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Anschlag in Moskau: "Das lässt Putin dumm und nachlässig aussehen"


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Anschlag bei Moskau
"Das lässt ihn dumm und nachlässig aussehen"

  • David Schafbuch
InterviewVon David Schafbuch

23.03.2024Lesedauer: 4 Min.
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Wladimir Putin: Der Anschlag "lässt ihn dumm und nachlässig aussehen", sagt Peter R. Neumann. (Quelle: IMAGO/Mikhail Metzel/imago)

Was bedeutet der Anschlag in Russland für Wladimir Putin, aber auch für Europa? Terrorexperte Peter Neumann hat keinen Zweifel, dass der IS für die Tat verantwortlich ist.

Nach den tödlichen Angriffen in einer Konzerthalle nahe Moskau hat sich am Freitagabend der "Islamische Staat" zu den Angriffen bekannt. Mehr zu den Einzelheiten lesen Sie hier.

Doch was bedeutet der Anschlag konkret für Wladimir Putin und wie gefährlich ist der IS-Ableger nicht nur für Russland, sondern auch für Europa? t-online hat bei dem Terrorismusexperten Peter R. Neumann nachgefragt.

t-online: Herr Neumann, der "Islamische Staat" hat sich zu dem Anschlag nahe Moskau bekannt. Sie haben sehr schnell gesagt, dass Sie das Bekenntnis für authentisch halten. Was macht Sie da so sicher?

Peter Neumann: Wenn solche Schreiben tatsächlich vom IS kommen, werden im Internet die immer gleichen Kanäle genutzt. Gestern Abend wurde dieses Bekennerschreiben über alle einschlägigen Kanäle verbreitet. Der zweite Hinweis ist die Sprache: Der IS hat seine eigenen Codes. Man spricht zum Beispiel nicht von "Selbstmordanschlägen", sondern von "Märtyrern". In Moskau gab es keinen Selbstmordanschlag, dort hieß es dann: "Die Kämpfer haben sich in ihre Basen zurückgezogen." Das sind typische Formulierungen des IS. Dazu gibt es weitere Hinweise: Westliche Geheimdienste hatten zuvor vor solchen Anschlägen gewarnt. Auch die Art des Angriffs ähnelt sehr dem, was wir in der Vergangenheit vom IS gesehen haben.

Es wurden russischen Angaben zufolge bei den Verdächtigen auch Pässe aus Tadschikistan gefunden.

Auch das ist ein ganz starker Hinweis. Das ist genau das Land, in der dieser IS-Ableger ganz viele Leute in den vergangenen Jahren rekrutiert hat. Um es kurz zu machen: Alle Belege deuten auf den IS hin. Ich habe in meiner Karriere noch kein Schreiben gesehen, das eindeutiger dem IS zugeordnet werden konnte. Wäre Vergleichbares in Berlin oder Brüssel passiert, würde niemand die Verantwortung der Terrormiliz infrage stellen.

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(Quelle: M. Popow /imago-images-bilder)

Zur Person

Peter R. Neumann ist Professor für Sicherheitsstudien am King's College in London. Zu seinen Fachgebieten zählen etwa Radikalisierung, Terrorismus, Aufstandsbekämpfung und Nachrichtendienste. Zudem hat Neumann bereits mehrere Bücher über diese Themengebiete verfasst.

Konkret soll es sich, so vermutet es offenbar auch die US-Regierung, um den Ableger "Islamischer Staat Provinz Khorasan", kurz: ISIS-K oder IS-PK, handeln. Was muss man über diese Gruppierung wissen?

Sie kam ursprünglich aus Afghanistan. In den vergangenen Jahren hat die Gruppe aber stark expandiert, besonders in ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien. Aktuell ist IS-PK auch die einzige "Provinz", die Anschläge im Ausland vorantreibt. Anschläge in Wien oder Köln konnten zuletzt aber verhindert werden. Mit diesen Plänen versuchen sie, die Führerschaft innerhalb des IS zu erringen. Die anderen Ableger sind entweder zu schwach oder mit anderen Konflikten im Nahen Osten oder in Afrika beschäftigt.

Aus westeuropäischer Sicht kam der Anschlag in Russland von einer Islamistengruppe trotzdem eher unerwartet. Warum ist Russland ein potenzielles Ziel für eine solche Gruppierung?

Es gibt erst einmal keinen Grund, warum Russland kein Ziel sein sollte. Russland ist seit Jahrzehnten im Fadenkreuz. In westlichen Medien wird darüber allerdings selten berichtet, aber Russland ist ein Feind für Dschihadisten. Grundsätzlich ist ein solcher Anschlag also nichts Ungewöhnliches. Es ist noch weniger verwunderlich, wenn man bedenkt, dass viele der Kämpfer aus ehemaligen Sowjetrepubliken kommen und deshalb auch Russisch sprechen.

Anfang März gab es Warnungen von britischen und US-Geheimdiensten über mögliche Anschlagspläne im Raum Moskau. Der russische Präsident Wladimir Putin tat das als "westliche Erpressungen" und Versuche der Einschüchterung ab. Warum hat Russland diese Hinweise ignoriert?

Wir wissen nicht, ob Russland diese Hinweise tatsächlich nicht ernst genommen hat. Aber die Sicherheitsbehörden haben offensichtlich Fehler begangen. Vielleicht wollte Putin signalisieren, dass er nicht auf Hilfe aus dem Westen angewiesen ist. Wahrscheinlich haben ihm auch seine eigenen Leute gesagt, dass alles unter Kontrolle sei. Es kann natürlich auch sein, dass man durch die Präsidentschaftswahl und den Ukraine-Krieg etwas abgelenkt wurde.

Was bedeutet so ein Ereignis jetzt für Putin?

Für Putin ist der Anschlag natürlich hochnotpeinlich. Das lässt ihn dumm und nachlässig aussehen. Auch deshalb sehen wir in den vergangenen Stunden eine aggressive russische Desinformationskampagne. Es werden etwa Zweifel am Bekennerschreiben des IS gestreut. Auch will man die Schuld der Ukraine in die Schuhe schieben. Für den Kreml ist das ganz wichtig. Putin kann nicht zugeben, dass er die eigene Bevölkerung nicht vor Terroranschlägen schützen kann.

Kann er diesen Anschlag trotzdem noch für sich nutzen?

Ich glaube, dass man weiter versuchen wird, den Westen verantwortlich zu machen. Die Tatsache, dass die USA vor Anschlägen gewarnt haben, wird in Russland bereits als Indiz gewertet, dass der Westen an dem Vorfall beteiligt sei. Das ist total absurd.

Müssen wir jetzt davon ausgehen, dass auch in Deutschland um Umgebung die Terrorgefahr durch diese IS-Gruppe weiter steigt?

Auf jeden Fall. Die deutschen Sicherheitsbehörden haben sie allerdings auch vermehrt im Blick. Wenn Sie mit Leuten aus dem BND oder dem Verfassungsschutz sprechen, wird IS-PK sofort als größte Bedrohung genannt. Das ist seit zwei Jahren die Top-Terrorgefahr.

Herr Neumann, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Peter Neumann
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