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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Virtuelles TV-Duell Warum Donald Trump dieses Mal kneift
Donald Trump will das kommende TV-Duell mit Joe Biden absagen. Der Präsident bricht wieder einmal die Regeln – weil er sich aus drei Gründen im Nachteil wähnt.
Es ist eine vernünftige Entscheidung, das kommende TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden virtuell abzuhalten. Der Präsident hat das Coronavirus und das Weiße Haus gibt keinerlei verlässliche Informationen darüber heraus, wann und wie schwer sich Trump infiziert hat. Also weiß man auch nicht, wie lange er noch ansteckend ist.
Von seinem ebenfalls Covid-infizifierten Umfeld an Beratern und Mitarbeitern ganz zu schweigen.
Eine Debatte in einem TV-Studio wäre so ein Gesundheitsrisiko: für das Publikum, für Moderator und Techniker, für Biden und seine Mannschaft. Deswegen hat die Kommission, die die Debatten ausrichtet, am Donnerstag so entschieden.
Trump will noch feilschen
Donald Trump ist damit nicht einverstanden. Seine prompte Absage für den Termin am kommenden Donnerstag ging als Eilmeldung um die Welt: Virtuell will er nicht. Sagt er.
Der Präsident will mit der Absage vor allem Verhandlungsdruck aufbauen, damit Format oder Termin doch noch geändert werden. Man könne das ganze doch um eine Woche verschieben, hieß es ein paar Stunden nach der Absage dann auch prompt.
Da der Amtsinhaber in den Umfragen klar hinten liegt, braucht er das zweite von insgesamt drei TV-Duellen eigentlich, um die Stimmung zu drehen. Und doch zeigt sein Kneifen eine gewisse Logik. Drei Gründe sprechen aus Sicht Trumps dagegen, das virtuelle Duell abzuhalten.
Erstens: Ein TV-Duell, das virtuell stattfinden würde, wäre Symbol seines Versagens in der Corona-Krise,sowohl im großen Ganzen als auch bei seinem Umgang mit der eigenen Erkrankung. Allein schon die Plexiglasscheiben beim Vize-Duell am Mittwoch waren ein Symbol. Trump selbst will solche Symbolik um jeden Preis vermeiden. Eine Symbolik die zeigt, dass er etwas falsch gemacht hat oder ihn in seinen Augen schwach dastehen lässt. Deswegen verließ er frühzeitig das Krankenhaus, deshalb riss er sich die Maske ab, als er, der ansteckende Covid-Patient, zurück ins Weiße Haus ging.
Zweitens: Ein TV-Duell, das virtuell stattfindet, macht es Trump auch schwerer, seine aus der ersten Debatte bekannte Bulldozer-Taktik umzusetzen. Per Schalte lässt es sich schlechter stören, attackieren und beleidigen. Trump müsste sich stärker an die Regeln halten und müsste die Kontrolle aus der Hand geben. Der Präsident, der manchmal laut ausspricht, was andere nur stumm denken würden, sagte dazu selbst in einem Interview, was aus seiner Sicht dagegen spricht: "Sie können dir das Wort abschneiden, wann immer sie wollen."
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Drittens ist das zweite von insgesamt drei TV-Duellen als sogenannte "town hall" konzipiert: eine Bürgersprechstunde, bei der die Kandidaten Fragen von Wählern beantworten. Trump liegt dieses Format nicht, weil er auf Bürgerfragen meist nicht eingeht. Joe Biden, der sonst kein herausragender Debattierer ist, kann das deutlich besser. Er hätte wahrscheinlich eine bessere Figur abgegeben als der Präsident.
Vielleicht gelingt es Trump mittels seiner Absage doch noch, andere Regeln durchzudrücken. Vorstellbar wäre eine Debatte unter freiem Himmel. Da die Veranstaltung in Miami stattfinden sollte, wäre es dafür warm genug. Möglich, aber nicht wahrscheinlich ist auch die von ihm ins Spiel gebrachte Verschiebung. Er hätte dann die Hoffnung, dass die Duelle doch wieder vor Ort in einem TV-Studio stattfinden.
In einer virtuellen Bürgersprechstunde wähnt sich der Präsident, der sich selbst als starken Mann sieht, in einer zu schwachen Position.
- eigene Beobachtungen
- Fox Business: Interview mit Donald Trump