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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trumps Plan für 2022 "Wir haben gerade erst begonnen"
Bei seinem ersten Auftritt in diesem Jahr offenbart Donald Trump in Arizona seinen Plan. Er will die totale Kontrolle über seine Partei und die künftigen Wahlergebnisse.
"Lock him up! Lock him up! Lock him up!" – so brüllen es Tausende Menschen in den Abendhimmel von Arizona. Sie wollen jenen Mann hinter Gittern sehen, der ohnehin schon mit Todesdrohungen gegen sich und seine Familie leben muss. Dr. Fauci, der bekannte Immunologe und oberste Gesundheitsberater des US-Präsidenten, ist derzeit das erklärte Ziel der Attacken von Republikanern und Trump-Anhängern.
Auf dem Gelände, wo sonst einmal im Jahr das Country Thunder Festival in Florence im Bundesstaat Arizona stattfindet, hält Donald Trump an diesem Samstag seine erste Rallye in diesem Jahr. Wie immer bei diesen Veranstaltungen geht es zwar auch um den Ex-Präsidenten, vor allem aber geht es darum, die ihm treu ergebenen Kandidaten und Kandidatinnen der Republikaner vorzustellen. Hier auf der Bühne vor seinen vielen Tausend Anhängern können und müssen sie beweisen, dass sie hinter ihm stehen. Nur dann erhalten sie auch weiterhin seine Unterstützung.
"Alle ins Gefängnis"
In Florence, Arizona, ist es Kari Lake. Die 52-jährige ehemalige TV-Moderatorin tritt an, um hier Gouverneurin zu werden bei den in diesem Jahr stattfindenden Wahlen. Lake ist Teil jenes Plans von Donald Trump, insbesondere in umkämpften Bundesstaaten Republikaner einzusetzen, die im Zweifel auch bereit wären, Stimmen für ihn zu finden, die es womöglich gar nicht gibt. Oder Stimmen für nicht regulär zu erklären, die für die Demokraten abgegeben würden. In Washington spricht man von einem "Putsch mit legalen Mitteln".
Bevor Donald Trump also ans Mikrofon tritt, um seine Rede zu halten, hat Kari Lake die Menge gegen den renommierten Covid-19-Experten Anthony Fauci aufgepeitscht und sich damit als würdig für Trumps Unterstützung erwiesen. "Ich will jemanden wegsperren. Und das ist der Lügner Dr. Fauci."
Die aufbrandenden Rufe der Menge erinnern an "Lock her up!"-Szenen aus Trumps Wahlkampf gegen Hillary Clinton 2016. Damals sollte sie weggesperrt werden. "Ich weiß ja nicht, wie es euch geht. Aber mein Tacho spielt verrückt, jedes Mal, wenn er seinen Mund aufmacht", sagt Kari Lake.
Und noch mehr Menschen wollte Lake gleich hier in Florence ins Gefängnis werfen, wenn sie nur die Macht dazu hätte: "Jeden, der beteiligt war an dieser korrupten, zwielichtigen und schäbigen Wahl im Jahr 2020!" Dann ruft Lake: "Sperrt sie weg!" Die Menge johlt.
Kari Lake weiß, was sie sagen muss. Es steht auf einem Zettel, den sie in den Händen hält. Und sie hat es schon oft getan. Nach den Präsidentschaftswahlen 2020 hatte sie bereits die Inhaftierung der stellvertretenden Gouverneurin von Arizona gefordert, die organisatorisch für das Durchführen von Wahlen zuständig ist. Gerade auf Posten wie diese schielen die Republikaner.
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"Es ist fast schon ein Kult"
Arizona ist, ähnlich wie der Bundesstaat Georgia, ein äußerst negativ besetztes Symbol für Donald Trump und seine Anhänger. 2020 war der sogenannte Swingstate einer der entscheidenden Bundesstaaten, der schließlich nicht an ihn, sondern an Joe Biden fiel. Ausgerechnet der ihm bislang zugeneigte Sender Fox News legte sich damals zuerst fest: Sein demokratischer Kontrahent hatte gewonnen.
Als Donald Trump an diesem Samstagabend schließlich gegen 19.30 Uhr in Florence auf die Bühne steigt, ist er die betonte Lockerheit. Sein weißes Hemd unter dem blauen Mantel trägt er oben offen, keine Krawatte. Auf dem Kopf sitzt eine rote Kappe mit seinem Schriftzug "Make America Great Again". Ein paar weitere MAGA-Hats schmeißt er in die jubelnde Menge.
Die großen TV-Stationen des Landes übertragen seine erste Rallye nicht. Aber die rechten Netzwerke Newsmax, OAN und Real America's Voice News streamen. Eine Newsmax-Moderatorin hat gerade noch Trumps ehemaligen US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, im Interview. Ganz offen fragt sie ihn, wie es denn sein könne, dass Donald Trump so viele Anhänger habe. "Es ist fast schon ein Kult", meint sie. Grenell antwortet, das liege an der Frustration mit Washington. "Es ist kein Kampf mehr zwischen Republikanern und Demokraten. Es ist ein Kampf zwischen Washington und dem übrigen Amerika", sagt er und nennt Trump einen notwendigen Außenseiter. Denn die Politiker hörten nicht zu. Darum brauche es gewöhnliche Leute aus dem "Everyday-Life".
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"Lasst unsere Kinder in Ruhe!"
Fast anderthalb Stunden spricht Donald Trump anschließend. Es ist das Programm, das er verbreitet, seit er nicht mehr im Weißen Haus sitzt. Es geht um "die gestohlene Wahl", um die Inflation, um die Kriminalitätsrate und um sein Lieblingsprojekt, die große Mauer an der Südgrenze zu Mexiko. Und immer wieder geht es auch um den desaströsen Abzug aus Afghanistan. Trump nennt ihn schon seit Monaten "den beschämendsten Moment in der amerikanischen Geschichte". Gezielt appelliert er an die Ehre der US-Militärs und lobt die Veteranen.
Am Pandemiemanagement der Biden-Regierung würde man es sehen. "Sie sind böse oder sie sind inkompetent", sagt Trump. Und er fordert: "Lasst unsere Kinder in Ruhe!" Sie sollten keine Masken tragen müssen, denn sie hätten ein "wunderschönes Immunsystem". Später behauptet er, die Demokraten seien auch dafür, dass Babys nicht nur jederzeit abgetrieben, sondern noch nach der Geburt getötet werden sollen.
Als "stalinistische Show-Gerichtsverhandlung von Nancy Pelosi" bezeichnet Trump den von den Demokraten eingesetzten Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol. Er kündigt an, dass man "eine eigene Untersuchung" durchführen werde, wenn man wieder an der Macht sei. Die Schuld an den Entwicklungen vom 6. Januar 2021 schiebt er angeblichen Agenten des FBI in die Schuhe. Sie hätten die Menschen aufgefordert, ins Kapitol zu gehen. "Wie viele Leute am Kapitol waren FBI-Informanten oder Agenten?", fragt Trump. Die "Fake-News"-Presse weigere sich bis heute darüber zu berichten und darüber, dass damals die größte Menge überhaupt in Washington seiner Rede gelauscht habe.
Trumps erste Rallye im Jahr 2022 ist ein erster Vorgeschmack auf das, was im Jahr der Zwischenwahlen auf die USA zukommt. Ihm und seinen Mitstreitern wie Kari Lake oder Richard Grenell geht es weiterhin darum, Misstrauen zu säen an der korrekten Durchführung der Wahlen und an den Medien. Die demokratischen Institutionen bleiben im Fokus der Attacken.
Im Dezember hatte das Institute of Politics der Harvard Kennedy School eine Umfrage unter Jugendlichen veröffentlicht, die zeigt, wie nachhaltig diese Strategie gerade auch bei jungen Menschen zu wirken scheint. Eine Mehrheit von 52 Prozent der 18- bis 29-jährigen Amerikaner glaubt demnach, dass die US-Demokratie "in Schwierigkeiten" steckt oder "versagt". Dass sie möglicherweise einen Bürgerkrieg in ihrem Leben erleben werden, glauben 35 Prozent. Unter den Anhängern der Republikaner sind die Zahlen noch deutlich stärker ausgeprägt.
Einer der letzten Sätze von Trump an diesem Abend: "Wir haben gerade erst begonnen. Und wir werden niemals zurückweichen."
- Eigene Recherchen
- Newsmax-Livestream zur Rallye in Florence, Arizona
- Harvard Youth Poll 2021