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Zum journalistischen Leitbild von t-online.US-Präsident Biden in Not Das Drama nimmt seinen Lauf
Joe Biden versucht händeringend, aus dem Umfragetief zu kommen. Doch das Drama um seinen Sohn Hunter Biden eskaliert erneut. Das Schweigen des Präsidenten wird zur Last.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Als der Präsident am Abgrund steht, soll er vom neuen Eklat um seinen Sohn noch nichts gewusst haben. So zumindest lautet die Version aus dem Weißen Haus. Und die ist wichtig für die eingeschlagene Strategie, sich in diese Angelegenheiten nicht einmischen zu wollen. Am Freitag wurde bekannt, dass die rechtlichen Probleme Hunter Bidens eine neue Eskalationsstufe erreichen. Und, dass damit auch die politischen Probleme Joe Bidens kein Ende nehmen.
Dabei war der Präsident Anfang dieser Woche nach Arizona geflogen, um zu tun, was Präsidenten gerne tun. Direkt am Abgrund des Grand Canyon sollte es schöne Bilder mit ihm geben. Biden weihte ein neues "National Monument" ein. Das gerade erst ausgewiesene, rund 4.000 Quadratkilometer große Naturgebiet soll fortan geschützt und der Abbau von Uran hier eingeschränkt werden. Das Areal wurde einst den Havasupai, einem Stamm von Ureinwohnern Amerikas, geraubt. Es gilt ihnen bis heute als heilig.
Für den Demokraten Joe Biden war dieser Termin wichtig, auch wenn es viel um Symbolik geht. Als erster Präsident der Vereinigten Staaten hat er mit Deb Haaland eine Nachfahrin von Ureinwohnern zur Ministerin gemacht. Die Stimmen amerikanischer Ureinwohner bei Wahlen sind wichtig. Die Wählergruppe hatte bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen etwa entscheidend zum ersten Sieg der Demokraten in Arizona seit 1996 beigetragen und sicherte Biden damit den Weg ins Weiße Haus.
Das Drama nimmt seinen Lauf
Aber so gut die Woche für den Präsidenten starten sollte, so miserabel endete sie. Denn sie weist auf einen politischen Abgrund, dem Biden offensichtlich einfach nicht entkommen kann. Grund ist einmal mehr sein Sohn Hunter Biden. Dabei hätte eine für den Präsidenten extrem lästige Angelegenheit vor rund zwei Wochen endlich beendet werden sollen.
Hunter Biden sollte sich eigentlich vor einem Bundesgericht in Delaware wegen Steuerhinterziehung schuldig bekennen. Dafür wären die vielen, bereits seit 2019 laufenden, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Der Deal aber platzte, weil bei der zuständigen Richterin Zweifel aufkamen.
Und jetzt nimmt das Drama um Hunter Biden scheinbar so richtig Fahrt auf. Denn Joe Bidens Justizminister Merrick Garland verkündete am Freitag in seiner gleichzeitigen Funktion als Generalstaatsanwalt, einen Sonderermittler für weitere Untersuchungen gegen Hunter Biden einzusetzen. Der für die Ermittlungen von Anfang an zuständige Staatsanwalt David Weiss hatte Garland um diesen Schritt gebeten.
Weiss, der eigentlich den Deal mit Hunter Bidens Anwälten ausgehandelt hatte, sagt jetzt, seine Ermittlungen hätten "ein Stadium erreicht", in dem er seine Arbeit besser als Sonderermittler fortsetzen sollte.
Was genau David Weiss, ein einst von Donald Trump ernannter Staatsanwalt, zu dieser durchaus überraschenden neuen Einschätzung bewogen hat, ist derzeit unbekannt. Was rechtlich daraus folgt, ist Sache seiner sich nun ausweitenden Ermittlungen. Politisch aber sind Folgen bereits jetzt klar. Der Fall Hunter Biden wird seinen Vater weiter beschädigen.
Ermittlungen gegen Sohn als Chance für Joe Biden
Zwar bietet der Einsatz eines Sonderermittlers auch eine Chance für das Weiße Haus. Denn Donald Trump und die Republikaner behaupten immer wieder, Joe Biden würde die ebenfalls laufenden Ermittlungen des Justizministeriums gegen Trump als politische Waffe einsetzen, um sich seines möglichen Konkurrenten bei den Präsidentschaftswahlen zu entledigen.
Leicht kann die Biden-Administration jetzt darauf verweisen, man stehe dem Justizministerium komplett neutral gegenüber und mische sich nicht ein. Sogar Ermittlungen gegen den eigenen Sohn würde man darum natürlich zulassen und auf einen unabhängigen Rechtsstaat vertrauen. Darum ist es für die Kommunikation auch so entscheidend, dass Joe Biden von der schlechten Nachricht nicht schon vorher erfahren haben soll. Einige Republikaner behaupten bereits ein solches Kalkül und erklärten umgehend ihr Misstrauen gegenüber der Ernennung des Sonderermittlers durch Merrick Garland.
Der politische Schaden überwiegt
Tatsächlich aber dürften die nun auf unbestimmte Zeit andauernden Untersuchungen gegen Hunter Biden seinem Vater, rund ein Jahr vor der Endphase des kommenden Präsidentschaftswahlkampfs, vor allem schaden. Immer wieder wird Joe Biden mit seinen eigenen Aussagen konfrontiert werden.
"Mein Sohn hat nichts Falsches getan", sagte der Präsident noch im Frühjahr dem Fernsehsender MSNBC in einem Interview. "Ich habe Vertrauen in ihn und es wirkt sich auf meine Präsidentschaft insofern aus, als es mich stolz auf ihn macht", so Biden. Dabei ist erwiesen, dass Hunter Biden Fehler gemacht hat. Es stellt sich nur die Frage, wie viele, wie schwerwiegend und, ob Joe Biden davon wusste.
Zwar ist es historisch einmalig, dass mit seinem politischen Widersacher Donald Trump ein ehemaliger US-Präsident gleich in zwei Fällen ebenfalls von einem Sonderermittler verfolgt und angeklagt wird. Dass das Kind eines Präsidenten Gegenstand von Sonderermittlungen ist, bleibt aber auch vergleichsweise ungewöhnlich und eine schwere Hypothek.
Hinzu kommt, dass die Republikaner im Kongress nicht locker lassen und sich täglich bemühen, Belege dafür zu finden, dass Joe Biden über umstrittene Geschäftsbeziehungen seines Sohnes zur Zeit der eigenen Vizepräsidentschaft Bescheid wusste. Der Präsident beteuert stets, er habe sich mit Hunter über solche Dinge nicht ausgetauscht. Sollten an dieser Behauptung Zweifel aufkommen, wäre das noch kein Verbrechen, aber politisch ein Debakel. Besonders, wenn es darum gehen soll, unentschlossene Wählerinnern und Wähler zu überzeugen.
Sprachloser Präsident
Donald Trump selbst ließ während seiner Präsidentschaft die eigene Familie sich in Angelegenheiten des Weißen Hauses einmischen. Genannt sei etwa das Engagement seines Schwiegersohns Jared Kushner im Nahen Osten. Doch geschickt gelingt es Trump inzwischen seit vielen Jahren anhand des Falls von Hunter Biden, Argwohn gegen korrupte Eliten von Washington zu säen, die doch nur in die eigene Tasche wirtschaften würden.
Vom Einsatz des Sonderermittlers gegen Hunter Biden scheint Trump dennoch überrascht worden zu sein. Ob das am Ende ein Vorteil oder Nachteil für ihn sein wird, stellt sich ihm wohl als unklar dar. Der sonst nie um eine Attacke verlegene Ex-Präsident verkniff sich nach der Verkündigung zunächst einen Kommentar und schwieg. Vielleicht war er aber an diesem Tag auch zu sehr mit Golfen in Bedminster und seinen guten Umfragewerten beschäftigt. Später wetterte er gegen den Sonderermittler David Weiss, der als Staatsanwalt gar nicht von ihm eingesetzt worden sei. Eine Behauptung, die nachweislich falsch ist.
Am Abgrund in Arizona findet Joe Biden ebenfalls keine Worte, zumindest nicht zu diesem für ihn heiklen Thema. Dort gibt er dem "Weather Channel" ein Interview, einem der meist gesehenen Fernsehsender des Landes. Aber es ist eben kein politischer Kanal, in dem ihm kritische Nachfragen gestellt werden könnten.
Es bleibt dabei: Wie kaum ein Präsident vor ihm meidet Joe Biden Pressekonferenzen oder Live-Interviews mit Journalisten. Die Strategie lautet stets Abtauchen oder Abstreiten. Zu groß ist die Sorge im Weißen Haus, der für seine Aussetzer inzwischen bekannte Joe Biden könnte sich, die Regierung und die ganze kommende Wahlkampagne in die Bredouille bringen. Aber auch so wird der Abgrund namens Hunter kaum verschwinden. Egal, wie die Ermittlungen für ihn ausgehen. Dafür werden Trump und die Republikaner sorgen.
- Eigene Recherchen