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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Impeachment Der Prozess gegen Trump wird zur Horrorshow
Die Ankläger Donald Trumps veröffentlichen im Impeachment-Prozess neue erschütternde Aufnahmen: Sie zeigen, wie knapp prominente Politiker dem gewalttätigen Mob entkamen. Belastet wird Trump weiter durch seine eigenen Worte.
Wer dachte, er hätte bereits alles vom Sturm auf das US-Kapitol im Januar gesehen, der wurde am zweiten Tag des Impeachment-Prozesses gegen Donald Trump eines Besseren belehrt.
Die Ankläger des früheren Präsidenten zeigten in einer siebenstündigen Präsentation auch zahlreiche bislang unveröffentlichte Aufnahmen der beispiellosen Attacke. Sie sorgten im US-Senat so für Schockmomente sowohl bei Demokraten als auch bei Republikanern.
Es waren vor allem Aufzeichnungen von Überwachungskameras im Kapitol, die den Senatoren und der Öffentlichkeit vor Augen führten, wie knapp man offenbar an einer Katastrophe mit noch deutlich mehr Toten und Angriffen auf hohe Vertreter der US-Regierung vorbeigeschlittert war. Erstmals hatte die Anklage einen gesamten Tag lang das Wort – und nutzte ihn, um Trump detailliert zu belasten.
Trump-Kritiker Romney musste flüchten
Minutiös zeichneten die Ankläger der Demokraten den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar nach. Die Aufnahmen zeigten etwa, wie der republikanische Senator und Trump-Kritiker Mitt Romney am Nachmittag der Attacke durch die Flure des Gebäudes geht, bis ihn ein Polizist dazu bringt, umzukehren und fortzulaufen. Kurz darauf zieht der Mob der Anhänger Trumps vorbei.
Romney ist nicht irgendwer. Er ist der prominenteste Kritiker der Republikaner – im Senat war er etwa der Einzige, der vor einem Jahr für die erste Amtsenthebung Trumps gestimmt hatte. Der von Trump angestachelte Mob hatte sich ausdrücklich Politiker wie Romney zur Hassfigur genommen. Trump selbst hatte bei seinem Auftritt kurz zuvor seinen Anhängern noch gesagt, sie müssten auf die "Schwachen unter den Republikanern" einwirken. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wären sie auf Romney getroffen.
Andere Bilder zeigten, wie der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, samt seiner Entourage im Gebäude hin- und herläuft.
Erstmals zu sehen waren ebenfalls Aufnahmen von Überwachungskameras, die zeigen, wie Vizepräsident Mike Pence mit seiner Familie von Leibwächtern aus der Senatskammer eskortiert wurde. Da war es 14.26 Uhr am 6. Januar – nur zwei Minuten zuvor hatte Trump auf Twitter noch ein letztes Mal gegen seinen Vizepräsidenten gewettert.
Diesem habe der Mut gefehlt, das am 6. Januar vom Kongress zu bestätigende Wahlergebnis doch noch zu kippen, schrieb Trump, als der Mob längst tobte. Ein Anhänger las den Tweet der Meute noch vor, andere Anhänger zogen mit "Hängt Mike Pence!"-Rufen durch das Kapitol.
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Daneben illustrierten bislang unbekannte Funksprüche, in denen Einsatzkräfte verzweifelt Verstärkung anfordern, und Bilder sogenannter Bodycams der Polizisten das Ausmaß an Gewalt, mit dem der Mob gegen die Ordnungshüter vorgegangen war.
"Wo bist du, Naaancy?"
Ein anderes Video zeigte einen Mann, der auf der Suche nach Nancy Pelosi, der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, durch die Flure zog und mit hoher Stimme immer wieder "Oh Naaancy, wo bist du, Naaancy?" rief. Eine Szene wie aus einem Horrorfilm.
Schon am ersten Tag hatten die Demokraten auf die Macht brutaler Bilder gesetzt und die Wunden gezeigt, die der Angriff dem Kongress zugefügt hat. Es war nur ein Auftakt. Am Mittwoch begannen sie offiziell mit der Präsentation ihrer Anklage, die sie am Donnerstag fortsetzen werden.
Trumps eigene Tweets sind Zeugen der Anklage
Es waren immer wieder Trumps eigene Tweets, aus denen die Ankläger ihre Argumentation strickten, dass er es sei, der die Gewalt direkt zu verantworten habe. Dessen Kurzmitteilungen boten dafür reichlich Anschauungsmaterial, hatte er doch seine Lüge von einem Wahlbetrug immer wieder befeuert und seine Anhänger später auf den 6. Januar eingeschworen ("Seid dabei, es wird wild!").
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Auch Trumps Twitter-Verhalten am Tag der Attacke nahmen die Demokraten auseinander – immer wieder kamen sie darauf zurück, dass der damalige Präsident seine Anhänger noch befeuert hatte, als das Ausmaß der Gewalt längst zu erahnen war. Auch betonten sie, dass er am Abend des 6. Januar das Geschehene als Konsequenz einer gestohlenen Wahl bezeichnet hatte.
Twitter sperrte ihm daraufhin bekanntlich sein Konto – und ein Manager der Plattform gab am Mittwoch übrigens zu verstehen, dass diese Verbannung dauerhaft bestehen bleibe.
Auch mehrere republikanische Senatoren zeigten sich nach den Präsentationen schockiert von der Wucht der gezeigten Aufnahmen und beeindruckt von der Präsentation der Anklage.
Das bedeutet allerdings nicht, dass sie nun in Scharen von Trump abrücken würden. Die Zweidrittelmehrheit, die für eine Verurteilung Trumps und ein Ämterverbot in der Zukunft nötig wäre, ist weiterhin nicht in Sicht.
- Eigene Beobachtungen