreißen als Tage bis zur Wahl bleiben, legt Wagenknecht deutlich weniger Auftritte hin, kommt so viel weniger an beim Volk.
Erschwerend hinzu kommt, dass die Platte, die sie dabei am liebsten auflegt – böse Nato, lieber Putin –, längst nicht mehr den Anklang findet wie noch im vergangenen Sommer. Auch wenn es wohl ein schlechter, ungerechter Friede werden könnte – mit der jüngsten Ankündigung von Verhandlungen zwischen Russland und den USA über die Zukunft der Ukraine flattert der Friedenstaube Wagenknecht ihr zentrales Thema davon.
Schließlich gilt: Dort, wo sie allenfalls noch punkten könnte, im Osten, können Bundestagswahlen zwar verloren, jedoch keinesfalls gewonnen werden. Man muss sich das immer wieder vor Augen führen: Sämtliche nicht mehr ganz so neuen Bundesländer haben (inklusive der Millionenhauptstadt Berlin!) weniger Einwohner als Nordrhein-Westfalen. Und dort, im stets frei gebliebenen Westen, interessiert sich kaum einer für die Parteienspalterin aus dem Saarland.
Fast folgerichtig und zugleich maximal verzweifelt wirkt es da, wenn Wagenknecht inzwischen schon ihr persönliches Schicksal an den Wahlausgang knüpft. Für Dietmar Woidke, Ministerpräsident von Brandenburg, ist diese Taktik im Herbst noch aufgegangen. Bei Wagenknecht aber muss man skeptisch sein. Womöglich verschwindet sie schon in einer Woche von der Bildfläche, dann wohl für immer.
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- Eigene Beobachtungen