"Führer sind nervös" Putsch-Welle: Überrollen Militär-Regime Westafrika?
In vier westafrikanischen Ländern hat das Militär in kürzester Zeit demokratisch gewählte Machthaber gestürzt – meist mit großer Unterstützung aus der Bevölkerung. Politiker sind in Furcht, Experten in großer Sorge.
Erst war es Mali, dann folgten der Tschad, erneut Mali, Guinea und schließlich Burkina Faso. Am Dienstag kam ein versuchter Staatsstreich in Guinea-Bissau dazu. Seit 18 Monaten kommen Putsche und Putschversuche in Westafrika und der Sahel-Region Schlag auf Schlag. Militärs reißen die Macht an sich und halten an ihr fest – die Rückkehr zur Demokratie bleibt ein leeres Versprechen.
Es werde immer deutlicher, dass ein erfolgreicher Umsturz den nächsten inspiriere, sagt Eric Humphrey-Smith, Analyst der Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft: "Es gibt keinen Zweifel, dass sich die westafrikanischen Führer nervös über die Schulter schauen."
Staatsstreich folgt auf Staatsstreich
Den Anfang machte Mali, wo im August 2020 Militärs den Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita stürzten. Im April 2021 starb im zentralafrikanischen Tschad Staatschef Idriss Déby Itno nach offiziellen Angaben bei militärischen Zusammenstößen mit Rebellen an der Front. Doch viele Experten vermuten, ein Staatsstreich stecke dahinter. Seitdem führen Débys Sohn Mahamat und ein Militärrat das Land.
Im Mai 2021 setzte das Militär in Mali dann den Übergangspräsidenten ab. Vier Monate später stürzte die Armee in Guinea Präsident Alpha Condé. Ende Januar dieses Jahres übernahmen meuternde Soldaten in Burkina Faso die Macht. Gut eine Woche später gab es einen Putschversuch in Guinea-Bissau gegen die Regierung von Präsident Umaro Sissoco Embaló.
Experte: Demokratische Führer haben enttäuscht
Auch Ulf Laessing, Leiter des Sahelprogrammes der Konrad-Adenauer-Stiftung, glaubt, bald könnten noch mehr demokratische Dominosteine in der Region fallen: "Das Risiko für weitere Putsche ist da". Die demokratisch gewählten Regierungen hätten die Erwartungen der Menschen nicht erfüllt, sagt Laessing. Je mehr der Unmut steige, desto größer sei die Gefahr einer gewaltsamen Machtübernahme, oft mit Befürwortung großer Teile der Bevölkerung. "Das ist ein wichtiger Realitätscheck für die schnell abnehmende Liste demokratischer Führer der Region", meint auch Humphrey-Smith.
Die Region leidet seit Jahren unter einer sich ständig verschlechternden Sicherheitslage. Viele Milizen, die zum Teil dem Islamischen Staat (IS) oder der Terrororganisation Al-Kaida die Treue geschworen haben, üben regelmäßig Anschläge aus. Die Regierungen haben in den wüstenartigen Weiten der Sahel wenig Kontrolle. Staatschefs wird Handlungsunfähigkeit vorgeworfen.
Die Armeen sind unzufrieden. Soldaten fühlen sich im Kampf gegen den Terror verfeuert. Sie arbeiten unter teilweise unhaltbaren Bedingungen, einschließlich schlechtem Lohn, mangelnder Ausrüstung, schäbigen Kasernen und unzureichenden Lebensmittelrationen.
Abgesehen von der prekären Sicherheitslage haben viele Länder Westafrikas und der Sahel mit langwierigen Dürren, Hungersnöten und weit verbreiteter Armut zu kämpfen. Dazu sorge tiefgreifende Korruption auf Regierungsebene für Verbitterung, erklärt Laessing von Konrad-Adenauer-Stiftung. So sei es kaum verwunderlich, dass die Armee als stärkere und bessere Variante zur zivilen Regierung angesehen werde.
Appelle von UN und EU werden ignoriert
Die Putsch-Welle wirft eine zentrale Frage auf: Geraten Demokratie und Stabilität der gesamten Region ins Wanken? Laessing meint ja: Allein aufgrund der sich dramatisch verschlechternden Sicherheitslage stehe die Region auf der Kippe. Die Wahrung der Demokratie sei für viele Bürger zweitrangig geworden.
Die internationale Gemeinschaft steht den Umstürzen eher hilflos gegenüber. Forderungen zur "Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung" von Seiten der UN und EU werden schlichtweg ignoriert. Auch Vermittlungsversuche und Sanktionen der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas zeigen wenig Erfolg. In Mali, beispielsweise, ist der ursprüngliche Zeitplan für demokratische Wahlen abgesagt. Frankreichs Botschafter verwies man diese Woche des Landes, nachdem Außenminister Jean-Yves Le Drian die Militärjunta kritisierte.
Deutschland auf dem Rückzug?
Die wachsende diplomatische Krise könnten auch den Kampf gegen den Terrorismus untergraben, der stark von Deutschland und Frankreich unterstützt wird, die dort Soldaten stationiert haben. Beide Länder unterstützen zusätzlich das Militär-Bündnis G5 Sahel in der Region. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian hat den internationalen Anti-Terror-Kampf in Mali bereits angezweifelt. Bis Mitte Februar will Frankreich mit seinen europäischen Partnern über die künftige Militärpräsenz dort beraten.
Auch in Deutschland wächst die Skepsis. Außenministerin Annalena Baerbock stellt nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" den Bundeswehr-Einsatz in Mali wegen zunehmender Spannungen mit der Militärjunta infrage.
- Nachrichtenagentur dpa