Corona-Ursprung Drosten spricht über Geheimdienst-Treffen

Der Virologe Christian Drosten hat Kritik an der Vorgehensweise des Bundesnachrichtendienstes geübt. Dessen Bericht zum Corona-Ursprung sei nicht wissenschaftlich fundiert.
Der Berliner Virologe Christian Drosten hat sich zu den Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur Entstehung des Coronavirus geäußert – er war zuvor Teilnehmer einer Expertenrunde, die das Kanzleramt um eine Bewertung gebeten hatte. Die zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse habe ihn zwar beeindruckt, er kritisierte aber, dass die Quelldaten dem Kreis der Wissenschaftler nicht zugänglich gemacht worden seien. "Ich kann daher schon allein mangels Datenzugang kein wissenschaftliches Urteil abgeben." Zudem seien alle Mitglieder der Runde zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Er selbst habe wie auch andere Forschende und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) immer wieder darauf hingewiesen, dass alle vorliegenden Daten und Informationen zum Virusursprung einer wissenschaftlichen Auswertung zugänglich gemacht werden sollten. Bei der bisherigen öffentlichen Informationslage ergebe sich eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit eines natürlichen Ursprungs, "und so wurde es auch stets von mir ausgedrückt: Für keine der Herkunftshypothesen gibt es einen Beweis, aber es gibt eine deutliche Gewichtung der Wahrscheinlichkeit".
China äußert sich
Wie die "Neue Zürcher Zeitung" und andere Medien berichtet hatten, lagen dem BND Hinweise für die sogenannte Laborthese vor, die bei Treffen in den vergangenen Monaten von einer Expertenrunde bewertet werden sollten. Dieser These zufolge stammt das Sars-CoV-2-Virus aus einem chinesischen Biolabor, dem Wuhan Institute of Virology, an dem unter anderem an Coronaviren geforscht wird. Die zweite Theorie ist, dass das Virus wie auch schon das der Sars-Epidemie von 2002/2003 einen natürlichen Ursprung hatte.
Drosten hält einen natürlichen Ursprung von Sars-CoV-2 immer noch für wahrscheinlich, wie er erst im Januar der Zeitung "taz" sagte, "und das nehmen auch fast alle Wissenschaftler an, die mit dem Thema befasst sind". Aufgrund der aktuell zur Verfügung stehenden, wenn auch schwachen, Datenlage sei anzunehmen, dass die Übertragung auf den Menschen über Zwischenwirte zum Beispiel auf Tierfarmen stattgefunden habe, sagte auch Fabian Leendertz, Direktor des Helmholtz Institute for One Health in Greifswald, der Nachrichtenagentur dpa.
China hat angesichts der jüngsten Berichte zur Laborthese zur Zurückhaltung gemahnt. "In der Frage des Coronavirus lehnt China jegliche Form politischer Manöver entschieden ab", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning in Peking. Die Volksrepublik vertrete die Ansicht, dass wissenschaftliche Fragen von Wissenschaftlern beurteilt werden sollten.
Für WHO ist die Untersuchung nicht abgeschlossen
Die chinesische Außenamtssprecherin verwies auf eine Expertengruppe der WHO, die in Wuhan mit Forschern relevanter Laboratorien gesprochen habe. Diese sei zu dem Schluss gelangt, dass ein Durchsickern des Virus von dort "höchst unwahrscheinlich" gewesen sei, erklärte Mao.
Allerdings betont die WHO seit vier Jahren, dass alle Hypothesen zum Ursprung des Virus Sars-CoV-2 weiter auf dem Tisch liegen. Die Untersuchung 2021 sei nur der Anfang, nicht das Ende gewesen. Die WHO hat China erst Ende Dezember 2024 wieder aufgerufen, "Daten und Zugang zur Verfügung zu stellen, damit wir die Ursprünge von Covid-19 verstehen können. Dies ist ein moralisches und wissenschaftliches Gebot."
Insofern liegt Drosten auf der gleichen Linie wie die Weltgesundheitsorganisation – und sogar China. Der Virologe gibt angesichts der BND-Erkenntnisse an, erstmals im Januar zu Besprechungen mit dem Geheimdienst gebeten worden zu sein. "Für mich war das alles vollkommen neu."
Drosten übt Kritik am BND
Er bemängelte die Vorgehensweise des Nachrichtendienstes. "Es ist wichtig, in der Öffentlichkeit zu verstehen, was es bedeutet, eine wissenschaftliche Beurteilung abzugeben. Das bedeutet, man hat Rohdaten, die analysiert man und diese Analyse publiziert man." Mit der Publikation müssten aber auch die Rohdaten veröffentlicht werden. "Damit nämlich andere Wissenschaftler mit ihren Methoden diese ebenfalls analysieren können und das herausfordern, was man da in die Öffentlichkeit setzt", so Drosten. "Und das ist das, was wir eigentlich als wissenschaftlichen Diskurs verstehen."
Ohne eine ordentliche wissenschaftliche Auswertung bewege man sich lediglich im Bereich von Behauptungen, so Drosten. "Egal, ob ein Professor oder ein Geheimdienst oder ein Politiker das behauptet, es sind nur Behauptungen." Er wolle sich daher den Vorwurf, dass das Virus im Labor entstanden ist, nicht zu eigen machen.
"Wir schreiben keinen Bericht darüber", so Drosten über die Erkenntnisse des BND. "Und wenn jetzt im Moment die Erwartung besteht, dass diese Wissenschaftlergruppe das macht mit den Daten vom Bundesnachrichtendienst, dann muss ich sagen: Das wird nicht passieren, das ist nicht möglich."
- Vorabmeldung von ntv
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa