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100 Tage Trump: "Hat die Demokraten paralysiert"


Opposition in Trumps ersten 100 Tagen
Und wenn sie sich einfach tot stellen?


30.04.2025 - 12:26 UhrLesedauer: 5 Min.
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Joe Biden und Kamala Harris während der Amtseinführung von Donald Trump im Januar: Wie stellt sich ihre Partei nach Niederlage neu auf? (Quelle: Saul Loeb/imago-images-bilder)
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Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen durch die Trump-Regierung wären die Demokraten als Korrektiv gefordert. Doch in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung befindet sich die Partei in einer Krise.

Mehr als zwölf Stunden hatten sie auf den Stufen vor dem Kapitol in Washington ausgeharrt: Hakeem Jeffries, der Minderheitsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, und Cory Booker, Senator von New Jersey, hatten sich am vergangenen Sonntag zu einem "Sit-in" verabredet, um über Politik zu diskutieren. Beide Politiker sprachen dabei stundenlang nicht nur mit anderen prominenten Stimmen ihrer Partei über Politik, sondern auch mit Bürgern, die an diesem Sonntag im Washingtoner Regierungsviertel unterwegs waren.

Es handele sich um einen "Moment moralischer Dringlichkeit", in dem Booker die Zeit nutzen wolle, seine Partei und deren Unterstützer auf die kommende Woche einzustimmen. Nach einer zweiwöchigen Pause werden in dieser Woche die Abgeordneten im Kongress wieder erwartet. Die Republikaner wollen nach einem beschlossenen Haushalt jetzt die ersten größeren Gesetzesvorhaben der Trump-Regierung auf den Weg bringen.

Wie sehr Jeffries und Booker mit ihrem Aufruf durchgedrungen sind, bleibt unklar: Im Netz soll der Stream mehr als sechs Millionen Menschen erreicht haben, teilte Booker mit. In Washington selbst blieb der Andrang allerdings überschaubar: Bilder und Videos zeigen nur einige Dutzend Menschen, die sich im Laufe des Tages auf der Treppe des Kapitols eingefunden haben.

Die Szene steht symptomatisch für eine gewisse Rat- und Hilflosigkeit, die die Demokraten in den ersten 100 Tagen der Amtszeit von Donald Trump an den Tag legen: Während der US-Präsident seit dem ersten Tag mit Dekreten, Ausweisungen und Zöllen national wie international die Politik umkrempelt, wirken die Demokraten wie ein Zaungast. Ursache für diese Lähmung ist eine tiefgehende Richtungskrise, wodurch die Partei mehr mit sich als mit Trump beschäftigt ist.

Video | Trump-Rede wird plötzlich unterbrochen
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Quelle: t-online

Wenige Instrumente vorhanden

Dass die Demokraten gelähmt wirken, hat wohl auch mit der Schwere ihrer Niederlage im vergangenen November zu tun, glaubt US-Experte David Sirakov. Donald Trump gelang es nicht nur, mehr Wahlleute als Kamala Harris zu gewinnen. Der Republikaner schaffte es auch, in absoluten Zahlen die Demokratin zu schlagen. Dazu gewann die Trump-Partei auch die Mehrheit in beiden Kammern im US-Kongress. "Das hat die Demokraten paralysiert", sagte Sirakov t-online, der in Kaiserslautern die Atlantische Akademie leitet.

Durch die schwere Niederlage haben die Demokraten im Kongress wenig Instrumente, um sich gegen Trump zu stellen: Die Republikaner besetzen die Führungspositionen in den Ausschüssen, bestimmen die Tagesordnung der Gesetzgebungsverfahren und können diese mehrheitlich mit ihren Stimmen durchsetzen. Hinzu kommt, dass Trump als Präsident vornehmlich über Dekrete Politik macht. Diese können zwar von jedem zukünftigen US-Staatsoberhaupt umgehend rückgängig gemacht werden, benötigen allerdings keine Bestätigung durch den Kongress.

Dennoch rätseln in den USA viele Beobachter über die Sprachlosigkeit der Demokraten, während die Trump-Regierung ihre Agenda weiter umsetzt. Bisweilen wurde schon vermutet, dass die Stille der Partei selbst eine Taktik sein könnte. James Carville, der einst Bill Clinton bei seinem Wahlsieg 1992 beraten hatte, empfahl einen "strategischen politischen Rückzug": "Lasst die Republikaner unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen und sorgt dafür, dass die Amerikaner uns vermissen", schrieb Carville in einem Gastbeitrag der "New York Times".

Sollte die Partei tatsächlich diese Strategie verfolgt haben, dürfte sie bisher nicht erfolgreich gewesen sein: Eine Umfrage des Forschungsinstituts SSRS für den Nachrichtensender CNN ergab im März, dass die Zustimmungsrate für die Demokratische Partei bei 29 Prozent lag – und damit so tief wie zuletzt 1992.

Innerhalb der Bevölkerung wird weiter bemängelt, dass die Demokraten offenbar bislang nicht begriffen haben, dass sie nicht mehr die Regierungspartei sind: 57 Prozent der Wähler sprachen sich im März in der Umfrage von SSRS und CNN dafür aus, dass die Partei stärker gegen die Republikaner arbeitet, anstatt mit ihr nach Kompromissen zu suchen.

Ähnlich sieht es auch US-Experte Sirakov: Es bringe der Partei aktuell wenig, nach Gemeinsamkeiten mit den wenig rational agierenden Republikanern zu suchen. "Die Demokraten sollten das Bild der vernünftigen, mitregierenden Partei ablegen. Sie müssen jetzt oppositionelle Politik machen."

"Ein Weckruf an die Partei"

Anzeichen für ein Umdenken gibt es aber: Als Beispiel nennt Sirakov die jüngste Dauerrede von Cory Booker im Senat. Der Demokrat stellte zuletzt einen Rekord auf, indem er 25 Stunden am Stück im Kongress eine Rede hielt. Faktisch konnte Booker damit die Prozesse im Senat lediglich verlangsamen. Sirakov hält die Aktion trotzdem für sinnvoll: "Klar ist das auch destruktiv. Aber es war auch ein Weckruf an die Partei, dass sie sich als Opposition begreifen muss."

Der Protest der Partei müsste allerdings nicht im Kongress enden: Anhänger der Demokraten kritisieren auch, dass bislang eher zaghaft öffentlichkeitswirksame Proteste gegen die Trump-Regierung organisiert wurden.

Ausnahmen waren bislang gemeinsam Auftritte des Senators Bernie Sanders mit der linken Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez: Beide werfen der Trump-Regierung vor, aus den USA eine Oligarchie zu machen. Anfang April kam es dann zu den ersten landesweit größeren Protesten, an denen in allen 50 Bundesstaaten an 1.400 Orten Menschen gegen Trump auf die Straße gingen.

Landesweit wurde die Teilnehmerzahl auf mehrere Millionen geschätzt. Einen ähnlich großen Aufmarsch gab es bereits zur ersten Amtszeit von Trump mit dem sogenannten Women's March. Dieser fand damals allerdings nicht erst einige Monate nach seiner Amtseinführung statt, sondern am 21. Januar 2017 – dem Tag, nachdem Trump zum ersten Mal die Geschicke im Weißen Haus übernommen hatte.

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Auch US-Experte Sirakov sieht insgesamt, dass die Proteste während Trumps erster Amtszeit deutlich größer ausfielen. Dahinter liege aber ein gravierenderes Problem: "Der Partei fehlt eine aktivistische Führung." Gemeint ist damit, dass den Demokraten eine Führungsfigur fehle, die auch ideologisch die Richtung vorgibt und die Anhänger mobilisieren kann.

Wo dieses ideologische Zentrum liegt und wer es am besten vertreten kann, ist derzeit jedoch offen: Während Politiker wie Sanders oder Ocasio-Cortez die Partei nach links rücken wollen, versuchen andere einflussreiche Stimmen wie der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom eher konservativere Amerikaner anzusprechen: Der Demokrat erregte zuletzt etwa Aufsehen, als er in seinem Podcast mit rechtsextremen Vordenkern wie Steve Bannon und Charlie Kirk sprach.

"Ich denke, dass es wichtig ist, schwierige Gespräche zu führen oder sogar ein ziviles Gespräch zu führen, das für die Leute vielleicht schwierig zu hören ist, weil jeder versucht, den anderen niederzumachen", begründete Newsom zuletzt die Wahl seiner Gesprächspartner.

"Zeit für neue Stimmen"

Erkennbar ist allerdings, dass es nicht nur einen Streit zwischen Politikern aus der Mitte und von links geben könnte, sondern auch zwischen neuen und arrivierten Kräften: Aktiv an einem Umbau der Partei arbeitet gerade der stellvertretende Parteichef David Hogg.

Der 25-Jährige hatte zuletzt eine 20 Millionen Dollar schwere Kampagne gestartet, die neue politische Stimmen unterstützen soll, um alteingesessene Demokraten in Vorwahlen herausfordern zu können. "Wir können die Mehrheit nicht zurückgewinnen, wenn wir das amerikanische Volk nicht davon überzeugen, dass unsere Partei etwas bietet, das nicht nur nicht Donald Trump, sondern wesentlich besser ist", sagte er. "Ich denke, es ist Zeit für neue Stimmen in unserer Partei."

Beobachter fürchten, dass die Initiative ein Vorzeichen für einen weiteren Richtungsstreit sein könnte: "Sollten wir nicht gegen die Republikaner antreten?", fragte etwa der Clinton-Berater Carville auf CNN, der den Demokraten einen vorübergehenden politischen Stillstand empfohlen hatte.

Wohin sich die Partei ideologisch in Zukunft bewegen wird, möchte David Sirakov aktuell nicht abschätzen. Er verweist dabei auf die Zwischenwahlen im November 2026, bei denen ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt werden. Anhand der Ergebnisse könne sich entscheiden, ob die Wähler eher Kandidaten der Mitte oder aus dem linken Lager der Demokraten bevorzugen.

Für die Präsidentschaftswahl 2028 sei es allerdings entscheidend, jemanden zu finden, der über die Lager hinweg Zuspruch erfahre. Sirakov traut das unter anderem den Gouverneuren Josh Shapiro, Gretchen Whitmer, Wes Moore oder J. B. Pritzker zu.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit David Sirakov

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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