Trump unterwegs Wenn ein Irrlicht auf Reisen geht
Die Welt kommt an Asien nicht mehr vorbei – doch auch ohne Amerika geht es nicht. Was US-Präsident Donald Trumps auf seiner Asien-Reise übersieht: Für die dortigen politischen Führer ist er nur eine Fußnote der Geschichte.
Vor dem Kriegsmuseum im vietnamesischen Saigon steht Beute herum, zum Beispiel ein riesiger Hubschrauber vom Typ Chinook, in dem die amerikanische Armee Soldaten und Nachschub aus der Heimat einflog. Wie gelackt stehen mehrere Chopper und Panzer nebeneinander, Erinnerungsstücke aus dem Krieg, den die Großmacht zu ihrem Erstaunen verlor. Drinnen im Museum wird der Krieg als ein einziges Verbrechen in Bild und Text dargestellt, begangen von Amerika. Die Sieger schreiben die Geschichte, Gut und Böse fein säuberlich verteilt, so ist das nun mal.
Ich bin gerade in Saigon und habe wieder das Kriegsmuseum besucht. Der gewonnene Krieg gegen die USA gehört zur Gründungslegende des sozialistischen Vietnams. In der Wirklichkeit ist der Krieg allerdings längst zur Nebensache geworden. Den Grund hat mir vor Jahren ein kluger Mann mit Talent zu Zynismus verraten: Mit Amerika hatten wir zehn Jahre lang Probleme. Mit China haben wir seit 2000 Jahren Probleme.
Nur die Zukunft zählt
Im Jahr 1995 nahmen die verfeindeten Kriegsparteien wieder diplomatische Beziehungen auf, bald danach schlossen sie Handelsverträge ab. Saigon ist heute in seinem Zentrum eine amerikanisierte Stadt. US-Kriegsschiffe liegen wie selbstverständlich vor den Küsten Vietnams, die militärische Zusammenarbeit ist weit gediehen. Vor drei Jahren hoben die USA auch noch das Waffenembargo auf, woran Vietnam stark interessiert war, um die Lieferabhängigkeit von Russland abzuschütteln. Die Vergangenheit: verweht, vorbei. Nur die Zukunft zählt.
An diesem Freitag kommt Donald Trump nach Vietnam und trifft dort noch einmal auf alle Präsidenten und Regierungschefs, die er vorher einzeln besucht hat, und dazu auf noch ein paar andere wie die aus Neuseeland, Australien, Kanada und vor allem Russland. Mit Wladimir Putin soll es ein Tête-à-Tête geben; zwischen beiden gibt es einiges zu besprechen, etwa über die Einflussnahme auf die Wahl über Facebook und Julian Assange und seltsame Sonderemissäre.
Trump hat es lieber bilateral – das ist er gewöhnt
Vietnam hat den Vorsitz in der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC), zu deren Gründung die USA maßgeblich beigetragen haben. Für multilaterale Bündnisse hat Trump bekanntlich wenig übrig. Vor kurzem ließ er die Transpazifische Partnerschaft (TPP) platzen. Er hat es lieber bilateral. An Geschäfte zwischen zwei Menschen ist er gewöhnt, an Übersichtlichkeit. Damit stößt er allerdings auf wenig Gegenliebe: bei Japan, Südkorea, Indien, Vietnam und so weiter.
Ehrlicherweise sollten wir uns eingestehen, dass uns diese Abkürzungen von APEC über TPP wenig vertraut sind und ihre Bedeutung auch nicht. Damit sollten wir uns aber beschäftigen, weil die Musik im 21. Jahrhundert hier spielt, in Asien. Immer geht es um China, politisch gesehen. Immer geht es auch um multilaterale Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene. Dabei liegen die Mitgliedsländer weit auseinander, viel weiter als in der EU. Zu TPP gehören Mexiko, Chile, Peru genauso wie Japan, das überall und immer dabei ist. APEC ist besonders wertvoll, weil China, Amerika und Russland Mitglieder sind.
Das Problem ist Trumps "Ein-Gedanken-Verstand"
Leider gibt es eine trostlose Ungleichzeitigkeit. Der amerikanische Präsident hat auf seiner Asienreise monomanisch Nordkorea im Sinn. Ja, Nordkorea ist ein Ärgernis, ein Hungerland mit Atomwaffen und einem jungen Diktator, der der Welt vorführen will, wie mächtig er ist. Seit einigen Wochen gibt er Ruhe, keine neuen Raketenstarts in Serie. Einfluss auf ihn hat exklusiv die chinesische Führung, die ihn ebenfalls mit Sanktionen belegt hat. Aber falls Trump ernsthaft glauben sollte, Kim Jong-un würde freiwillig auf sein Arsenal verzichten, täuscht er sich. Und China mag sich zwar über seine Prahlsucht wundern, wird ihn aber nicht gleich zur Aufgabe seiner Nuklearwaffen zwingen.
Das Problem mit diesem amerikanischen Präsidenten besteht in seinem Ein-Gedanken-Verstand: Raketenmann muss Raketen aufgeben, basta. China muss Nordkorea bestrafen, basta. China spielt dagegen auf vielen Klavieren: Kampf der Armut im eigenen Land; Territorialansprüche im südchinesischen Meer; Aufstieg zur Weltmacht. Darauf stellen sich Japan, Indien, Südkorea und die anderen mit einer Doppelstrategie ein: wirtschaftlich international zusammenarbeiten und militärisch aufrüsten für zukünftige Konflikte.
Noch immer ist Amerika die unentbehrliche Weltmacht, die Bündnissen erst Gewicht verleiht. Daher geht der japanische Ministerpräsident mit Trump Golf spielen und auch der chinesische Staats- und Parteichef lässt ihm Ehre zukommen. Niemand traut diesem Irrlicht aus dem Weißen Haus über den Weg, jeder traut ihm alles zu. Wir auch.
Syrien ist bereits ein alter Krieg
Natürlich liegt es nahe, dass Putin und Xi und The Donald über Syrien sprechen. Wenn sie darüber sprechen, dann in Danang auf einem APEC-Gipfel. Von dort aus gesehen ist Syrien ein alter Krieg, ein altes Problem. Werdet fertig damit, ist die Botschaft, und wenn nicht, bleibt es eben euer Problem. Wir kümmern uns um Wichtigeres. Um das 21. Jahrhundert. Um uns.
Für das neue Zentrum des Weltgeschehens hat sich der Begriff "Indopazifik" eingebürgert. Er kommt aus der Meeresbiologie und der Zoologie; von dort ist er in die politische Strategie eingewandert. Gemeint ist der Meeresraum, der sich von den Küsten Ostafrikas und Westasiens über den Indischen Ozean und den Westpazifik bis zu den Küsten Ostasiens erstreckt. Gesichert wird die Versorgung mit Öl vom Persischen Golf und mit Bodenschätzen aus Afrika von amerikanischen Kriegsschiffen und Satelliten. So protegiert Amerika den Welthandel, der seinem Präsidenten missfällt. Wenn das keine Ironie der Geschichte ist.
Kleine Länder wie Vietnam und große Länder wie Indien oder China denken in langen Zeitspannen. In dieser Perspektive ist Donald Trump nur eine Fußnote, ein Irrtum der Geschichte, dem hoffentlich bald Präsidenten mit mehr Verständnis für den Lauf der Geschichte folgen werden. Amerika wird gebraucht in Asien, im Indopazifik. Und auch Europa braucht Amerika, damit wir nicht ganz übersehen werden.