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USA blicken auf Olaf Scholz: Chaos-Kanzler oder cooler Stratege?


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Scholz und die USA
Cooler Stratege oder Chaos-Kanzler?

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 01.02.2023Lesedauer: 5 Min.
Diplomatisches Geschick oder gestörtes Verhältnis? Bundeskanzler Olaf Scholz beim Besuch in Washington (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Diplomatisches Geschick oder gestörtes Verhältnis? Bundeskanzler Olaf Scholz beim Besuch in Washington (Archivbild). (Quelle: Anna Moneymaker)
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Die Panzerlieferungen an die Ukraine sieht Olaf Scholz als Beweis für seine strategische Schläue. In den USA gibt es einen anderen Eindruck: Dort gilt der Kanzler als der Verursacher von Chaos.

Vertraut mir, ich habe alles im Griff. Lasst Euch nicht vom Gerede stören. Ihr werdet schon sehen, dass ich recht behalte. So lautet, vereinfacht, das Selbstbild von Olaf Scholz. Genau nach diesem Motto ging der Kanzler auch bei der Panzerlieferung an die Ukraine vor.

Dass diese Selbstwahrnehmung des Kanzlers nicht immer der Realität entspricht, zeigt eine interne Nachricht, die zu einem besonders brenzligen Zeitpunkt verschickt wurde und die t-online vorliegt.

Es ist der vergangene Dienstag. Gegen 17 Uhr verschickt das Auswärtige Amt in Berlin an alle deutschen Auslandsvertretungen – also Botschaften, Generalkonsulate und Konsulate – eine offizielle Sprachregelung für Diplomaten. "Die Bundesregierung hat zur Frage der Lieferung von Kampfpanzern aus Deutschland noch keine Entscheidung getroffen", heißt es darin unzweideutig. Verschlusssache für den Dienstgebrauch. Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Auch in der deutschen Botschaft in Washington liest man das Kommuniqué.

Das Problem: Zum Zeitpunkt des Versendens hatten die USA bereits durchsickern lassen, Abrams-Panzer an die Ukraine liefern zu wollen. Auch der Kanzler muss zu diesem Zeitpunkt längst entschieden haben, den Weg auch für deutsche Leopard-Panzer freizugeben. Denn um 18.31 Uhr veröffentlichte der "Spiegel" die entsprechende Meldung. Schnell musste das Auswärtige Amt die Sprachregelung wieder zurückziehen.

Hektik und genervte Beamte in den zuständigen Abteilungen des Außenamtes. Man fühlte sich übergangen. Ausgerechnet Baerbocks künftiger Botschafter in Washington, der bisherige Staatssekretär Andreas Michaelis, hatte die überholte Sprachregelung noch abgesegnet.

Nach t-online-Informationen stand das Auswärtige Amt zu diesem Zeitpunkt unter strikter Weisung des Bundeskanzleramtes. Auf gut Deutsch heißt das: Klappe halten. Besonders nachdem die Außenministerin im französischen Fernsehen gesagt hatte, Deutschland werde die polnische Regierung nicht blockieren, falls die Leopard-Panzer schicken wolle.

Scholz stiftet Chaos

Wir haben noch nicht entschieden, wir haben entschieden – wie kann so ein Widerspruch binnen 90 Minuten passieren? Möglichkeiten gibt es viele, etwa eine notorisch schlechte Abstimmung zwischen Scholz und seiner Außenministerin Baerbock.

Fehler können immer passieren. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass der kommunikative Fauxpas auch damit zu tun hat, dass Scholz gern einsame Entscheidungen trifft – und dabei eben nicht allwissend ist, sondern auch selbst mal von Entwicklungen überrumpelt wird. Denn die Lesart des vergangenen Dienstags lautet zugespitzt so: Baerbock und ihr Ministerium wussten nicht, was Scholz wusste. Und auch Scholz scheint von Washington erst sehr kurzfristig ins Bild gesetzt worden zu sein.

Sowohl koalitionsintern als auch im transatlantischen Verhältnis herrschte in der Panzerfrage Chaos. Aber die Lesart des Kanzleramts lautet: Scholz hat mit diplomatischer Raffinesse erreicht, dass die Amerikaner Panzer liefern. Der Ukraine sei damit mehr geholfen als nur durch deutsche Leopard-Panzer. Garniert wird diese Geschichte von der Erzählung, es habe die Scholz'sche Bedingung gar nicht gegeben, Leopard-Panzer nur zu liefern, wenn die USA Abrams zusagen.

Zähes Ringen bis zum Schluss

In Washington geht die Erzählung anders: Laut Berichten von "Washington Post" und "New York Times" versuchte Bidens Regierung bis zum Schluss, den Kanzler von einem anderen Plan zu überzeugen. Statt Abrams sollte es Schützenpanzer geben. Aus Sicht des Pentagons waren sie die sinnvolle Ergänzung zu den Leoparden. Je weniger verschieden die Systeme, desto besser für die Ukraine.

Wenigstens die Leopard-Freigabe für andere Staaten wollte das Weiße Haus dem Kanzler mit diesem Argument abringen. Dann aber brachte auch die Konferenz in Ramstein keinen Fortschritt.

Während Berlin stur blieb und prüfen wollte, ging es in Washington immer chaotischer zu. So viel telefoniert wurde selten zwischen den Alliierten. Die Zeit zu handeln wurde knapp, die Lage in der Ukraine immer brisanter. Der Druck auf Biden stieg, dem Kanzler eine Rampe für die Leoparden-Freigabe zu bauen. Die Stabilität des Bündnisses geriet in Gefahr.

Hektisch zimmerte man eine letzte diplomatische Möglichkeit. Und die sah so aus: An besagtem Dienstag genehmigt der US-Präsident die Lieferung von 31 M1 Abrams an die Ukraine. Ankommen werden sie erst in Monaten. Der Plan sickert durch und gelangt über das "Wall Street Journal" an die Öffentlichkeit. Berlin wird informiert. Der Kanzler lenkt ein, die Nachricht von der Scholz'schen Panzerwende gelangt an den "Spiegel".

Nach einer unter Bündnispartnern abgestimmten Entscheidung sieht das allerdings nicht aus. Das Weiße Haus geht in Vorleistung, das Kanzleramt reagiert. Biden lobt Scholz öffentlich, verneint auf Nachfrage, von ihm erpresst worden zu sein, und ringt sich ein Lächeln ab.

Kampf um die wahre Deutung

Die deutsche Opposition ärgert sich über die Selbstgefälligkeit im Kanzleramt. CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter sagte t-online: "Im Grunde wollte Scholz keine Kampfpanzer liefern. Darum war er überrascht, dass die USA es entgegen ursprünglicher Absichten wegen des russischen Vorgehens dennoch leisteten." Die Höflichkeit von Joe Biden diene nur dazu, "den Affront des Kanzlers zu kaschieren", so Kiesewetter. Es ist ein Kampf um die Deutung der Ereignisse.

Nach t-online-Informationen soll Scholz' außenpolitischer Berater Jens Plötner noch kurz vor der Abrams-Entscheidung des Weißen Hauses nach Washington geflogen sein, wo ihm der sogenannte "Riot Act" vorgelesen worden sei. Dieses Vorgehen ist ein außergewöhnlich deutliches diplomatisches Mittel, um das Missfallen der US-Regierung auszudrücken. Bestätigen wollte das Kanzleramt die Reise von Plötner auf Nachfrage von t-online nicht.

Für Kiesewetter ist die Sache klar: "Das ist kein Erfolg für den Kanzler. Das ist ein Riesenärger". In dem Chaos sehe er vielmehr einen Erfolg für den US-Präsidenten: "Eigentlich hat Biden Scholz in die Panzerlösung gedrängt, nicht umgekehrt."

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Koalitionspolitiker wollen sich zu dem Thema nicht mehr äußern. Auch Scholz-Kritiker sind froh, dass die Sache durch ist. Man fürchtet aber die nächste Hängepartie. In Hintergrundgesprächen heißt es: Für den Kanzler werden immer erst die Ukraine und dann die USA in Vorleistung gehen müssen.

Bürde für das Bündnis

In den USA sind Regierungsbeamte überrascht. Die Deutschen hätten viel größere Sorgen wegen Russland, als man gedacht habe, heißt es. Das heißt: Gehen die USA in einer Waffengattung nicht selbst voran, zieht die Bundesregierung nicht mit. Das Kanzleramt nennt es Abstimmung. Im Weißen Haus bedeutet es Aufwand. Für das Bündnis ist es eine zunehmende Bürde.

Nach Einschätzung des US-Politikwissenschaftlers Jeffrey Rathke gibt es in der Panzerfrage keine Zweifel. Der Präsident des American Institute for Contemporary German Studies an der Johns Hopkins Universität in Washington sagt: "Keine Leopard-Panzer ohne amerikanische Abrams – das war die Position des Bundeskanzleramtes". Ob es das Scholz'sche "Junktim" gegeben habe oder nicht, spiele keine Rolle, so Rathke. Es sei auch unerheblich, ob das sicherheitspolitische Argument des Kanzlers stichhaltig sei oder nicht. Dass Abschreckung nur gewährleistet ist, wenn die USA und Deutschland im Gleichschritt vorangehen, sei die politische Realität.

Der Weg zur Panzer-Entscheidung sei "erkennbar holprig" gewesen. Beide Seiten hätten Informationen an die Presse gegeben. "Der Frust über den jeweils anderen Partner war offensichtlich da. Man versuchte, die Schuld dem Gegenüber zu geben", so Rathke. Schön sei das nicht, gerade unter Alliierten.

Die Panzerfrage sei schon Ende des vergangenen Sommers aufgekommen. "Die öffentlich sichtbaren Verstimmungen wären vermeidbar gewesen", sagt Rathke. Hätte der Bundeskanzler anders entschieden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Diverse Hintergrundgespräche
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