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Warum Trump bei Schwarzen punkten kann


Kampf um wichtige Wählergruppe
Ihre Erkenntnis kommt reichlich spät


Aktualisiert am 16.10.2024 - 19:57 UhrLesedauer: 6 Min.
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Kritische Endphase im US-Wahlkampf: Kamala Harris versucht insbesondere an schwarze Männer zu appellieren.Vergrößern des Bildes
Kritische Endphase im US-Wahlkampf: Kamala Harris versucht, insbesondere an schwarze Männer zu appellieren. (Quelle: IMAGO/Brian Cahn)

Kamala Harris hat ein Problem: Ausgerechnet eine Wählergruppe, die den US-Demokraten meist die Treue hält, wendet sich ab. Nun schrillen die Alarmglocken.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Zu einem der schwerwiegendsten Denkfehler der US-Demokraten gehört möglicherweise schon lange der Glaube an eine Art Automatismus: Schwarze Amerikaner würden ohnehin lieber eine schwarze Kandidatin wie Kamala Harris wählen als Donald Trump, einen weißen Mann, der insbesondere bekannt ist für seine rassistischen Ausfälle. Diese Annahme ist zwar nicht unbegründet. Aber sie ist auch trügerisch.

Einerseits ist auch im Jahr 2024 anhand repräsentativer Umfragen unübersehbar, dass Afroamerikaner wohl mit großer Mehrheit eher demokratisch als republikanisch wählen werden. Aber schon im Jahr 2016 entschieden sich laut Nachwahlbefragungen 8 Prozent der schwarzen Wähler für Trump. Im Jahr 2020 verstärkte er diesen Trend dann sogar, obwohl er die Wahl insgesamt gegen Joe Biden verlor. Unter Schwarzen stieg die Unterstützung für ihn innerhalb von vier Jahren um 4 Punkte auf 12 Prozent.

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Dieser Erfolg wurde schon damals größtenteils von jüngeren schwarzen Männern getragen. Und viel spricht derzeit dafür, dass Trump vier Jahre später erneut besser abschneiden könnte als im vorherigen Wahlkampf. Obwohl es sich um eine vermeintlich kleine Wählergruppe handelt, ist das für die Demokraten ein großes Problem. Denn in entscheidenden Bundesstaaten wie Michigan oder Georgia können schwarze Wähler am Ende den Ausschlag geben. Es geht im Zweifel um wenige Tausend Stimmen.

Panik-Reaktion oder echtes Anliegen?

Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des "AP-NORC Centers for Public Affairs Research" hat die Sorgen der Demokraten zuletzt größer werden lassen. Obwohl die schwarzen Wähler Kamala Harris prinzipiell unterstützen, glaubt nur die Hälfte von ihnen, dass Kamala Harris das Land wirklich zum Besseren verändern wird. Ein bedeutender Teil gibt an, unsicher zu sein, ob die Wahl für sie persönlich überhaupt eine Bedeutung haben wird.

Und so hat in den letzten drei Wochen vor der Wahl ein erbittertes Wettrennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump begonnen – um ebendiese jungen schwarzen Amerikaner. Mit einer eigenen "Opportunity Agenda for Black Men" versuchen die Demokraten noch Boden gutzumachen. Kamala Harris verspricht günstige Kredite für schwarze Kleinunternehmer und finanzielle Unterstützung für Weiterbildungsprogramme, aber auch Verbraucherschutzgesetze für schwarze Männer, die offenbar gerne in Kryptowährungen investieren. Auch Möglichkeiten im legalen Marihuana-Geschäft bietet die Harris-Kampagne schwarzen Männern ausdrücklich an.

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Gerade weil dieses Programm aber so plötzlich kommt, wirkt die direkt einsetzende Kritik von Trump und den Republikanern glaubhaft. Sie werfen Harris vor, schwarze Männer als wichtige Wählergruppe nur infolge schlechter Umfragewerte erst jetzt entdeckt zu haben. Der Vorwurf, warum Kamala Harris als erste schwarze Vizepräsidentin in den vergangenen vier Jahren nicht längst mehr für diese getan hat, kann derzeit leicht verfangen.

Die gezielte Ansprache

Die erkennbare Distanz zur Demokratischen Partei nutzt Trumps Kampagne derweil gezielt aus. In Städten wie Philadelphia, Detroit oder Milwaukee wurden etwa gezielt Gesprächsrunden und Veranstaltungen in schwarzen Stadtvierteln organisiert. Im September wurde eine "Black Voices for Trump"-Bustour durch mehrere Städte koordiniert, um "schwarze Stimmen für Trump" zu mobilisieren. Schwarze Republikaner wie der Kongressabgeordnete Byron Donalds reisen durch Georgia, um für Stimmen zu werben. Vor diesem Hintergrund erscheint eine ohnehin viel zu vereinfachte Gleichung geradezu absurd: Republikaner seien im Kern Rassisten, weshalb Schwarze gar nicht für Trump stimmen könnten und man sich auch nicht sonderlich um diese bemühen müsse.

Am Dienstag dieser Woche trat Byron Donalds gemeinsam mit Donald Trump in Atlanta auf. In der Hauptstadt des wichtigen sogenannten Swing States Georgia richtet sich Byron Donalds mehrfach mit Slang an die Schwarzen im Publikum. Den Satz "Ich sehe dich, Bruder" wiederholt er mehrfach, auch um Identitätspolitik zu betreiben. Das Lager von Kamala Harris könne gerne von "toxischer Maskulinität" sprechen. In Wahrheit aber sei das "Männlichkeit" und Männlichkeit werde im heutigen Amerika gebraucht.

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Als wenig später Donald Trump auf der Bühne in dem Theater in Atlanta stand, sagte er einen Satz, den er gerne bei Minderheiten bemüht. Zuletzt immer wieder bei jüdischen Amerikanern. "Jeder Afroamerikaner oder Hispanoamerikaner, der für Kamala stimmt, müsste sich mal den Kopf untersuchen lassen", so Trump. Denn die Demokraten würden sie in Wahrheit nur verarschen. Dann schimpfte er weiter: "Kamalas Migranteninvasion verwüstet auch unsere großartige afroamerikanische Community, stiehlt ihre Arbeitsplätze, drückt Löhne, untergräbt die Wahlmacht unserer eigenen Bürger und sie bringt Drogen, Kriminalität und Tod in unser Land."

Vor dem Publikum in Atlanta verkniff sich Donald Trump dabei offenbar bewusst den Begriff "black jobs", den er bislang immer verwendet hatte. Schwarze hatten dies als besonders rassistisch kritisiert, weil dabei mitschwang, dass sie ohnehin nur im Niedriglohnsektor arbeiten könnten.

Das Erfolgsrezept von Donald Trump

Die Äußerungen von Trump und seinem Unterstützer Byron Donalds legen den Fokus der Kampagne offen. Gezielt sollten traditionelle Werte angesprochen werden. Gepaart mit einer Botschaft von Trumps starker Wirtschaftskompetenz soll das bei jüngeren schwarzen Männern Anklang finden. Schlechte Gesundheitsversorgung, Drogenprobleme und wachsende Kriminalität kommen noch als Themen hinzu. Trumps "tough on crime"-Haltung, also seiner Ankündigung, hart durchzugreifen, kommt bei einigen schwarzen Wählern an, die sich insbesondere in städtischen Gebieten Sorgen über steigende Kriminalitätsraten machen.

Trump scheint es zugleich zu gelingen, seine einstige Strafjustizreform zu bewerben. Diese führte einst zur Freilassung Tausender Gefangener, darunter viele Schwarze, die wegen gewaltfreier Straftaten inhaftiert waren. Zwar geht dieser "First Step Act" auf Initiativen der Demokratischen Partei zurück. Trump aber hat das überparteiliche Gesetz einst schließlich unterzeichnet.

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Aber auch Trumps sogenannte "Opportunity Zones", ein Programm zur Förderung von Investitionen in einkommensschwachen Gegenden, finden Anklang bei schwarzen Unternehmern, die dies als praktische Lösung für wirtschaftliche Ungleichheiten ansehen. Trotz der Kritik, dass das Programm vor allem wohlhabenden Investoren zugutekommt, spricht es Wähler an, die sich für wirtschaftliche Selbstverantwortung und das Schaffen von Arbeitsplätzen in ihren Gemeinden interessieren.

"Schwarze können wählen, wen sie wollen"

Für Andre Dickens, den schwarzen Bürgermeister von Atlanta, ist der Erfolg von Trump kein Wunder. Vor der Bequemlichkeit, schwarze Wähler seien gewissermaßen qua Geburt eine sichere Bank für die Demokratische Partei, warnt der Bürgermeister der Hauptstadt des wichtigen Swing States Georgia schon lange. Andre Dickens sagte zu t-online: "Schwarze Menschen haben die Freiheit, das zu tun, was sie tun wollen. Also können Schwarze auch wählen, wen sie wollen – egal ob Demokraten oder Republikaner."

Er sei froh, wenn schwarze Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, so Dickens. Es gehe um die Freiheit, diese Wahl zu treffen. Dickens will seine klare Botschaft auch als Verweis darauf verstanden wissen, dass in den USA erst 1965 die Diskriminierung von Schwarzen bei Wahlen per Gesetz verboten wurde.

Die Aussagen von Andre Dickens sind eine Tatsache, die eigentlich keines Hinweises bedürfen. Um schwarze Wählergruppen muss sich Kamala Harris im Wahlkampf ebenso bemühen wie um andere Teile der Bevölkerung. Und doch scheinen die Demokraten im Jahr 2024 mit ihrer schwarzen Spitzenkandidatin erneut und erst kurz vor knapp von Umfragen wachgerüttelt worden zu sein. Die Gründe suchen sie offenbar auch in möglicher Frauenfeindlichkeit unter schwarzen Männern.

Barack Obama und der Sexismus-Vorwurf

Zuletzt kursierten Videoaufnahmen in den sozialen Netzwerken, die den früheren Präsidenten Barack Obama zeigten. In einem Außenbüro des Harris-Walz-Wahlkampfteams in Pittsburgh nahm er schwarze Freiwillige und Mitarbeiter ins Gebet. Als erster schwarzer Präsident stelle er fest, dass sich insbesondere schwarze junge Männer bisher nicht so mobilisieren ließen wie einst bei ihm. "Ein Teil davon lässt mich vermuten, dass ihr einfach nicht von der Idee begeistert seid, eine Frau zur Präsidentin zu machen und ihr darum nach Alternativen und anderen Gründen dafür sucht."

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Für manche mag das vielleicht wirklich ein Grund sein. Aber das Problem, das die Demokraten insbesondere bei manchen schwarzen Männern haben, reicht wahrscheinlich über Sexismus hinaus. Und es reicht zurück bis zu Barack Obamas Präsidentschaft. Während sich die Demokraten stark auf Themen wie soziale Gerechtigkeit und Identitätspolitik, einschließlich Sexismus, konzentriert haben, scheinen sie bei den drängenden alltäglichen wirtschaftlichen Herausforderungen versagt zu haben. Dazu gehören 2024 ganz besonders die extrem gestiegenen Preise für Benzin, Lebensmittel und Mieten, die die Lebenshaltungskosten nach oben getrieben haben.

Historisch betrachtet mögen schwarze Wähler ein zuverlässiger Wählerblock der Demokraten gewesen sein. Doch sie wenden sich offenkundig zunehmend ab. Ob der kurzfristige Versuch von Kamala Harris und ihrer speziell auf schwarze Männer zugeschnittenen Wirtschaftsagenda jetzt noch verfangen kann, darauf zumindest hoffen die Demokraten jetzt noch in den Swing States.

Verwendete Quellen
  • Übertragung der Trump-Rallye in Atlanta
  • Gespräch mit Andre Dickens, Bürgermeister von Atlanta
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