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Tucker Carlson: Donald Trumps Sprachrohr zu Gast bei Putin


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Zu Gast bei Putin in Moskau
Glaubt Carlson das, was er erzählt?


Aktualisiert am 09.02.2024Lesedauer: 5 Min.
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Carlson in Moskau: Der EX-Fox-Moderator gilt als einer der Treiber der Polarisierung in den USA. (Quelle: IMAGO/Ilya Pitalev/imago-images-bilder)
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Als bekannter TV-Moderator befeuert Tucker Carlson regelmäßig die Lügen von Ex-Präsident Trump. Dem Kreml gefällt das: Als erster westlicher Journalist seit Beginn des Ukraine-Krieges darf er Putin treffen. Wer ist dieser Mann?

Tucker Carlsons Rückkehr auf die Bildschirme der Massen ließ nicht lange auf sich warten: Am 9. Mai 2023, nur zwei Wochen nachdem ihn der US-Sender Fox News entlassen hatte, veröffentlichte der 54-Jährige auf seinem Twitter-Account ein Video: Carlson, blaugraues Karohemd, den oberen Knopf geöffnet, steht darin in einem Raum mit holzverkleideten Wänden. "Die Nachrichten, die Sie konsumieren", sagt er, "sind eine Lüge. Sie werden manipuliert." Bei "allen wichtigen Geschichten", erklärt Carlson, hielten Medien wichtige Details zurück, um ihre Leser, Zuschauer und Zuhörer zu manipulieren.

Tucker Carlson ist einer der erfolgreichsten US-amerikanischen Nachrichtenmoderatoren, er gilt als Sprachrohr Donald Trumps. Seine Wutrede auf die etablierten Medien wurde auf Twitter 138 Millionen Mal gesehen. Seitdem lädt er dort regelmäßig Videos hoch, oft mit bekannten Gesprächspartnern, etwa dem frauenfeindlichen Influencer Andrew Tate oder Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán.

Am Dienstag verkündete Carlson seinen neuesten Coup: Er werde Wladimir Putin interviewen – als erster westlicher Journalist seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Am Mittwoch bestätigte der Kreml das Interview. "Seine Position ist anders als die der anderen. Sie ist keineswegs prorussisch, sie ist nicht proukrainisch – sie ist proamerikanisch, aber zumindest steht sie im Gegensatz zu der Position der traditionellen angelsächsischen Medien", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Video | So wird Tucker Carlson vom Kreml hofiert
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Quelle: t-online

Carlson hat erreicht, was Medienhäuser fürchten und wovon Journalisten träumen: Er ist seine eigene Marke geworden. Er braucht keinen Sender mehr, seine über elf Millionen Follower auf Twitter reichen als Plattform, um die Massen zu erreichen. Wie hat er das geschafft? Und wer ist dieser Mann, der seine Laufbahn einst als Faktenchecker für eine konservative Zeitschrift begann und nun vor einem Millionenpublikum rechtsextreme Verschwörungstheorien befeuert?

Ein Sprachstil, wie man ihn sonst nur von Sportkommentatoren kennt

Zu Beginn seiner Fernsehlaufbahn versuchte sich Carlson, Sohn eines Journalisten und späteren Bankers, als halbwegs seriöse, konservative Stimme im Mediengeschäft. Ab 2001 wurde er Moderator der Debattenshow "Crossfire" bei CNN, nachdem seine eigene Show auf dem Sender nach nur einem Jahr eingestellt worden war. Bei MSNBC, dem Sender, den Trump-Anhänger heute als "Kommunisten-Channel" verspotten, bekam Carlson später erneut eine eigene Sendung.

Seinen Sprachstil mit Hang zur Übertreibung und Zuspitzung, wie man ihn sonst nur von amerikanischen Sport-Kolumnisten kennt, hatte Carlson schon damals. 2003, da war er gerade einmal 34 Jahre alt, veröffentlichte Carlson seine Memoiren. Darin reflektiert er auch die Rolle politischer Kommentatoren. Diese müssten sich, so Carlson, klar und eindeutig zu politischen Themen positionieren, selbst wenn sie an ihrer eigenen Meinung zweifeln. "Differenziertheit", schreibt er darin, "ist der Feind einer klaren Debatte."

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In seiner Karriere inszeniert sich Carlson stets als einfacher Bürger. Wo andere Spitzen-Moderatoren mit gebleichten Zähnen, Maßanzügen und gestriegelten Frisuren durch ihre Sendungen führen, erinnert Carlson mit seiner Kombination aus Blazer, Karohemd, Krawatte und buschigen Haaren an einen Schuljungen, der sich für den jährlichen Fototermin herausgeputzt hat. Carlson gibt sich als Stimme des Volkes. "Der Typ lebt wie ein König. Auf die Kosten unseres Planeten", echauffierte sich Carlson 2007 über den Umweltaktivisten und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Al Gore, als dieser mit dem hohen Energieverbrauch seiner Villa Schlagzeilen machte.

Politische Nachrichten im Stil einer Late Night Show

Mit Carlsons Wechsel zum Sender Fox News 2009 begann auch seine Radikalisierung. Für den konservativen Nachrichtensender wurde Carlson politischer Kommentator. Und, nach anfänglicher Skepsis, einer der stärksten Befürworter Donald Trumps in der US-Medienwelt. Nach Trumps Wahlsieg 2016 bekam Carlson die Show, mit der er Rekorde brechen sollte: "Tucker Carlson Tonight". Darin sprach der Journalist über politische Themen im Stile eines Late-Night-Show-Moderators. Das Konzept zog: Die Sendung stieg zum meist geschauten Nachrichtenformat des Landes auf.

Die Welt, die Tucker Carlson seitdem in seinen Sendungen zeichnet, ist schwarz und weiß. Es gibt in ihr die Bösen, ein wokes, linksextremes Establishment. Dazu zählt Carlson die Demokratische Partei, die LGBTQ+-Bewegung, Black Lives Matter. Auf der anderen Seite gibt es die Guten – allen voran Donald Trump – die sich gegen die linke Meinungsdiktatur auflehnen. Er hofiert diejenigen, die verhindern wollen, dass die USA von illegalen Einwanderern überrannt werden und queere Ideologen die Köpfe US-amerikanischer Kinder infiltrieren.

Er verbreitete Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl

Doch der Journalist radikalisierte sich weiter: Während der Corona-Pandemie prahlte Carlson damit, ungeimpft zu sein. Anthony Fauci, Chef-Epidemiologe des Landes, beschimpfte er als Verbrecher. Den Sturm auf das US-Capitol am 6. Januar 2021, bei dem fünf Menschen starben, nannte er ein "größtenteils friedliches Chaos". Zuvor hatte Carlson selbst Joe Biden unterstellt, Donald Trump den Wahlsieg gestohlen zu haben.

Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nannte er außerdem einen "Diktator" und eine "Marionette Joe Bidens". Dazu verbreitete er die Verschwörungserzählung des Kreml, die USA würden Biowaffenlabore in der Ukraine betreiben. Carlsons russlandfreundliche Äußerungen sollen ein Grund dafür gewesen sein, weshalb ihn Fox News im April 2023 letztlich feuerte.

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Dass Carlson offene Falschnachrichten verbreitet, ist allerdings die Ausnahme. Vielmehr dreht er Geschichten so um oder lässt wichtige Details aus, sodass sie in seine eigene Erzählung passen, gerne auch durch Ironie.

Glaubt Carlson das, was er erzählt, selbst?

Oft stellt Carlson auch "einfach nur Fragen", dieser rhetorische Kniff ist zu seinem Markenzeichen geworden. "Bringt er meinen Kindern bei, Rassendiskriminierung zu befürworten?", fragte Carlson etwa in Bezug auf Wladimir Putin. Das Vervollständigen der Antwort ("nein, das tun nur woke Lehrer, die sich überbordend für die Rechte der schwarzen Bevölkerung einsetzen") überlässt er oft seinen Zuschauern.

Glaubt Carlson das, was er seinem Publikum erzählt, alles auch selbst? Zumindest legt eine Reihe privater Chats, die im Zuge eines Gerichtsverfahrens veröffentlicht wurden, nahe, dass Tucker seinen Zuschauern gegenüber nicht immer ganz offen ist. So schrieb er kurz nach Bidens Wahlsieg, dass es "nicht genug" Wahlbetrug gegeben habe, um das Ergebnis nachträglich zu ändern. Drei Tage später, in seiner Show, erklärte er hingegen, es gebe "berechtigte Sorgen" über die Echtheit der Wahl. Die Jahre unter Donald Trumps Präsidentschaft nannte Carlson in einer Chatnachricht ein "Desaster" und dass er es kaum erwarten könne, ihn bald ignorieren zu dürfen. "Ich hasse ihn leidenschaftlich."

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Und so muss sich Carlson von seinen Kritikern den Vorwurf gefallen lassen, den er sonst so gerne gegen die Bösen in seiner Welt erhebt: Ein Heuchler zu sein, der es mit der Wahrheit nicht ganz so genau nimmt.

Seinen Rauswurf bei Fox scheint er gut verkraftet zu haben. Alle paar Tage veröffentlicht Carlson auf der Social-Media-Plattform X neue Videos, sie werden millionenfach geklickt. Dass er nun Wladimir Putin vor die Kamera bekommen hat, dürfte für ihn ein weiterer Beleg sein: Seine Strategie zieht.

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