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US-Wahlkampf: Trumps Massenveranstaltung ist ja ohne Risiko – für ihn


Präsident in der Krise
Dr. Trump und seine 19.000 Probanden

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 19.06.2020Lesedauer: 4 Min.
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Donald Trump bei einem Fabrikbesuch in Phoenix: Feldversuch mit Massenveranstaltung.Vergrößern des Bildes
Donald Trump bei einem Fabrikbesuch in Phoenix: Feldversuch mit Massenveranstaltung. (Quelle: Tom Brenner/reuters)

Zwei Sätze aus dieser Woche zeigen das wahre Wesen Donald Trumps in der Krise. Der Präsident lädt derweil trotz aller Warnungen zur Massenveranstaltung – er braucht einen Befreiungsschlag.

Es ist ein großer Laborversuch, den Donald Trump für diesen Samstag geplant hat: Was passiert mit 19.000 Probanden, wenn man sie in der ersten Corona-Welle für mehrere Stunden in einer Mehrzweckhalle ohne Abstand unterbringt?

Trump startet den Massenwahlkampf in einer Versuchsanordnung, vor der alle Experten und die eigene Gesundheitsbehörde als Hochrisiko warnen: Großveranstaltung drinnen, ohne Abstandsregeln oder Maskenpflicht, mit Gesang, Geschrei oder Gejohle. (Falls Sie noch nie auf einer Trump-Rally waren: Sie beginnt mit drei Stunden ohrenbetäubender Musik, sodass die Stimmbänder für die späteren Buh-und-Jubelorgien aufgewärmt sind.)

Trump will keinen leeren Platz. Abstandsregeln, sagte er kürzlich, "sehen im Wahlkampf nicht gut aus". Ist ja auch alles ohne Risiko – für ihn. Wer sich anmeldete, musste erklären, im Falle einer Infektion Trump nicht zu verklagen.

Vorgeblich soll das "Great American Comeback" gefeiert werden, also der Beweis, dass Amerika aus dem Gröbsten raus sei. Doch in zahlreichen Südstaaten steigen Infektionsraten und füllen sich Krankenhäuser, zurzeit sterben jeden Tag mehr als 700 Amerikaner am Virus. Amerika steckt noch mitten in der ersten Welle.

Trump braucht die Bilder, die Stimmung. Die letzten Wochen verliefen katastrophal: Trumps Sprachlosigkeit zum Rassismusprotest und Sorglosigkeit zu Corona ließen seine Werte wie noch nie fallen. In Umfragen führt Joe Biden aktuell deutlich. In Wahrheit soll also vor allem ein großes Comeback Trumps inszeniert werden: Ich habe Corona besiegt, ich kriege noch die Hallen voll, ich werde von meinen Leuten geliebt wie eh und je.

Trump betreibt Politik nach den drei ehernen Prinzipien Ich, ich und ich. Das ist natürlich keine Neuigkeit, aber hilfreich, um die Szenen dieser Woche zu verstehen: Am Dienstag bei einer Rede zum brennenden Thema Polizeireform schwelgt Trump ausführlich darin, wie gut er die Wirtschaft hinbekommen habe und wie toll er sie jetzt wieder aufbaue.

Am Donnerstag kommentiert er zwei Urteile des höchsten Gerichts zu Homosexuellenrechten und Einwanderern, die als Kinder ins Land kamen, so: "Habt ihr auch den Eindruck, dass mich der Supreme Court nicht mag?" Bei einer Runde mit Gouverneuren und Mittelständlern, wo es um die wirtschaftlichen Verheerungen im Land geht, scrollt er abwesend auf seinem Handy rum. Und schließlich die Aufregung, die die Buchveröffentlichung seines früheren Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton ausgelöst hat.

Der Skandal in Boltons Ausführungen ist, dass das Prinzip Ich, Ich, Ich auch im Weißen Haus regiert.

Es gibt dazu zwei Wahrheiten. Was Bolton schreibt, ist einerseits atemberaubend: In seiner Darstellung durchziehen Amtsmissbrauch, totale Ignoranz, Stümperhaftigkeit Trumps Regentschaft. Dass er den chinesischen Präsidenten ausdrücklich aufgefordert haben soll, Soja und Weizen aus dem Mittleren Westen zu kaufen, damit die Farmer ihn wiederwählen, ist ein Skandal, der - sofern bestätigt - einen anderen Präsidenten wohl den Job kosten würde.

Doch andererseits weiß in Washington längst jeder, dass Trump mit engstem Fokus auf den persönlichen Vorteil durch die Weltgeschichte tapst und dabei strategische Interessen allzu leicht aus dem Blick verliert.

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Boltons Buch ist zugleich eine Mann-beißt-Hund-Geschichte, weil das doch eigentlich alles unmöglich ist, und eine Hund-beißt-Mann-Geschichte, weil das alles so gar nicht mehr überraschend ist. Ein Medienspektakel gibt es dennoch jedes Mal, wenn ein Enthüllungsbuch herauskommt.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Als der Journalist Michael Wolff sein "Fire and Fury" veröffentlichte, als Ex-FBI-Chef James Comey seine Begegnungen mit Trump niederschrieb oder ein anonymer Regierungsmitarbeiter "Eine Warnung" vor Trump herausgab. Und bald wieder, wenn nach Bolton nun auch noch Trumps Nichte ein Enthüllungsbuch vorlegen wird.

Da wird Buch um Buch geschrieben und am Ende sitzt Trump weiterhin im Sattel.

Zwei Sätze aus dieser Woche werden mir im Kopf bleiben: Der Präsident sprach im Kabinettssaal über die Covid-Fälle: "Wenn wir jetzt aufhören würden zu testen, hätten wir sehr wenige Fälle, wenn überhaupt." Der Satz zeigt wohl Trumps wahres Kalkül und seine begrenzte Sprechfähigkeit zur Coronakrise: Die Infektionen sind vor allem Zahlen, die mich schlecht dastehen lassen.

Der andere stammt aus dem Buch Boltons. Außenminister Mike Pompeo, öffentlich besonders devot gegenüber Trump, soll nach einem Auftritt Trumps beim Gipfel mit Diktator Kim Jong Un an Bolton gewandt und gesagt haben: "He is so full of shit." Er labert nur Scheiße. (Ich muss es so derb übersetzen, Beschwerden bitte direkt an die Herren Bolton/Pompeo.)

Pompeo beschimpfte Bolton nun als Verräter, dementierte allerdings nicht, diesen Satz gesagt zu haben. Warum auch: Amerika weiß ja, dass es stimmt.

Mein Eindruck ist, dass das eigentlich der Großteil des Landes genauso sieht. Manche wussten es von Anfang an und haben ihn trotzdem gewählt, weil sie die restliche politische Klasse noch abstoßender finden. Manche haben es erst herausgefunden, als die Lage richtig ernst wurde. Anderen ist es egal, weil sie gerne selbst so dreist wären wie er.

Die Amerikaner wissen, dass ihr Präsident Scheiße labert. Die Frage ist, ob sie sich das vier weitere Jahre leisten wollen.

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