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JD Vance bei der Sicherheitskonferenz in München: Kampfansage an Europa


US-Vizepräsident Vance in München
Eine nie dagewesene Provokation

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 14.02.2025 - 17:52 UhrLesedauer: 5 Min.
US-Vizepräsident JD Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz: "Hässliche Worte aus der Sowjetzeit".Vergrößern des Bildes
US-Vizepräsident J. D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz: "Hässliche Worte aus der Sowjetzeit". (Quelle: Leah Millis)
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Während die Münchner Sicherheitskonferenz über den Schutz vor Russland debattiert, verfolgt der US-Vizepräsident eine andere Agenda. J. D. Vance warnte nicht vor äußeren Feinden, sondern drohte den Europäern.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist seit Jahrzehnten eine Veranstaltung, bei der über externe Bedrohungen und die kollektive Verteidigung dagegen diskutiert wird. Doch ausgerechnet dort, kurz vor dem dritten Jahrestag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, hielt der US-Vizepräsident J. D. Vance eine Rede, die diese größte Gefahr seit dem Zweiten Weltkrieg ignorierte.

Die Rede von J. D. Vance platzierte damit nichts weniger als eine politische Bombe, mitten in einen Raum von Verbündeten. Während europäische Staats- und Regierungschefs hofften, die USA würden sich zur Sicherheit Europas äußern, weigerte sich der Vizepräsident, externe Bedrohungen überhaupt zu thematisieren.

Video | US-Vizepräsident Vance teilt bei Rede in München gegen Europa aus
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Quelle: reuters

Stattdessen konzentrierte sich Vance fast ausschließlich auf das, was er als "Bedrohungen von innen" bezeichnete. In Ton und Inhalt entsprach dies genau dem, was Donald Trump und J. D. Vance in den USA seit Monaten propagieren: einen erbitterten Kampf gegen politische Gegner und demokratische Institutionen. Und diesen Kampf trägt er jetzt nach Europa.

Eine Provokation der US-Regierung

Trumps Vizepräsident begann seine Rede mit einigen schmeichelnden Worten für die Gastfreundlichkeit der Deutschen, brachte seine Anerkennung der Bedeutung der Konferenz zum Ausdruck und sprach auch sein Beileid für das Attentat in München vom Vortag aus. Doch dann wechselte er schnell zu seinem eigentlichen Thema.

"Die Bedrohung, die mir in Bezug auf Europa am meisten Sorgen bereitet, ist nicht Russland, nicht China, und nicht irgendein anderer externer Akteur", sagte Vance. Was ihm stattdessen Sorgen bereite, sei "die Bedrohung von innen, der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte, Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt."


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Diese Erklärung war nicht nur unerwartet, sondern eine nie dagewesene Provokation. Mitten in einem Krieg auf europäischem Boden wies der zweithöchste Vertreter der US-Regierung Russland und China als primäre Bedrohungen zurück. Stattdessen konzentrierte er sich durchweg auf interne politische Entwicklungen in Europa und insbesondere in Deutschland, wo in wenigen Tagen die Bundestagswahl stattfindet.

Einmischung in die europäische und deutsche Demokratie

J. D. Vance nutzte damit die Münchner Sicherheitskonferenz, um sich in den demokratischen Prozess von einem der wichtigsten Verbündeten der USA einzumischen, etwas, das es bis dahin noch nie gegeben hat. Er verwies auf angeblich wachsende autoritäre Tendenzen bei europäischen Regierungen und suggerierte, dass Europa sich in Richtung einer repressiven Politik bewege.

Er verdrehte dabei konsequent die Fakten: Etwa wenn er behauptete, mit "hässlichen Begriffen aus der Sowjetzeit" würden in Europa Worte wie "Misinformation" und "Desinformation" verwendet. In den USA dagegen werde befürchtet, dass sich dahinter in Wahrheit "fest verwurzelte Interessen verstecken", um alternative Meinungen zu unterdrücken, um damit letztlich sogar Wahlen zu manipulieren.

Der Vizepräsident ging noch weiter: Er warf den europäischen Regierungen vor, aktiv die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. So kritisierte er die EU und einzelne europäische Staaten für ihre Bemühungen, Online-Desinformation und Hassrede zu regulieren: "Ich blicke nach Brüssel, wo EU-Kommissare die Bürger warnen, dass sie beabsichtigen, soziale Medien in Zeiten ziviler Unruhen einfach abzuschalten, sobald sie das entdecken, was sie als 'hasserfüllten Inhalt' werten", beklagte Vance.

 
 
 
 
 
 
 

Seine Behauptungen waren dabei Teil einer breiteren Strategie, Europas demokratische Regierungen als Feinde der Meinungsfreiheit darzustellen, während diese in Wirklichkeit versuchen, den realen Gefahren von Online-Radikalisierung und Desinformation entgegenzuwirken. Er behauptete weiter, die Polizei in Deutschland führe Razzien gegen Bürger durch, weil sie diese verdächtigten, antifeministische Kommentare online gepostet zu haben, im Rahmen der "Bekämpfung von Frauenfeindlichkeit im Internet", so Vance. In Wahrheit ging die deutsche Polizei vergangenes Jahr gegen Straftaten vor, wie etwa Aufforderungen zum Versenden von Nacktfotos oder gar um die Verbreitung von Folter- und Tötungsvideos.

Während Vance in München den Anwalt für Meinungsfreiheit gab, hat sich in Washington längst ein handfester Medienskandal entfaltet. Denn die Trump-Regierung verwehrt der größten amerikanischen Nachrichtenagentur AP aktuell den Zugang zu wichtigen Presseterminen im Weißen Haus. Der Grund: AP spricht in seiner Berichterstattung nach wie vor vom "Golf von Mexiko". Das Weiße Haus will die Journalisten mit Repressalien aber dazu bringen, vom "Golf von Amerika" zu schreiben – und damit einer von Trump verfügten Umbenennung des Meeres Folge zu leisten.

Verbreitung von Falschinformationen

Vance kommentierte dann auch noch die Wahlen in Rumänien, in die sich Russland massiv eingemischt und diese nachweislich manipuliert hatte. Der Vizepräsident empörte sich aber nicht über Wladimir Putin, sondern über den früheren EU-Kommissar Thierry Breton. "Ich war erstaunt, dass ein früherer EU-Kommissar kürzlich im Fernsehen auftrat und begeistert darüber sprach, dass die rumänische Regierung gerade eine gesamte Wahl annulliert hatte", so Vance. Er unterstellte Breton in München, das Gleiche auch für Deutschland zu planen.

Der Amerikaner verstärkte damit rechte Erzählungen, die sich auf Aussagen Bretons beziehen. In einem Interview hatte dieser im Januar gesagt, Europa solle "Gesetze durchsetzen, wenn die Gefahr besteht, dass sie umgangen werden, und zu Einmischung führen können, wenn sie nicht durchgesetzt werden." Eigentlich eine Selbstverständlichkeit in einem Rechtsstaat. Insbesondere Elon Musk hatte das aber auf den Plan gerufen. Wütend beschimpfte er Breton als "Tyrannen von Europa".

Amerikas rechtsextreme Strategie wird globalisiert

Der vielleicht aufschlussreichste Moment der Rede kam dann, als J. D. Vance eine direkte Einladung an europäische Populisten aussprach: "So wie die Biden-Administration verzweifelt versucht hat, Menschen zum Schweigen zu bringen, die ihre Meinung äußern, so wird die Trump-Administration genau das Gegenteil tun. Und ich hoffe, dass wir dabei zusammenarbeiten können."

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Auch wenn Vance die AfD und andere Parteien nicht beim Namen nannte, war dies eine klare Aufforderung an europäische populistische Anführer, sich mit der ideologischen Haltung der Trump-Vance-Administration gemein zu machen und eine transatlantische Allianz der radikalen Rechten zu bilden. Der amerikanische Vizepräsident ging damit über seine Kommentierungen zur europäischen Demokratie hinaus. Er ermutigte damit, Widerstand gegen liberale Regierungen in ganz Europa zu leisten.

Migration als politisches Druckmittel

Vance wiederholte Trumps Einwanderungs-Rhetorik und behauptete, dass die Sicherheitskrise Europas größtenteils selbst verschuldet sei: "Heute stammt fast jeder fünfte in diesem Land lebende Mensch aus dem Ausland", sagte Vance. Dass die USA ein Land sind, das fast ausschließlich aus Einwanderern besteht, ließ er dabei unter das Rednerpult fallen.

Vance verknüpfte Migration eins zu eins mit Gewaltverbrechen und bezog sich dabei auch auf das Attentat in München. Den europäischen Führern warf er zugleich vor, die Sorgen ihrer Bürger zu ignorieren: "Wie oft müssen wir diese entsetzlichen Rückschläge noch erleiden, bevor wir den Kurs ändern?", fragte er.

Bedrohungen aus dem Herzen des eigenen Bündnisses

Vance kombinierte seine Vorwürfe zur Migration mit denen zur angeblichen Zensur und Wahlmanipulation. Sein Tenor: Die herkömmlichen Parteien und Regierungen hätten versagt. Es sei Zeit, endlich so zu wählen, wie es der Trump-Regierung gefällt.

Erstmals müssen sich die Europäer nun wohl ernsthaft fragen, ob neben den externen Gefahren wohl auch interne Bedrohungen auf sie zukommen – und zwar aus dem Herzen des eigenen transatlantischen Bündnisses. Denn anders war die Rede von Vance kaum zu verstehen: Die US-Regierung droht den Europäern, entweder nach den neuen Regeln Amerikas zu spielen oder die Unterstützung zu verlieren.

Verwendete Quellen
  • Livestream der Rede von JD Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz
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