Wegen Taliban-Vormarsch Deutschland fordert Bürger zu Ausreise aus Afghanistan auf
Binnen einer Woche haben die Taliban zehn weitere Provinzhauptstädte erobert. Die Bundesregierung fordert ihre Bürger dazu auf, Afghanistan zu verlassen. Sicherheit und Rückflüge könnten sonst nicht garantiert werden.
Angesichts des rasanten Eroberungszugs der islamistischen Talibankämpfer in Afghanistan fordert Deutschland seine Bürger dringend zur zügigen Ausreise aus dem Krisenland auf. Vor dem Hintergrund der sich deutlich verschlechternden Sicherheitslage im gesamten Staatsgebiet, inklusive der Hauptstadt Kabul, rate die Botschaft allen deutschen Staatsangehörigen dringend zur schnellstmöglichen Ausreise per Linienflug, heißt es in einer vom Auswärtigen Amt versandten Nachricht.
Die deutsche Botschaft in Kabul wies ausdrücklich darauf hin, dass sie aufgrund ihrer eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten und begrenzten Kapazitäten keine Garantie dafür geben könne, dass auch bei einer weiteren Verschärfung der Sicherheitslage, die möglicherweise auch die Einstellung des kommerziellen Flugverkehrs nach sich ziehen könnte, die konsularische Betreuung gewährleistet werden könne.
Rückholung vieler Menschen
Eine Reisewarnung für Afghanistan besteht bereits seit langem. Ende März wurde bereits eine Ausreiseaufforderung ausgesprochen, die mit der nun versandten Aufforderung noch einmal unterstrichen wird, wie es in der Nachricht heißt.
Auch die USA, Großbritannien und andere Länder haben ihre Bürger in den vergangenen Wochen zur schnellstmöglichen Ausreise aufgerufen. Frankreich oder Indien haben bereits Repatriierungsflüge durchgeführt.
Weitere Provinzhauptstadt fällt an Taliban
Seit der Entscheidung über den Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan Mitte April haben die Taliban große Teile des Landes erobert. Zuletzt ist am heutigen Donnerstag die wichtige Provinzhauptstadt Gasni im Südosten Afghanistans an die militant-islamistische Miliz gefallen. Das bestätigten drei Provinzräte. Die strategisch wichtige Stadt liegt weniger als 150 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernt.
Die Taliban seien überall in der Stadt, sagten die Provinzräte. Sie hätten das Gefängnis übernommen, den Sitz des Gouverneurs und das Polizeihauptquartier. Nur der Geheimdienst kämpfe noch gegen die Extremisten um sein Gebäude. Zwei Provinzräte machten dem Gouverneur der gleichnamigen Provinz Vorwürfe. Er habe ein geheimes Abkommen mit den Taliban geschlossen und so die Stadt praktisch an die Islamisten ausgeliefert. Der Gouverneur und der Polizeichef hätten Gasni-Stadt in Richtung Kabul verlassen.
Die Stadt Gasni hat etwa 180.000 Einwohner und liegt an der wichtigen Ringstraße, die die größten Städte des Landes verbindet. Aufgrund ihrer Nähe zu Kabul hatten die Taliban bereits öfter versucht, diese unter ihre Kontrolle zu bringen. Seit etwa Mitte Juli hielten sie bereits zwei Polizeibezirke der Stadt. Im Sommer 2018 waren bei einem Großangriff auf die Stadt von mehr als 1.000 Taliban-Kämpfern mehr als 100 Polizisten und Soldaten und rund 20 Zivilisten getötet worden.
Gasni liegt Kabul am nächsten
In der gesamten Provinz Gasni seien nur mehr zwei Bezirke unter Kontrolle der Regierung, Dschaguri und Nahur, sagten die Provinzräte weiter.
Mit der Stadt Gasni sind in weniger als einer Woche zehn Provinzhauptstädte an die Islamisten gefallen. Am Mittwoch nahmen die Taliban die Provinzhauptstadt Faisabad ein, in der einst die Bundeswehr mit einem großen Feldlager stationiert war. In Kundus brachten sie den Flughafen und eine große Militärbasis unter ihre Kontrolle, in der vergangenes Jahr noch rund hundert deutsche Soldaten stationiert waren. Gasni liegt von all den gefallenen Städten der afghanischen Hauptstadt Kabul am nächsten.
- Nachrichtenagentur dpa