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Kämpfe in Afghanistan: Taliban erobern zwei Provinzhauptstädte in 24 Stunden


Kämpfe in Afghanistan
Taliban erobern zwei Provinzhauptstädte in 24 Stunden

Von dpa, afp
Aktualisiert am 07.08.2021Lesedauer: 3 Min.
Beerdigung des Regierungssprechers Daua Khan Menapal in Kabul an diesem Samstag: Auch er fiel den Taliban zum Opfer.Vergrößern des Bildes
Beerdigung des Regierungssprechers Daua Khan Menapal in Kabul an diesem Samstag: Auch er fiel den Taliban zum Opfer. (Quelle: Rahmat Gul/ap-bilder)

Die Taliban in Afghanistan feiern Erfolge wie seit Jahren nicht mehr. Nun haben sie mit Scheberghan eine zweite zentrale Stadt eingenommen. Einen Großteil des ländlichen Raums kontrollieren die Islamisten bereits.

Die radikalislamischen Taliban haben mit Scheberghan in der Provinz Dschasdschan bereits die zweite afghanische Provinzhauptstadt innerhalb von 24 Stunden eingenommen. "Die Streitkräfte (der Regierung) und Beamten haben sich zum Flughafen zurückgezogen", sagte ein Vertreter des Gouverneursamts am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Am Freitag hatte die Miliz bereits die im Südwesten Afghanistans gelegene Provinzhauptstadt Sarandsch erobert.

Scheberghan liegt rund 130 Kilometer von Masar-i-Scharif entfernt an einer wichtigen Ost-West-Verbindung in Nordafghanistan. Die Stadt mit geschätzt 130.000 Einwohnern gilt als wichtiges Tor zu den nördlichen und nordöstlichen Regionen des Landes. Sie ist seit langem der Machtsitz des umstrittenen ehemaligen Kriegsfürsten und Ex-Vizepräsidenten Abdul Raschid Dostum. Als Teil der sogenannten Nordallianz bekämpften seine Milizen im Bürgerkrieg der 1990er Jahre die Taliban.

Dostum galt als Taliban-Bekämpfer mit übermenschlichen Kräften

Dostum galt als besonders grausam gegenüber den Islamisten. In den aktuellen Gefechten um die Stadt waren seine Milizen unter Führung seines Sohnes im Einsatz, Dostum selbst war erst diese Woche nach einem Auslandsaufenthalt wegen einer Krankheit nach Kabul zurückgekehrt.

Der Ex-General Atikullah Amarchail sagte, der Fall der Provinzhaupstadt von Dostums Geburtsprovinz werde negative Folgen auf die Moral der Sicherheitskräfte im Land haben. "Die Menschen und Soldaten hier dachten, dass Dostum übermenschliche Fähigkeiten im Kampf gegen die Taliban hat", sagte Amarchail. Andere Beobachter erklärten, es sei unklar, ob die Bewohner von Schiberghan eine Taliban-Kontrolle einfach hinnehmen würden. Ein Parlamentarier aus der Provinz sagte, der Sohn von Dostum bereite an der Stadtgrenze bereits einen Gegenangriff vor.

Angriff aus fünf Richtungen

Heftige Taliban-Angriffe mussten Sicherheitskräfte am Samstag zudem in den Städten Kundus und Faisabad im Norden sowie Laschkargah im Süden abwehren. Provinzräte aus Faisabad sagten, die Islamisten hätten die Stadt aus fünf verschiedenen Richtungen angegriffen, seien aber auf starken Widerstand der Polizei und Armee gestoßen. Auch in Kundus rückten die Islamisten auf mehrere Polizeibezirke der Stadt gleichzeitig vor. Alle Geschäfte und Behörden seien wegen der Kämpfe geschlossen, es gebe zivile Opfer.

Im Moment sehe es so aus, als ob die Taliban schneller vordrängen als von allen erwartet, sagt der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig von der Kabuler Denkfabrik Afghanistan Analysts Network zur Deutschen Presse-Agentur. "Die US-Truppen haben noch nicht einmal vollständig das Land verlassen, da greifen sie schon Provinzstädte an."

Mit Sarandsch ist den Taliban am Freitag die erste Einnahme einer Provinzhauptstadt seit 2016 gelungen. Lokalen Behördenvertretern zufolge fiel die Stadt praktisch kampflos. Diese Woche reklamierten die Taliban zudem erstmals seit rund eineinhalb Jahren einen großen Angriff in der Hauptstadt Kabul für sich. Ziel war ein Haus des amtierenden Verteidigungsministers.

Wichtiger Handelsknotenpunkt in Terroristenhand

Zuletzt war 2016 die Provinzhauptstadt Kundus im Norden kurzzeitig von den militant-islamistischen Kämpfern eingenommen worden. Sarandsch ist zwar mit geschätzt 65.000 Einwohnern eine vergleichsweise kleine Stadt in der abgelegenen Provinz Nimrus, aber wegen ihrer Lage an der Grenze zum Iran ist sie ein bedeutender Handelsknotenpunkt und gilt als Zentrum für Schmuggler.

Der Fall der Provinzhauptstädte ist auch eine Niederlage für die USA, die ihren Militäreinsatz im Land offiziell erst zum 31. August beenden wollen. Das US-Militär unterstützt die unter Druck stehenden afghanischen Streitkräfte noch mit Luftangriffen. Die Flieger steigen außerhalb Afghanistans auf, da die großen Stützpunkte im Land bereits geräumt sind.

Verschärfte Sicherheitslage seit Abzug der internationalen Truppen

Bilder in sozialen Medien zeigten Taliban-Kämpfer vor dem Sitz des Provinzgouverneurs und in den Straßen von Sarandsch. Offenbar drangen die Islamisten zudem in das Gefängnis der Stadt vor. Videos zeigten Menschen, die aus diesem flohen.

Seit Beginn des Abzugs der US- und Nato-Truppen Anfang Mai haben die Taliban mehr als 160 der rund 400 Bezirke, mehrere Grenzübergänge und Teile wichtiger Überlandstraßen erobert. Zuletzt verlagerten sich die Kämpfe zunehmend in die Städte und die Taliban greifen nun mindestens fünf Provinzhauptstädte an. Im Süden steht Laschkargah kurz vor dem Fall an die Islamisten - dort hält die Regierung nur noch zwei der zehn Polizeibezirke der Stadt. Im Zentrum von Schiberghan in der Nordprovinz Dschausdschan lieferten sich Taliban am Freitag vor dem Gouverneurspalast Kämpfe mit den Sicherheitskräften.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur AFP, dpa
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