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Donald Trump | Impeachment: "Er drängt sich zurück ins Scheinwerferlicht"


Trump und das Impeachment
... und plötzlich ist er zurück

MeinungVon Fabian Reinbold

Aktualisiert am 12.02.2021Lesedauer: 5 Min.
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Donald Trump (Archivbild vom 20. Januar): Dank Impeachment zurück im Scheinwerferlicht.Vergrößern des Bildes
Donald Trump (Archivbild vom 20. Januar): Dank Impeachment zurück im Scheinwerferlicht. (Quelle: Carlos Barria/reuters)

Der größte Schurke, der größte Kämpfer: Mit dem Impeachment-Prozess drängt Donald Trump zurück ins Scheinwerferlicht. Das eindrücklichste Beweisstück gegen ihn liefert ausgerechnet er selbst.

Einige von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wird diese Kolumne wohl enttäuschen. Es haben mich zuletzt viele Mails erreicht mit einem ähnlichen Wunsch: Eine Leserin formulierte es so: "Sie sollten Trump nicht mehr so oft erwähnen, er ist zum Glück weit weg in Florida."

Ich kann das gut verstehen. Nur gibt es da eine Kleinigkeit, die uns bei diesem Wunsch dazwischenfunkt: die Realität in Amerika.

Denn wenn diese Woche eines gezeigt hat, dann dass Donald Trump alles andere als weit weg ist. Im Gegenteil: Er war, nicht unerwartet aber dann doch urplötzlich, zurück. Zurück im Scheinwerferlicht, zurück als die größte Geschichte, zurück als der mächtigste Spaltpilz. Und dafür musste er nicht einmal seinen Kitschpalast in Mar-a-Lago verlassen.

Donald John Trump – wie er spricht und schaut, wie er lügt und trügt, wie er zu twittern pflegte – war in Washington wieder allgegenwärtig, und das drei Wochen nach seinem Abflug nach Florida.

Das lag natürlich daran, dass ihm seit Dienstag im US-Senat der Impeachment-Prozess gemacht wird. Und obwohl der Termin lange angekündigt war, hatte die Rückkehr Trumps doch eine besondere Wucht. Das Amtsenthebungsverfahren, von vielen von Anfang an als aussichtslos abgetan, entwickelte eine riesige Sogwirkung. Corona? Impf-Chaos? Joe Biden im Weißen Haus? Alles nur noch Nebenschauplätze.

Die sogenannten Impeachment-Manager, also die Ankläger aus Reihen der Demokraten im Repräsentantenhaus, stellten eine eindrückliche Anklage auf die Beine. Sie brachten auf den Punkt, wie brutal es am 6. Januar zugegangen war. Wie nur viel Glück und wenige Meter und Sekunden verhinderten, dass der Mob auf jene Politiker traf, die er zum Feindbild hatte.

Doch vor allem sah man drei Tage lang wieder Trump auf allen Kanälen: In zahlreichen Clips hörte man ihn seine Leute aufwiegeln, wegen der angeblich gestohlenen Wahl. Man bekam die Tweets vor die Augen gesetzt, nicht nur jene vom 6. Januar, als er den Mob erst anfeuerte und anschließend lobte, sondern auch jene Ungeheuerlichkeiten der Wochen, Monate, Jahre davor auf dem Konto, das Twitter dauerhaft gesperrt hat.

Das ganze Gift, knallgelb angestrichen. @realDonaldTrump war plötzlich als Untoter dem Twittergrab entstiegen, zumindest für drei Tage.

Die Demokraten gingen klug vor, weil sie erst zeigten, wie schlimm der 6. Januar war und dann die Blende weit aufzogen: Man sah noch einmal, wie Trump schon im Frühjahr einen Mob aufs Kapitol in Michigan geschickt hatte (Zitat: "BEFREIT MICHIGAN!").

Man erlebte Trumps jahrelanges Spiel mit der Gewalt noch einmal im Schnelldurchgang. Lob für einen Parteifreund, der einen Journalisten verprügelt hatte. Verharmlosungen für einen Extremistentrupp, der eine Gouverneurin kidnappen wollte. Und so weiter, und so fort.

Es gab in den Jahren eine weit verbreitete Fehlannahme in der US-Hauptstadt: Man solle ihn zwar ernst, aber ja nicht beim Wort nehmen. Die wüsten Drohungen seien nur Show. Das, was die Ankläger nun an Tweets, Videos, Aussagen der Mob-Mitglieder auffuhren, zeigte wieder einmal, wie naiv das war. Und dass seine Anhänger Trump schon lange ganz genau beim Wort nahmen.

Die Demokraten warnten vor der Zukunft. Der Chefankläger Jamie Raskin, ein Mann mit freundlicher Stimme aus dem liberalen Umland der Hauptstadt, sagte es am Donnerstag so: “Glaubt hier irgendwer der politischen Anführer im Saal wirklich, Donald Trump würde – wenn er wieder ins Oval Office gelangt – damit aufhören, Gewalt anzuzetteln?”

Und so war alles anders als beim ersten Impeachment vor einem Jahr. Damals saß ich in der Kammer, sah manchem Senator die Augen zufallen, hörte die Vorträge zu dem eher abstraktem Machtmissbrauch Trumps, der die Ukraine zu erpressen versuchte (schon damals ging es bekanntlich gegen Biden).

Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt einen Newsletter über seine Eindrücke aus den USA und den Machtwechsel von Donald Trump zu Joe Biden. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Jetzt saß ich am Fernseher, was dadurch bedingt war, dass kaum Journalisten vor Ort zugelassen waren und was durchaus passend war, weil die Demokraten ihre Show ausdrücklich fürs Fernsehen entworfen hatten. Anders als damals war es konkret, anschaulich, emotional und aufrüttelnd.

Es gab nicht allein ein bereinigtes Gesprächsprotokoll eines Anrufes in der Ukraine, es gab unzählige Videos. Aufnahmen der Randalierer, der Journalisten, der Überwachungskameras. Und es gab das Beweisstück Nummer eins gegen Donald Trump: Das waren seine eigenen Tweets und Auftritte.

Hinzu kam: Der Verhandlungsort war auch der Tatort, die Senatoren waren nicht nur Geschworene, sondern auch hautnahe Zeugen und potenzielle Opfer der Tat.

Vieles zum Sturm auf das Kapitol ist noch aufzuklären, etwa die Frage, welche Rolle Trump dabei spielte, dass die Nationalgarde viel zu spät eingesetzt wurde. Doch beide Seiten wollen lieber rasch zum Ende kommen.

In einem Punkt waren die Demokraten unehrlich: Sie schoben Trump die alleinige Verantwortung für den Gewaltexzess zu. Dabei saßen die Mitschuldigen unter den Senatoren selbst, nämlich jene, die Trumps Märchen von der gestohlenen Wahl aktiv befeuert hatten, selbst am 6. Januar noch, als der Mob schon die ersten Türen durchbrochen hatte. Das war taktisch begründet. Man wollte auf keinen Fall die Republikaner vor den Kopf stoßen, in der Hoffnung auf ein paar zusätzliche Abweichler aus deren Reihen.

So eindrucksvoll die Präsentation war, unmittelbaren Erfolg wird sie nicht haben. Donald Trump wird aller Voraussicht nach nicht verurteilt, er bekommt keine lebenslange Ämtersperre, er kann wieder als Präsident kandidieren, wenn er mag.

Dabei gibt es ein Szenario, in dem die republikanischen Senatoren tatsächlich in Scharen gegen Trump gestimmt hätten: Wenn die Abstimmung im Senat denn geheim wäre.

Doch da man für sein Votum persönlich einstehen muss, werden die meisten kneifen: Zu groß ist die Angst vor dem Zorn der eigenen Wählerbasis, die in großer Mehrzahl Trump verfallen ist und sich von ihm jederzeit aufscheuchen lässt. Frei nach dem Motto: Er ist ein Staatsfeind, aber er ist nun einmal unser Staatsfeind.

Am Freitag beginnen seine Anwälte dann mit der Verteidigung Trumps, dessen Verhalten in dieser Sache man gar nicht verteidigen kann. Man kann es nur relativieren und zeigen, dass es woanders auch Gewalt gab und der Gegenseite Doppelmoral unterstellen – das ist und bleibt das langweiligste und erfolgreichste Prinzip der amerikanischen Politiker. Politik auf dem Niveau von "Aber die anderen!", so läuft das hier schon lange. Die Anwälte wollen es kurz halten.

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Donald Trump wird bald schon in die Geschichtsbücher eingehen als der einzige Präsident, der zweimal des Amtes enthoben werden sollte – ein Makel, den er wohl nie wieder los wird. Für viele ist Trump damit offiziell der größte aller Schurken, die es je ins Weiße Haus geschafft haben.

Doch in seinem Amerika wird er dann wohl derjenige sein, der zweimal ein Impeachment überstanden hat, ohne die Macht über seine Partei zu verlieren. Dort ist Trump damit der größte aller Kämpfer, die es je ins Weiße Haus geschafft haben. Die Geschichte von Amerika und Donald Trump ist noch lange nicht vorbei. Wir werden ihr uns hier widmen müssen, immer mal wieder, aber nicht ständig – versprochen!

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