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US-Wahl Prognose: "Im Siegestaumel hat Trump einen Fehler gemacht"


US-Wahlkampf
"Im Siegestaumel hat Trump einen Fehler gemacht"

InterviewVon Patrick Diekmann

Aktualisiert am 12.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Donald Trump: Der frühere US-Präsident steht im Wahlkampf zunehmend unter Druck.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Der frühere US-Präsident steht im Wahlkampf zunehmend unter Druck. (Quelle: Brandon Bell/getty-images-bilder)

Vizepräsidentin Kamala Harris holt in den Umfragen in wichtigen Swing States auf und kann Donald Trump teilweise sogar überholen. Der Druck auf den ehemaligen Präsidenten wächst. Wie reagiert Trump?

Das Rennen ist komplett offen. Nachdem Kamala Harris Präsidentschaftskandidatin der Demokraten wurde, konnte die Vizepräsidentin nicht nur in den landesweiten Umfragen aufholen, sondern auch in den entscheidenden Swing States. Donald Trump scheint das Momentum nach dem Attentat gegen ihn verloren zu haben und steht zunehmend unter Druck – auch weil ein Video auftauchte, in dem sein Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance kinderlose Politikerinnen wie Harris als "Katzen-Frauen" bezeichnete.

Für den USA-Experten Josef Braml war Vances Nominierung durch Trump ein strategischer Fehler. Im Interview spricht er aber auch über ungelöste Probleme der Demokraten und prognostiziert ein enges Rennen um die US-Präsidentschaft.

t-online: Herr Braml, die US-Demokraten scheinen aktuell neue Hoffnung zu schöpfen, denn die Umfragen sehen für Kamala Harris besser aus. Was hat sich seit dem Attentat gegen Donald Trump verändert?

Josef Braml: Nach dem gescheiterten Attentat auf Trump schien die Lage für US-Präsidenten Joe Biden aussichtslos. Auf der einen Seite war ein altersschwacher Präsident, der offensichtlich körperlich und geistig angeschlagen war. Auf der anderen Seite stand Trump, der von einer Kugel am Ohr getroffen wurde und der sich auf dem Parteitag der Republikaner als Messias inszenieren konnte. Er präsentierte sich als der Kandidat, der durch höhere Gewalt geschützt wurde, um seine Mission weiterzuführen.

Aber was ist dann passiert?

Im Siegestaumel hat Trump einen Fehler gemacht. Er hat sich mit J.D. Vance als Vizepräsidentschaftskandidaten für jemanden entschieden, der genauso ist wie er – also für einen Trump-Klon. Das war strategisch unklug.

Warum?

Weil die Wahl eines anderen Vize die Möglichkeit gewesen wäre, auch moderatere Wählerinnen und Wähler anzusprechen, auch im wirtschaftlichen Bereich. Stattdessen deckt Vance die politischen Inhalte ab, die auch Trump verkörpert. Um bei diesem Bild zu bleiben: Wenn Trump sich selbst als Messias darstellt, braucht er in dem Wahlkampf keinen Apostel. Und Vance ist eben genau das.

Zur Person

Josef Braml ist USA-Experte und European Director der Denkfabrik Trilaterale Kommission. Er ist Autor des Buches "Die Transatlantische Illusion".

Wie ist dieser strategische Fehler Trumps zu erklären?

Mit Hybris und mit dieser Siegeslaune nach dem TV-Duell und dem Attentat. Da die Demokraten Biden als Kandidaten ausgetauscht haben und langsam in diesem Wahlkampf in Schwung kommen, könnte es ein gravierender Fehler gewesen sein.

Hat es Sie überrascht, dass Vizepräsidentin Kamala Harris nach ihrer Nominierung in den Umfragen gegenüber Trump zulegen konnte?

Nein. Biden stand im Vorfeld dieser Entscheidung massiv unter Druck. Sponsoren hatten sich langsam zurückgezogen und immer mehr Parteifreunde haben ihre Bedenken angemeldet, weil sie im Abgeordnetenhaus und im Senat zur Wiederwahl antreten müssen. Sie befürchteten, dass am Ende nicht nur die Präsidentschaft verloren geht, sondern sie auch ihre Posten verlieren, wenn Biden nicht verzichtet. Es konnte also aus demokratischer Perspektive nur besser werden und das wirkt sich natürlich auch auf das Kandidatenrennen aus. Bidens Verzicht resultierte nicht aus einer höheren Einsicht. Er war letztlich genauso stur wie Trump.

Und Harris?

Sie und die Demokraten haben momentan ein befreiendes Momentum, aber man muss abwarten, ob das bis zum Wahltag trägt. Auch bei Harris gibt es Problempunkte, die Trump zum Vorteil gereichen können.

Zum Beispiel?

Harris steht vor allem vor dem großen Problem, männliche weiße Wähler zu erreichen.

Vielleicht hat sie auch deshalb den Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, zu ihrem Vizepräsidentschaftskandidaten gemacht.

Richtig. Walz soll diese Wählergruppe ansprechen. Er ist ein ehemaliger Football-Trainer, Veteran und kann auf der Jagd mit dem Gewehr umgehen. Das brauchte das Team um Harris, denn mit Walz kann sie auch männliche weiße Wähler, die nicht unbedingt aus dem akademischen Milieu kommen, gewinnen. Trotzdem war es für die Demokraten keine leichte Abwägung.

Warum?

Wäre Harris mit dem Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, gegangen, hätte er ihr vermutlich einen wichtigen Swing State gesichert. Zur Erinnerung: Die US-Wahl wird in sechs Swing States entschieden werden. Harris muss insbesondere in Pennsylvania und Michigan siegen.

Wie sieht es in diesen Swing States aktuell in den Umfragen zwischen Harris und Trump aus?

In den sechs Swing States wird es richtig spannend. Harris holt im Rennen gegen Trump auf und liegt in einigen entscheidenden Bundesstaaten sogar schon vor Trump. In den meisten Swing States bleibt es aber sehr eng.

Hatte die Trump-Kampagne denn Probleme, sich auf Harris als Kandidatin einzustellen?

Nein, keineswegs. Harris war bereits vor ihrer Nominierung ein Feindbild des Trump-Lagers. Sie unterstützt das Recht auf Abtreibung und wurde von Biden mit der Migrationspolitik betraut. Dadurch war sie schon zuvor im Fokus der Trump-Kampagne und wird nun verstärkt rassistischen Angriffen ausgesetzt sein. Daran hat sich nichts wirklich geändert.

Darüber hinaus wirft das Trump-Lager den Demokraten Wählertäuschung vor, weil bei den Vorwahlen zunächst Biden gewählt wurde und nicht Harris.

Trump wirft den Demokraten zwar Täuschung vor, aber es war vielen klar, dass Biden gesundheitlich angeschlagen ist und Harris ihn vertreten könnte. Wer das nicht wahrgenommen hat, sollte seine Wahrnehmung überprüfen lassen.

Trump hat am Donnerstag eine Pressekonferenz gegeben, in der er Harris scharf angriff und in der er seine Entscheidung für Vance verteidigte. Wie wichtig ist sein Vizepräsidentschaftskandidat für Trumps Kampagne?

Trump hat sich für Vance entschieden, obwohl dieser einst sein Gegner war, aber nun vor Trump zu Kreuze gekrochen ist. Aber Vance ist irrelevant. Als Vize steht er ohnehin nicht im Fokus, vor allem wenn man bedenkt, dass es bei einem Narzissten wie Trump nur um ihn und seine politischen Vorstellungen geht.

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Trotzdem scheinen seine Zitate aus der Vergangenheit den republikanischen Wahlkampf zu schwächen. Halten Sie es für denkbar, dass Trump ihn noch austauscht?

Das kann ich nicht beurteilen. Es ist schwer vorstellbar, denn Vance hat nichts gesagt, was Trump nicht auch sagen würde. Der frühere US-Präsident hat die Chance, einen anderen Kandidaten aufzustellen, bereits vertan.

Harris und Trump haben sich nun auf Termine für TV-Duelle geeinigt. Was erwarten Sie von dem Schlagabtausch, besonders im Kontrast zur Debatte zwischen Biden und Trump?

Für die Demokraten kann es nur positiv sein, wenn eine nicht altersschwache Kandidatin am TV-Duell teilnimmt. Trotzdem wird sie andere Wege finden müssen, Trump zu attackieren. Denn Bidens Strategie ist nicht aufgegangen.

Wie meinen Sie das?

Biden hat die Amerikaner aufgerufen, die Demokratie vor Trump zu schützen, aber das findet wenig Anklang. Interessanterweise trauten laut Umfragen die Wähler in den Swing States eher Trump zu, die US-Demokratie zu retten. Zudem entscheiden sich die Menschen nicht aufgrund abstrakter Themen wie Demokratie, sondern wegen Inflation, sinkender Kaufkraft und Migration. Die Demokraten haben dafür bisher keine Lösungen, und Harris muss diese finden, um zu verhindern, dass Trump diese Themen populistisch für seinen Wahlkampf ausschlachtet.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Braml.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Josef Braml
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