Post aus Washington Es geht etwas kaputt
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Den Journalisten in Washington vergeht das Lachen: Donald Trumps Sprecherin beerdigt still und leise die Pressekonferenzen und eine altehrwürdige Pressegala sperrt den Humor aus.
In Washington bricht das vielleicht sonderbarste Wochenende des Jahres an: Es ist Zeit für das berühmt-berüchtigte, schrecklich-schöne White House Correspondents' Dinner, das wichtigste gesellschaftliche Ereignis der Hauptstadt. 2019 steht es unter einem schlechten Stern.
Um das zu erklären, gehen wir in den Press Briefing Room im Weißen Haus, den Ort, an dem die Korrespondenten eigentlich ihrer Arbeit nachgehen. Am Donnerstagmorgen kehrt hier endlich wieder Leben ein.
Sprecherin Sarah Sanders, die 45 Tage lang keine einzige Pressekonferenz gab, tritt um kurz nach elf ans Podium und ändert sogleich die Regeln. Normalerweise beantworte ich die Fragen, sagt sie, aber heute wolle sie den Spieß umdrehen: "Ich stelle Fragen und wer die Antwort weiß, bekommt Süßigkeiten." Von den Reporterplätzen ertönt Jubel.
Ja, das ist wirklich so passiert, denn Donnerstag war "Take Your Kids to Work Day" und auf den Plätzen saßen die Kinder der Korrespondenten.
Sanders erste Pressekonferenz seit Ewigkeiten war also für eine Spaßveranstaltung für Kinder, "off-the-record" und die Korrespondenten durften in "privater Funktion" teilnehmen, wie es vor Beginn über die Lautsprecher im Weißen Haus schallte. Die Kinder bekamen also das, was den Eltern seit langem verwehrt bleibt.
Seit jeher, auch noch im ersten Jahr Trumps, gab es diese Pressekonferenzen täglich. Diese Pressekonferenzen sind so gut wie tot. Sanders hat sie faktisch eingestellt, natürlich mit vollster Rückendeckung Trumps, der sich eh für den einzig wahren Pressesprecher in eigener Sache hält.
In der "Post aus Washington" berichtet unser Korrespondent Fabian Reinbold von der Arbeit im Weißen Haus und seinen Eindrücken aus den USA. Gefällt Ihnen die Kolumne? , der noch weitere Einblicke und Einschätzungen aus Washington enthält und einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Am 28. Januar gab es eine nach 41 Tagen Pause, am 11. März eine nach 42 Tagen Pause, jetzt sind es also schon 47 Tage Pause. Als ob hier mit Genuss immer neue Rekorde gesetzt werden.
Falls Sie sich jetzt sagen, die Journalisten sollen sich mal nicht so haben, ist doch nicht weiter schlimm... dann muss ich widersprechen: Für die Rechenschaftspflicht der Regierung und Berichterstattung über das Weiße Haus brechen gerade noch düstere Zeiten an.
So schrecklich die PKs auch liefen (über Sanders' Lügen schrieb ich letzte Woche), sie sind zumindest der Ort, an dem die Nation sieht, dass es die Kontrollfunktion der Presse noch gibt, deren Existenz Trump ja in Zweifel zieht – und sei es nur als Schnipsel in den Abendnachrichten.
Bei den Korrespondenten schrillen die Alarmglocken. Tamara Keith, die Kollegin des Radiosenders NPR, sagt es ganz deutlich: Wenn eine Administration Pressezugang einschränkt, baut die kommende darauf auf, egal wer an der Macht ist. "Wird die kommende Regierung wieder eine tägliche Pressekonferenz haben? Ich denke nicht."
Es geht etwas kaputt.
Das Weiße Haus und auch manche Kollegen trösten uns/sich damit, dass Trump ja ständig Fragen zurufen kann unter Rotorenlärm, wenn er hinter dem Weißen Haus zum Hubschrauber schreitet. Macht er aber nur, wenn es ihm passt (siehe ebenfalls die Kolumne letzter Woche). Und Sanders erwischt man manchmal auf der Einfahrt zum West Wing, wenn sie gerade vom Fox-News-Schaltplatz zurückkommt, dem Sender, für den sie natürlich verfügbar bleibt.
Ich habe bei Margaret Sullivan nachgefragt, der Medienkolumnistin der Washington Post, die das Verhältnis Medien und Präsident seit langem beobachtet. Sie schreibt mir: "Es stimmt, dass Präsident Trump jetzt häufig mit der Presse auf informeller Basis redet. Aber das darf man nicht mit wirklicher Transparenz verwechseln. Wenn es ihm darum ginge, müsste er auf reguläre Pressekonferenz drängen oder mal seine Steuererklärung veröffentlichen."
Übrigens, auch im Pentagon und Außenministerium gibt es seit kurzem kaum noch Pressekonferenzen.
Und jetzt noch einmal zurück ins Kinderbriefing. Auch Sarah Sanders hat ihre Kinder dabei und als sie schließlich gefragt wird, was denn Donald Trump überhaupt so mache, beginnt sie: "Er ist der Präsident der Vereinigten Staaten….", dann wird sie unterbrochen von ihrem Sohn, der sich zwischen sie und ihr Pult gequetscht hat und den Satz ungefragt vollendet: "…also kann er machen, was er will." Riesengelächter im Raum.
Besser kann man die herrschende Auffassung in diesem Weißen Haus nicht auf den Punkt bringen.
Doch das Lachen vergeht den Journalisten langsam, wie auch die diesjährige Korrespondenten-Gala zeigt. Sie findet ohne den berühmten Komiker-Auftritt statt.
Beim Dinner der White House Correspondents' Association (WHCA) quetschen sich Journalisten, Medienmanager, Politiker, Spindoktoren in einen Ballsaal im Washingtoner Hilton und sonnen sich im gegenseitigen Glanz. Garniert wird der Abend von einigen Dutzend Vor- und After-Partys, Brunches und Empfängen. Es ist die washingtonhafteste Veranstaltung Washingtons.
Immerhin wurden diese Abende oft vom Auftritt eines Komikers gerettet, der den versammelten Sich-selbst-Feiernden den Spiegel vorhielt.
Unter Trump ist die alljährliche heikle Mischung Engtanz und Spott unmöglich geworden. Zum einen, weil Trump zum dritten Mal schwänzt und laut Berichten nun sogar seinen Mitarbeitern verboten hat aufzukreuzen. (Der letzte Präsident, der einmal nicht kam, war Ronald Reagan, aber auch nur weil er auf dem Weg dorthin niedergeschossen wurde.)
Zum anderen, weil Trump bekanntlich die Medien als Volksfeinde attackiert und jede Reden und jegliche Comedy über Politik extrem parteiisch geworden ist.
Im vergangenen Jahr symbolisierte die Komikerin Michelle Wolf die neuen Zeiten allzu perfekt – ihr giftiger Auftritt, der Lügen und Doppelmoral im Weißen Haus ins Visier nahm, wurde schnell von der anwesenden Washingtonblase als Grenzüberschreitung abqualifizert. Dabei traf sie für meinen Geschmack ziemlich ins Schwarze.
Jetzt findet das Dinner ohne Präsident, ohne Komiker statt. Stattdessen tritt ein respektabler Historiker auf.
Diese Alt-Washingtoner Institution (1921 gab es das erste Dinner dieser Art) steckt also im dritten Jahr Trump tief der Krise. Und womöglich hat sie sich das alles selbst eingebrockt.
Rückblende ins Jahr 2011. Hier sehen Sie, wie Comedian Seth Meyers sich einen Gast besonders vorknüpft: Donald Trump. Der Reality-TV-Star war damals vor Ort und in den Schlagzeilen, weil er die Verschwörungstheorie, Barack Obama sei nicht in den USA geboren, so befeuerte.
Man sieht Trumps versteinerte Miene, hört das laute Lachen des Publikums, sieht Obama lachen. Der nimmt bei seinem Auftritt dann Trump ebenfalls ausführlichst aufs Korn.
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Manche halten diesen Abend des 30. April 2011 für den Schlüsselmoment für Trumps spätere Kandidatur. In Wahrheit fühlte Trump schon viele Jahre zuvor immer wieder einmal vor und ließ kräftig darüber spekulieren, dass er antreten könne.
Doch vielleicht war der Abend im Hilton, als ihn Washingtons Gesellschaft verlachte, der Urknall für seine große Erzählung "Ich gegen das Establishment", die Donald Trump letztlich ins Weiße Haus gebracht hat.