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Biden zieht sich zurück: "Das wäre das Ende für sein Vermächtnis gewesen"


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Demokraten in der Zwickmühle
"Das halte ich aber nicht für sinnvoll"

InterviewVon Mauritius Kloft

Aktualisiert am 22.07.2024Lesedauer: 5 Min.
US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat gute Chancen auf die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin.Vergrößern des Bildes
US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat gute Chancen auf die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin. (Quelle: Nathan Howard/Reuters)
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Joe Bidens Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf überrascht die Demokraten. Ein Wahlkampfstratege hält den Schritt für überfällig – und schätzt die Chancen einer Kandidatin Kamala Harris ein.

Es sei die größte Ehre seines Lebens gewesen, schreibt Joe Biden am Sonntagabend deutscher Zeit – nun sei er jedoch überzeugt, "dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, meine Kandidatur zurückzuziehen".

Diese Nachricht überraschte viele Demokraten, die rund drei Monate vor den Wahlen ohne Kandidaten dastehen. Und das, obwohl Kritiker Biden seit Wochen nahelegten, seine Kandidatur zurückzuziehen. Dieser stellte sich sogleich hinter seine Vize Kamala Harris.

Doch wie geht es nun bei den Demokraten weiter? Und vor allem: Könnte Harris das Blatt wenden und Donald Trump besiegen? t-online hat den Wahlkampfstrategen Julius van de Laar dazu gefragt.

t-online: Herr van de Laar, war die Entscheidung von Biden die richtige?

Julius van de Laar: Definitiv. Es war die einzige Chance für Biden, in Würde zu gehen. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit hätte er die Wahl im November verloren. Das wäre das Ende für sein Vermächtnis gewesen.

Der Rückzug musste also passieren?

Ja. Der Schritt von Biden war überfällig, besonders angesichts der schlechten Umfragewerte. In Georgia, Arizona und Nevada lag er durchschnittlich fünf Prozentpunkte hinter Trump. Auch im wichtigen Industriegürtel, dem Rust Belt, in Michigan, Wisconsin, Pennsylvania, rangierte er 2 bis 2,5 Prozentpunkte im Schnitt hinter Trump. Das war für Biden nicht mehr aufholbar, zumal die Tendenz in Richtung Trump gestiegen ist. Es wäre für Biden unmöglich gewesen, aus dieser Misere herauskommen. Es zeichnet aber auch einen Politiker von Größe aus, zurückzutreten und nicht bis zum allerletzten Moment am Amt zu klammern.

Kritiker werfen Biden jedoch vor, mit seinem Rückzug zu lange gewartet zu haben.

Das werfe ich ihm auch vor: Joe Biden hätte die Entscheidung vor einem halben Jahr oder einem Jahr treffen sollen. Dann sähe es ganz anders aus. Dann hätten die Demokraten deutlich bessere Chancen. Aber das ist jetzt müßig. Die Demokraten haben noch 106 Tage bis zur Wahl – und müssen jetzt alles geben.

Julius van de Laar
Julius van de Laar (Quelle: teutopress GmbH via www.imago-images.de/imago-images-bilder)

Zur Person

Julius van de Laar ist Kampagnen- und Strategieberater. 2012 war er für die Wählermobilisierung für Barack Obama im Swing State Ohio zuständig. Bereits 2007 und 2008 war van de Laar in Obamas Präsidentschaftskampagne aktiv. Er hält Seminare und Vorträge zu Wahlkampfstrategien und politischer Kommunikation.

Sind die Demokraten denn geschwächt?

Nun ja. Ich glaube, im Vergleich zu vor 24 Stunden stehen die Demokraten gestärkt da. Jetzt haben die Demokraten eine neue Chance, eine neue Dynamik gewonnen. Innerhalb von sechs Stunden nach der Ankündigung von Biden kamen 50 Millionen Dollar an Spenden von Kleinspendern herein.

Wie geht es jetzt weiter bei den Demokraten?

Im Moment sieht es danach aus, dass sich die Partei hinter Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin vereint, auch ohne nennenswerten Gegenkandidaten. Das halte ich aber nicht für sinnvoll. Dann heißt es Trump versus Harris – Trump könnte sich direkt auf Harris als Kandidatin einschießen. Ich plädiere dafür, dass der Prozess bis zur Convention offen geführt wird, in dem jeder versucht, seinen Hut in den Ring zu werfen.

Erklären Sie das bitte.

Ich würde Kamala Harris empfehlen, sich klar zu positionieren und zu sagen: Ich heiße jeden Gegenkandidaten willkommen, lasst uns um die besten Ideen streiten. Es bräuchte ein Spektakel, ein Format mit vier, fünf Kandidaten, die gegeneinander antreten – mit mehreren Interviews, geführt von Barack Obama, von Oprah Winfrey und Taylor Swift. Das würde die demokratische Basis wachrütteln.

Also eine große Show, aus der Harris als Siegerin hervorgeht?

Ja, im besten Fall. Ein Wettbewerb, ein riesiges Medienspektakel würde die gesamte Aufmerksamkeit auf die Demokraten richten und Harris bekanntmachen. Es macht die Demokraten stärker und bringt sie zusammen.

Viel Zeit bleibt den Demokraten dafür aber nicht mehr. Immerhin steht Mitte August der Parteitag an.

Richtig. Der Parteitag der Demokraten könnte zur Krönungsmesse für Harris werden. Doch aktuell würde ich versuchen, den Vorwahlkampf etwas hinauszuzögern. Nur so kann sich Harris gegen den Vorwurf wehren, nicht genug Rückhalt aus der Partei zu haben.

Es mehren sich Stimmen, wonach Biden jetzt auch als Präsident zurücktreten sollte.

Diese Stimmen kommen aus dem konservativen Spektrum. Die Republikaner suchen jeden Stock, den sie den Demokraten zwischen die Speichen stecken können. Es wäre falsch von Biden als Präsident zurückzutreten. Das würde auch zu viele Fragen aufwerfen, etwa zu seinem Gesundheitszustand. Er soll sein Amt in Würde zu Ende bringen – und das wird er auch tun.

Trump argumentiert, dass Biden zurücktreten soll und wirft den Demokraten "Betrug" vor. Wäre es nicht klüger von Trump zu argumentieren, die Republikaner hätten Biden zu Fall gebracht?

Natürlich. Auch die Botschaft, dass er sich jetzt auf einen fairen Wahlkampf mit einem Kandidaten auf Augenhöhe freut, wäre klug und würde man sich wünschen. Doch so argumentiert Trump nicht. Er war schon immer jemand, der nur auf die Schwächen geschaut hat. Und ehrlicherweise muss man sagen: Damit ist Trump bislang sehr gut gefahren.

Kann Harris denn die weißen Arbeiter erreichen, die Biden angesprochen hat?

Ja. Im Zweifel kann sie dafür einen Vizekandidaten nominieren, der solche Wählergruppen anspricht.

Etwa den Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro?

Den halte ich als Vize für absolut plausibel. Pennsylvania ist ein wichtiger Swing State, in dem die Demokraten aktuell hinten liegen. Möglich wäre Senator Mark Kelly aus Arizona, ein Astronaut, ein Veteran, einer, der vor allem auch moderate Wähler ansprechen könnte. Viel interessanter ist allerdings, wie sich die Double Haters entscheiden.

Also die Wähler, die sowohl Trump als auch Biden ablehnen.

Aktuell werden etwa 18 Prozent der Wähler zu dieser Gruppe gezählt. Ich glaube nicht, dass Kamala Harris alle dieser Double Haters erreichen wird, aber immerhin eine Handvoll Leute. Die vergangene Wahl war sehr knapp. Ein paar Tausend Wähler könnten den Unterschied machen. Auch Robert F. Kennedy Jr. ist noch im Rennen, er steht bei etwa zehn Prozent. Er wird womöglich auch Unterstützung von Demokraten haben, die Biden für zu alt hielten – und sich jetzt Harris zuwenden.

Was ist denn Ihre Prognose: Kann Kamala Harris Donald Trump im November besiegen?

Möglich ist es. Die vergangenen Wahlen waren polarisierend und Trump ist bei vielen Wählern extrem unbeliebt. Die Wahl kann sehr knapp werden. Chancen für Harris und die Demokraten stehen jetzt besser als noch vor 48 Stunden. Mit Bidens Rückzug ist die Demokratische Partei wieder mobilisiert. Diese Mobilisierung muss Kamala Harris aufrechterhalten, sie muss liefern. Jetzt ist wieder alles offen.

Herr van de Laar, vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Julius van de Laar
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