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USA: Das sind drei unbequeme Wahrheiten über Donald Trump – und uns


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Er wird wieder unterschätzt
Drei unbequeme Wahrheiten über Trump – und uns

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 28.08.2020Lesedauer: 5 Min.
Donald und Melania Trump am Weißen Haus: Die Show kann funktionieren.Vergrößern des Bildes
Donald und Melania Trump am Weißen Haus: Die Show kann funktionieren. (Quelle: Evan Vucci/ap)

In den Umfragen liegt Trump hinten, doch jetzt kann der Wahlkämpfer seine Stärken ausspielen. Und er hat eine Lage, bei der er kräftig Öl ins Feuer gießen kann.

Donald Trump hat seine große Krönungsrede gehalten, und was soll ich Ihnen sagen: Er hat ein wahres Feuerwerk gezündet! Gut, nicht rhetorisch, aber im Anschluss ganz handfest: Raketen schossen in den Himmel über dem Washington Monument, wie sonst am 4. Juli. Nur die Rede selbst war ein Fehlzünder.

Ich lausche regelmäßig den Reden des amerikanischen Präsidenten. Manchmal sind sie lustig, manchmal erschreckend. Diese Rede war öde. Es sprach Teleprompter-Trump, eng am Skript, ohne Leidenschaft oder Inspiration. Halbwertszeit: bis zum nächsten Twittersturm.

Die Rede fiel in eine Woche, die wie unter einem Brennglas das Amerika im Jahr 2020 zeigt. Waldbrände und Stromausfall in Kalifornien, während sich die Golfküste auf eine “nicht überlebbare” Sturmflut einstellen sollte. In Kenosha, Wisconsin, schossen Polizisten einem Schwarzen sieben Mal in den Rücken, dann brannte die Stadt, bis ein 17-jähriger Waffennarr, der allzu gern Hilfssheriff spielen wollte, zwei Demonstranten mit seinem Sturmgewehr erschoss, woraufhin die Basketballliga mitten in den Playoffs in den Streik ging.

Jeden Abend erstrahlte auf allen Sendern eine Parallelwelt, in der sich ein Held im Weißen Haus quasi im Alleingang gegen den drohenden Untergang der Nation stemmt: nicht gegen Brände/Fluten/Rassismus, sondern gegen Sozialisten/Anarchisten/Gottlose.

Während draußen in der Wirklichkeit jeden Tag mehr als tausend Amerikaner an Covid starben, war in der Parallelwelt Corona längst besiegt, Polizeigewalt nur ein Fiebertraum der Linken, Donald Trump der größte Kämpfer für Wahrheit, Frauen und Schwarze. Kalenderwoche 35, Jahr 2020, Vereinigte Staaten von Amerika.

Offiziell trug das allabendliche Programm den Titel “Republican National Convention”. Faktisch war es nicht der Parteitag der Republikaner, sondern die große Trump-Show, in der die Partei ihr Wahlprogramm auf die zwei Worte Donald und Trump eindampfte und wie eine Sekte ihrem Anführer huldigte.

Es wäre ein Spaß, Ihnen das Absurde dieser Veranstaltung in den schönsten Blüten zu schildern, aber es gibt eine wichtigere Geschichte: Ich will Ihnen erklären, warum ich fürchte, dass diese Show sogar funktioniert. Der Kontrast war klar, die Botschaften simpel, dafür sind Parteitage hier gedacht.

Wie zum Teufel können die Amerikaner nach allem, was passiert ist, noch einmal Trump wählen, haben Sie gefragt, liebe Leserinnen und Leser. Hier meine drei unbequemen Wahrheiten über Donald Trump und uns.

Erstens: Er hat keine Anhänger, er hat Jünger. Wer dem Trump-Kult verfallen ist, sieht nur noch Schwarz und Weiß: Bösewichte bei den Demokraten, Medien und sonstigen Eliten, die nur dafür leben, den einsamen Helden Trump zu erlegen. Trump hat hier, in gegenseitiger Befruchtung mit Fox News und Verschwörungstheoretikern, eine eigene Realität geschaffen. Er kann diese Unterstützung nicht verlieren, weil sich seine treuen Anhänger in einer Parallelwelt eingenistet haben, in der es andere Bedrohungen gibt (etwa: linke Gesinnungspolizei statt Klimawandel).

Sie sehen in Trump jemanden, der es genauso falsch findet wie sie, dass Amerika weniger weiß und christlich wird, und beim Wandel kräftig auf die Bremse tritt. Trump bestätigt jene, die Amerika weiterhin für das allerbeste Land auf Erden halten. Ein Drittel der Wähler hat er so unverrückbar an seiner Seite. Trump, die “Lüge auf zwei Beinen” (Biograf Michael D'Antonio), sprach also die Wahrheit, als er sagte: Er könnte jemanden auf der Fifth Avenue erschießen und würde keine Stimme verlieren.

Zweitens: Es gibt viele, die Trump durchschauen, aber ihn dennoch wählen. Sie sind diejenigen, die wir übersehen, wenn wir nur auf Trumps schlechte Zustimmungswerte blicken. Sie müssen ihn ja nicht gut benoten, um bei ihm ihr Kreuz zu machen. Sie leben oft in den Vorstädten, sind gut ausgebildet. Für sie waren viele Botschaften auf dem Parteitag gedacht. Das Schüren von Angst vor gewaltsamen Protesten – “Niemand ist sicher in Joe Bidens Amerika” – die Warnung vor Joe Bidens angeblichen Steuerplänen. Die Botschaft: Ihr müsst Trump nicht mögen, aber er beschützt euch und euren Wohlstand.

Ein Anruf in der Vorstadt, bei einem Jugendfreund von mir. Er sagte es so: “Will ich, dass meine Kinder wie Trump werden? Auf keinen Fall! Aber er macht Politik für mich.” Mein Bekannter nennt sich libertär, er will wenig Staat und keine hohen Steuern nach Washington überweisen. Er wird wieder für Trump stimmen.

Drittens: Trump hat uns dressiert. Er ist ein Meister darin, die geballte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sie zu fesseln. Er setzt die Themen, haut die Unwahrheiten und die Lügen in die Welt, denen Öffentlichkeit, Faktenchecker und Gegner dann hinterherhecheln. Tagein, tagaus, ganz ohne Parteitag, per Tweet, mit jedem Auftritt. Im großen Trump-Zirkus ist er Geschäftsführer, Hauptattraktion und Dompteur zugleich, und wir verrichten in der Manege brav das einstudierte Kunststück.

Die Folgen: Zum einen kann er über das Dauerfeuer sein Zerrbild von Joe Biden verbreiten – wovor dessen Team mächtig Angst hat. Gibt es Empörung über das, was er tut oder sagt, zahlt das auf sein Geschäftsmodell ein: Seht her, wie unfair mich die Medien behandeln. Und schließlich zerfließt jede Grenzüberschreitung, die bei jedem anderen Präsidenten ein Skandal wäre, in einem Brei aus den nächsten Grenzüberschreitungen, der kommenden Attacke, der größeren Lüge. Die Folge: allgemeine Erschöpfung und Resignation.

Ein Beispiel: Es war natürlich schamlos, wie Trump das Weiße Haus Tag für Tag als Bühne beim Parteitag nutzte, also verbotenerweise das Regierungsgeschäft mit dem Parteigeschäft vermengte. Das würde jedem anderen Präsidenten wohl einen Untersuchungsausschuss einbrocken. Ob irgendetwas daraus folgt?

Interessieren Sie sich für die US-Wahl? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Während der nicht einfach wegzutwitternden Corona- und Wirtschaftskrise und dem anhaltenden Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt steht Trumps Methode Dauerbeschuss vor ihrer größten Bewährungsprobe.

Was tut er jetzt? Vor das eine Feuer, Pandemie, zieht er einen Sichtschutz – wer keine Symptome hat, soll nicht mehr getestet werden. Beschlossen wurde es, während der zuständige Experte Anthony Fauci für eine OP unter Narkose lag. So sollen die lästigen Fallzahlen runtergehen, nur weiß man dann noch weniger darüber, wo das Virus gerade tobt.

Auf das andere Feuer, Rassismusprotest, gießt er kräftig Öl: Je mehr bei Protesten nun zu Bruch geht, desto besser für ihn. Kellyanne Conway, die scheidende Kommunikationsberaterin, machte es in ihren letzten Tagen im Weißen Haus noch einmal klar. Je mehr Gewalt, desto besser für uns. (Sie formulierte es nur einen Tick vornehmer: “Je mehr Chaos, Anarchie, Vandalismus und Gewalt herrschen, desto besser für die sehr klare Wahl, wer der beste Kandidat für Sicherheit und Recht und Ordnung ist.“)

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Verantwortung übernehmen? Nein, lieber ausschlachten. Trumps Hoffnung ist jetzt, dass die Zustimmung zu "Black lives matter” sinkt, dass die überzeugbaren Wählerinnen die Gewalt in den – ja meist von Demokraten regierten – Städten abschreckt, dass sie Trump, der nie viel für den Rechtsstaat übrig hatte, den Wahlkampf mit Recht und Ordnung abkaufen.

Schon jetzt sind die Umfragen nicht so eindeutig, wie manche Experten es darstellen. Ja, Biden liegt vorn, bundesweit und in den meisten Schlüsselstaaten, das ist richtig und bedeutsam. Doch der Vorsprung in den umkämpften Bundesstaaten ist knapp, Trump in Schlagdistanz. Und einen Präsidenten, der ergebene Jünger hat, anderen Wählern einen Deal über Sicherheit und Wohlstand anbietet und die Methode Dauerbeschuss perfektioniert hat, den sollte niemand unterschätzen.

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