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Burkina Faso: Soldaten verkünden Machtübernahme im Fernsehen


Angst vor Instabilität
Militär putscht sich in Burkina Faso an die Macht

Von dpa, afp
Aktualisiert am 24.01.2022Lesedauer: 4 Min.
Roch Kabore: Der Aufenthaltsort des bisherigen Präsidenten von Burkina Faso ist derzeit unklar.Vergrößern des Bildes
Roch Kabore: Der Aufenthaltsort des bisherigen Präsidenten von Burkina Faso ist derzeit unklar. (Quelle: Russian Look/imago-images-bilder)

In Burkina Faso hat ein Offizier der Armee im Staatsfernsehen erklärt, das Militär habe den Präsidenten abgesetzt. Die Verfassung sei außer Kraft, meuternde Soldaten haben nun das Sagen.

Meuternde Soldaten haben im westafrikanischen Krisenstaat Burkina Faso Präsident Roch Marc Kaboré gestürzt und die Macht übernommen. Das teilte ein Sprecher der Putschisten im Staatsfernsehen mit. Die Regierung sei aufgelöst, die Verfassung außer Kraft gesetzt worden, sagte Sidsoré Kader Ouedraogo, der im Auftrag der Patriotischen Bewegung für den Schutz und die Wiederherstellung (MPSR) sprach.

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Man wolle Gewalt und Blutvergießen vermeiden, sagte Ouedraogo. Die MPSR werde bald bekannt geben, wie und wann Burkina Faso zur Demokratie zurückkehren werde. Die Grenzen des Landes blieben für mindestens vier Tage geschlossen, zudem gelte eine Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr.

Kaboré meldet sich bei Twitter zu Wort

Aus Sicherheitskreisen hatte es am Montagmorgen geheißen, der Präsident und weitere Mitglieder seiner Regierung seien festgenommen und in eine Kaserne in der Hauptstadt Ouagadougou gebracht worden. Aus Regierungskreisen hieß es jedoch später, es sei gelungen, den Staatschef am Sonntagabend vor der Ankunft der Soldaten aus seiner Residenz zu holen. Die Regierungspartei sprach dann von einem vereitelten Attentat auf den Staatschef und auf einen Minister. Der Aufenthaltsort von Kaboré blieb unbekannt. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP sah am Montagmorgen in der Nähe der Präsidentenresidenz drei Fahrzeuge mit Einschusslöchern. An einem davon waren Blutspuren zu sehen.

Am Montagnachmittag meldete sich Kaboré dann über Twitter zu Wort und bat die Soldaten, die Waffen niederzulegen und sich auf einen Dialog einzulassen. Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas und die Afrikanische Union erklärten, sie unterstützten die Regierung. Die US-Botschaft in Ouagadougou blieb "aufgrund der anhaltenden Sicherheitsbedenken" geschlossen.

Die Europäische Union forderte am Abend die sofortige Freilassung von Kaboré und anderen festgesetzten Angehörigen staatlicher Institutionen. Sie rief zudem die Sicherheitskräfte und Militärs auf, ihre Ansprüche gewaltlos geltend zu machen und ihrer primären Aufgabe des Schutzes der Bevölkerung und der Verteidigung des Territoriums treu zu bleiben. Man appelliere an alle Akteure, Ruhe zu bewahren und Zurückhaltung zu üben, hieß es in einer Erklärung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

Mehr als eine Million Binnenvertriebene

Erst Mitte Januar hatte die Armee mehrere Soldaten eines Putschversuchs beschuldigt und festgenommen. Doch auch im Volk war Kaboré längst nicht unumstritten: Am Samstag forderten Hunderte Demonstranten in der Hauptstadt seinen Rücktritt. Burkina Faso befindet sich vor allem wegen des zunehmenden islamistischen Terrors in der Sahelzone in einer schweren Krise. Viele Milizen, die zum Teil dem Islamischen Staat (IS) oder der Terrororganisation Al-Kaida die Treue geschworen haben, agieren über die Grenzen zu Mali und dem Niger hinweg.

Mehr als eine Million der 21 Millionen Landesbewohner gelten als Binnenvertriebene. Der Unmut innerhalb der Bevölkerung, die Kaboré und seiner Regierung Handlungsunfähigkeit vorwirft, hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Auch langwierige Dürren und Hungersnöte machen dem trotz seines Goldreichtums verarmten Land zu schaffen.

Auch Nachbarländer sind instabil

Die Regierungen Burkina Fasos und seiner Nachbarn haben in den wüstenartigen Weiten außerhalb der Städte wenig Kontrolle. Mit Mali, Mauretanien, dem Tschad und dem Niger hat sich Burkina Faso deshalb zur G5-Sahel-Gruppe zusammengeschlossen, um die Terrorgruppen zu bekämpfen. Auch Deutschland und Frankreich unterstützen das Bündnis. Über Burkina Faso reisen viele Menschen in den Niger, eines der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die das Mittelmeer erreichen und nach Europa übersetzen wollen.

Der Putsch in Burkina Faso ist der vierte in Westafrika binnen rund 18 Monaten und schürt Ängste, die gesamte Region könne destabilisiert werden. Das Nachbarland Mali, wo auch die Bundeswehr mit etwas mehr als 1.350 Soldatinnen und Soldaten stationiert ist, hat im August 2020 sowie Mai 2021 Militärputsche erlebt und gilt als politisch äußerst instabil. Auch im weiter westlichen gelegenen Guinea ist seit der gewaltsamen Absetzung von Präsident Alpha Condé im September das Militär an der Macht.

"Kaboré hat versucht, die Öffentlichkeit zu besänftigen"

Im Norden Burkina Fasos gilt das an Mali und den Niger grenzende Länderdreieck seit Monaten als Sperrgebiet. Besonders hier erlitt die Armee große Verluste im Kampf gegen den Terror. Als Extremisten im November in der nördlichen Stadt Inata 49 Militärpolizisten und vier Zivilisten töteten, gab es einen Sturm der Entrüstung.

Soldaten verlangten mehr Lohn und bessere Ausstattung im Kampf gegen die Islamisten. Anschuldigungen, die Regierung kümmere sich nicht ausreichend um die Familien verletzter oder getöteter Streitkräfte, mehrten sich. Berichte über fehlende Lebensmittelrationen und schäbige Kasernen führten zu Protesten. Immer mehr Soldaten und Zivilisten forderten den Rücktritt Kaborés. Der setzte zwar im Dezember auf Druck der Öffentlichkeit seinen Premierminister ab und bildete eine neue Regierung – doch handfeste Reformen folgten nicht.

"Kaboré hat versucht, die Öffentlichkeit zu besänftigen, indem er seine Regierung umbildete, verschiedene Ebenen der Militärführung ersetzte und regierungskritische Proteste verbot", sagte Alexandre Raymakers, politischer Analyst der Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft. Dies habe die Wut der Menschen jedoch nicht eindämmen können.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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