Verhaftung von Protassewitsch in Belarus Video mit "Geständnis" ausgestrahlt – Opposition befürchtet Folter
Die EU und Menschenrechtler fordern die sofortige Freilassung des Bloggers Roman Protassewitsch. Lange hat Belarus zu der Festnahme geschwiegen – nun strahlt das Staatsfernsehen ein Video aus.
Der nach der erzwungenen Flugzeuglandung in Minsk festgenommene Regierungskritiker Roman Protassewitsch hat in einem vom belarussischen Staatsfernsehen veröffentlichten Video die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gestanden. "Ich werde weiter mit den Ermittlern zusammenarbeiten und gestehe, Massenproteste in der Stadt Minsk organisiert zu haben", sagte er in dem am Montag ausgestrahlten Video. "Das Personal geht mit mir völlig angemessen um und respektiert die Gesetze", sagt der an einem Tisch sitzende Protassewitsch in die Kamera.
Zu Berichten über einen angeblichen Krankenhausaufenthalt wegen Herzproblemen sagte er: "Ich kann erklären, dass ich keine gesundheitlichen Probleme habe, auch nicht mit dem Herzen und anderen Organen." Er sei gesetzeskonform behandelt worden, er arbeite mit den Ermittlern zusammen und wolle weitere Geständnisse ablegen.
Opposition: "Er sieht gefoltert aus"
Nach Einschätzung der Opposition ist das Video unter Druck zustande gekommen. "Roman hat nie freiwillig gesagt, was er jetzt in die Kamera gesagt hat", hieß es bei Telegram. Er sehe zudem "ziemlich gefoltert" aus. "Sein Gesicht ist geschminkt, Spuren von Schlägen sind sichtbar, seine Nase ist gebrochen."
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Einen Tag nach der erzwungenen Landung einer Passagiermaschine in Minsk haben die belarussischen Behörden die Festnahme von Protassewitsch bestätigt. Er sei in Untersuchungshaft genommen worden, teilte das Innenministerium am Montagabend im Nachrichtenkanal Telegram mit. Der 26-Jährige war am Sonntag am Minsker Flughafen in Haft genommen worden. Zugleich wies das Innenministerium Berichte in sozialen Netzwerken zurück, wonach der Journalist im Krankenhaus liege. Der Haftanstalt lägen keine Informationen über gesundheitliche Beschwerden vor.
Auch die Freundin von Protassewitsch wurde verhaftet
Während weiter nicht klar ist, wo Protassewitsch festgehalten wird, wurde bekannt, dass sich seine Freundin Sofia Sapega in einem Gefängnis in Minsk befindet. Das erzählte ihre Mutter dem russischen Dienst der BBC am Montag. Vor der Festnahme ihrer Tochter habe Anna Duditsch nur noch eine WhatsApp-Nachricht erhalten, in der "Mama" zu lesen war.
Duditsch hat die russischen Behörden eingeschaltet. Laut dem russischen Außenminister Sergej Lawrow hat die Botschaft in Belarus Informationen über Sapega, die Russin ist, angefordert. "Sie wissen, was passiert ist, ich hoffe, sie werden uns helfen", wird Sapegas Mutter von der BBC zitiert. Was genau der 23-Jährigen vorgeworfen wird, ist bisher unbekannt.
Mehr als 24 Stunden hatte die autoritäre Führung des Landes keine Angaben zum Verbleib des Oppositionsaktivisten gemacht. Vor seiner Festnahme war das Ryanair-Flugzeug mit Protassewitsch an Bord auf dem Weg von Athen nach Vilnius zur Landung gezwungen worden. Dabei stieg nach Angaben des Militärs in Minsk auch ein Kampfjet vom Typ MiG-29 auf. Die Behörden hatten von einer angeblichen Bombendrohung gesprochen.
Protassewitsch lebte im Exil in Litauen
Mehrere Passagiere des Flugs bestätigten Medien in Litauen nach der Landung die Festnahme des jungen Mannes und seiner Freundin. Protassewitsch, der in seiner Heimat unter anderem wegen Anstiftung zu Protesten gegen Machthaber Alexander Lukaschenko zur Fahndung ausgeschrieben war, hatte im Exil in Litauen gelebt. Ihm drohen nun viele Jahre Haft.
Die EU verurteilte das Vorgehen von Belarus geschlossen und forderte die Freilassung Protassewitschs und seiner Freundin. Amnesty International sprach von einem "offensichtlichen Akt der Luftpiraterie". Es bestehe kein Zweifel, dass die Maschine zur Landung gezwungen worden sei "mit dem offensichtlichen alleinigen Ziel, einen im Exil lebenden kritischen Journalisten festzuhalten, den sie unbedingt zum Schweigen bringen wollten". Der Fall klinge nach einer Hollywood-Idee, sei aber keine.
Sanktionen geplant
Wegen der anhaltenden Unterdrückung der Demokratiebewegung in Belarus hatte die EU im vergangenen Jahr bereits Sanktionen etwa gegen Machthaber Lukaschenko verhängt. Die EU sieht ihn nicht als Präsidenten an. Der 66-Jährige hatte sich bei der Präsidentenwahl im vergangenen August mit 80,1 Prozent der Stimmen im Amt bestätigen lassen. Danach gab es in dem zwischen Russland und Polen gelegenen Land Massenproteste, die gewaltsam unterdrückt wurden. Nach der erzwungenen Flugzeuglandung beraten die EU-Staaten über weitere Sanktionen, der Vorfall war am Montagabend Thema bei einem EU-Gipfel.
Protassewitsch gehört zu den Mitbegründern des regierungskritischen Nachrichtenkanals Nexta. Die Behörden in Belarus stufen Nexta als extremistisch ein. Der Kanal hatte im vergangenen Jahr nach der Wahl immer wieder zu den Massenprotesten gegen Lukaschenko aufgerufen.
- BBC News: Belarus journalist's family fear torture after plane arrest (englisch)
- Nachrichtenagenturen afp und dpa