Fällt jetzt die Brandmauer zur AfD? Merz: Machen Anträge "unabhängig davon, wer ihnen zustimmt"
Friedrich Merz hat eine Verschärfung der Migrationspolitik angekündigt. Nun macht er deutlich: Das soll notfalls auch mit Stimmen der AfD umgesetzt werden. Die FDP signalisiert Zustimmung.
Die Unionsfraktion im Bundestag will noch in der kommenden Woche eigene Anträge zur Migrations- und Flüchtlingspolitik in den Bundestag einbringen. Das erfuhr t-online nach einer nächtlichen Besprechung des Parteipräsidiums zunächst aus CDU-Kreisen.
CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz bestätigte das am Freitagmittag in Berlin: Die Union werde nächste Woche in den Bundestag Anträge einbringen, die "ausschließlich unserer Überzeugung" entsprächen. "Und wir werden sie einbringen – unabhängig davon, wer ihnen zustimmt." Er fügte hinzu: "Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links, ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus."
Merz: "Jetzt ist Schluss mit irgendwelchen taktischen Spielchen"
Wenn es zur Abstimmung über die entsprechenden Anträge kommen sollte, nimmt die Union demnach Unterstützung von allen Parteien in Kauf – auch von der in Teilen rechtsextremen AfD.
Damit rückt Merz von der von ihm mehrfach beschworenen "Brandmauer" ab. Auf dieser Grundlage schloss er eigentlich eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch aus. Das hatte er zuvor mehrfach bekräftigt, so auch am 10. Januar dieses Jahres. Vor zwei Wochen positionierte Merz eindeutig: Er werde nicht zulassen, dass in der CDU die "Brandmauer" zur AfD falle. "Ich knüpfe mein Schicksal als Parteivorsitzender der CDU an diese Antwort", ergänzte er.
Merz ergänzte am Freitag mit Blick auf die Tat in Aschaffenburg: "Jetzt liegt ein kleines Kind demnächst auf dem Friedhof und deswegen sage ich es hier noch mal: Jetzt ist Schluss mit irgendwelchen taktischen Spielchen."
Seine Haltung zur AfD sei klar und bleibe klar. "Wir arbeiten mit dieser Partei nicht zusammen. Nicht zusammenarbeiten heißt erstens: Wir gehen mit denen nicht zusammen in eine Regierung. Zweitens: Wir verhandeln mit denen im Deutschen Bundestag nicht über irgendwelche Anträge." Merz verwies vehement darauf, es gebe keine Mehrheit im Bundestag mit der AfD.
Merz hatte in einer Reaktion auf die tödliche Messerattacke in Aschaffenburg am Donnerstag angekündigt, dass er im Falle eines Wahlsiegs am ersten Tag die Zurückweisung aller Menschen ohne Einreiseberechtigung anordnen werde, dies gelte auch für Schutzbedürftige. Er wolle ein "faktisches Einreiseverbot".
FDP signalisiert Zustimmung zu CDU-Anträgen
Merz machte zudem deutlich, dass es sich dabei um Bedingungen für mögliche Koalitionspartner handelt. "Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht", sagte Merz. "Ich sage nur: Ich gehe keinen anderen." Wer den Weg mit ihm gehen wolle, müsse sich nach diesen Punkten richten. "Kompromisse sind zu diesen Themen nicht mehr möglich."
Von FDP und AfD kamen am Freitag Signale, für eine Kehrtwende in der Migrationspolitik mit der Union zusammenzuarbeiten. Zwar haben die drei Fraktionen keine Mehrheit im Bundestag, gemeinsam mit den Stimmen der neun Fraktionslosen oder den Abgeordneten der BSW-Gruppe aber wäre es möglich, die Minderheitskoalition von SPD und Grünen zu überstimmen, selbst wenn diese auf die Stimmen der Linken setzen können.
FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer sagte t-online: "Ich bin offen für eine Zustimmung zu den Vorschlägen der Union und entsprechende Beschlüsse im Bundestag, warten wir ab, was sie konkret vorlegen."
Den Liberalen gehe es um die Sache. "Und in der Sache muss die Migrations- und Asylwende kommen." Bedenken, Blockaden und Ideologie von SPD und Grünen hätten zu lange "die notwendige Realpolitik" verhindert. "Abgeordnete der SPD und Grünen haben nun auch die Chance, ihre falsche Politik zu korrigieren", sagte Meyer. "Wenn die Abgeordneten Scholz und Habeck sagen, es muss sich etwas ändern und sie seien es 'leid', dann sollen sie nächste Woche die Hand heben und zustimmen. Sollen beide doch zeigen, wie viel ihre Worte wirklich wert sind."
Zuvor hatte auch der stellvertretende Parteichef der FDP, Wolfgang Kubicki, ähnliche Ansichten geäußert. Der "Bild"-Zeitung sagte er: "Mir doch Latte, wer da sonst noch zustimmt! Wir können doch unsere Zustimmung zu für das Land notwendige Maßnahmen nicht daran koppeln, wer mitstimmt."
Daneben hatte Merz etwa eine drastische Ausweitung der Plätze für Ausreisegewahrsam und tägliche Abschiebungen von Menschen ohne Bleiberecht gefordert. Dies hatte Kritik etwa bei der SPD ausgelöst.
Scholz weist auf "Vollzugsdefizite" hin
Kanzler Olaf Scholz etwa wies auf einen bereits eingeschlagenen Kurs seiner Regierung für erleichterte Abschiebungen hin und bemängelte Versäumnisse in der Umsetzung. "Es gibt offensichtlich Vollzugsdefizite, insbesondere in diesem Fall bei den bayerischen Behörden, die ein großes Problem sind", sagte Scholz in Erfurt. "Deshalb muss jetzt es aufhören, dass nicht alle alles tun dafür, dass man diejenigen, die nicht hierbleiben können, hier nicht auch zurückführt."
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnte die Union vor Stimmungsmache im Wahlkampf und wies Forderungen von Kanzlerkandidat Friedrich Merz nach faktischen Einreiseverboten zurück. "Punktekataloge, vermeintlich starke Worte, schnelle Forderungen werden weder dem Leid der Opfer noch den trauernden Eltern, Angehörigen und Freunden gerecht", sagte Mützenich der Zeitung "Augsburger Allgemeine" laut Vorabbericht. "Auf jeden Fall warne ich davor, vollmundige Ankündigungen zu machen, die nicht nur praxisuntauglich sind, sondern auch gegen internationales Recht verstoßen", betonte der SPD-Politiker.
- Eigene Recherche
- Statement FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa