Ausnahmezustand und Dutzende Tote Angst vor dem großen Krieg in Nahost
Der Raketenbeschuss der Hamas hält an, Israel fliegt harte Vergeltungsangriffe. Die
Israel und die militanten Islamisten im Gazastreifen haben ihren blutigen Schlagabtausch auch am Mittwoch fortgesetzt. Bei erneut intensivem Raketenbeschuss durch Militante aus Gaza wurden am Abend in Israel mehrere Menschen verletzt. In Sderot wurde ein fünf Jahre alter Junge nach Angaben der Stadtverwaltung bei einem Raketenangriff tödlich verletzt.
Auch im Großraum Tel Aviv war erneut Raketenalarm ausgelöst worden. Heulende Warnsirenen waren am Abend in Vororten Tel Avivs zu hören. Es war die dritte Angriffswelle seit Dienstagabend. Die Küstenmetropole - Israels Wirtschaftszentrum - war in der Nacht zum Mittwoch so heftig mit Raketen beschossen wie nie zuvor.
Israels Verteidigungsminister Gantz kündigte verstärkte Angriffe auf militante Palästinensergruppen in dem Küstengebiet an. Die Armee werde ihre Bombardements fortsetzen, um eine "vollständige und langfristige Ruhe" zu erzwingen, sagte Gantz. "Erst wenn wir dieses Ziel erreicht haben, werden wir über eine Waffenruhe reden können." Hamas-Führer Ismail Hanijeh erklärte, falls Israel die Lage eskalieren lassen wolle, "dann sind wir bereit dafür".
Israel bombardiert weiteres Hochhaus der Hamas
Zuvor hatten israelische Kampfflugzeuge ein weiteres von Militanten genutztes Hochhaus in Gaza zerstört. In dem 14-stöckigen Gebäude hatten sowohl die islamistische Hamas als auch der militante Islamische Dschihad Büros. Allerdings gab es auch Cafés und Geschäfte in dem Haus. Videos zeigten, wie es nach dem Angriff einstürzte. Die Hamas teilte mit, als Reaktion 130 Raketen auf die israelischen Orte Aschkelon, Sderot und Netivot abzufeuern.
Israels Luftwaffe hatte zuvor auch das Haus eines ranghohen Mitglieds der islamistischen Hamas zerstört. Das Gebäude diente demnach als Waffenlager. Außerdem tötete Israel bei Angriffen mehrere hochrangige Vertreter der Hamas. "Das ist erst der Anfang - Wir werden ihnen Schläge versetzen, die sie sich niemals erträumt haben", sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dazu am Mittwoch in einem Krankenhaus in Cholon. Beobachter vermuteten, dass die Tötung der Hamas-Vertreter die Raketenangriffe verschärfen könnten.
Raketen auf israelischen Atomreaktor abgefeuert
Der militärische Arm der islamistischen Hamas-Organisation feuerte nach eigenen Angaben am Mittwoch zudem 15 Raketen in Richtung der israelischen Wüstenstadt Dimona. Dort befindet sich ein israelischer Atomreaktor, der allerdings als extrem gut geschützt gilt. Ein Sprecher der israelischen Armee sagte, er könne nicht bestätigen, dass Raketen abgefeuert worden seien oder in der Umgebung landeten.
Seit Montagabend beschießen militante Palästinenser Israel mit Raketen. Israels Armee reagiert darauf mit Angriffen auf Ziele im Gazastreifen, vor allem durch die Luftwaffe. Auf beiden Seiten gab es Tote.
Tote auf beiden Seiten
Nach Angaben des Militärs starben in Israel neben dem Kind mindestens fünf Menschen durch Raketenbeschuss. Zudem wurde ein israelischer Soldat von einer Panzerabwehrrakete getroffen und getötet. Für den Angriff, bei dem weitere Soldaten verletzt wurden, machte die israelische Armee die Hamas verantwortlich. Das Gesundheitsministerium in Gaza bezifferte die Zahl der Toten auf 65.
International wuchs die Besorgnis über die Eskalation des Konflikts. Verteidigungsminister Benny Gantz stimmte die Bürger auf einen längeren Militäreinsatz ein. Die Vereinten Nationen warnten den UN-Sicherheitsrat laut Diplomaten vor einem großen Krieg. Die USA haben eine gemeinsame Stellungnahme des mächtigsten UN-Gremiums zur eskalierenden Gewalt in Nahost Kreisen zufolge am Mittwoch zunächst blockiert.
UN fordert ein Ende der Gewalt
Dafür forderten europäische Länder des UN-Sicherheitsrats ein Ende der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern. "Wir fordern alle Akteure dringend auf, Spannungen abzubauen, Gewalt zu beenden und äußerste Zurückhaltung zu zeigen", sagte der estnische UN-Botschafter Sven Jürgenson in einer Stellungnahme Estlands, Frankreichs, Irlands und Norwegens am Mittwoch nach der Dringlichkeitssitzung des mächtigsten UN-Gremiums in New York. Der UN-Nahost-Koordinator Tor Wennesland hatte zuvor gewarnt, Israel und die Hamas steuerten auf einen neuen Krieg zu.
Bundesaußenminister Heiko Maas warnte vor einer Ausweitung des Konflikts auf weitere Teile der Region. Er bezeichnete den Abschuss von mehr als 1.000 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel am Mittwochabend in einem ZDF-"Spezial" als absolut inakzeptabel und als Grundlage dafür, dass Israel von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch mache. "All das wird, wenn es keine Deeskalation gibt, dazu führen, dass wir hier mit einer Gewaltspirale konfrontiert werden, die die ganze Region in einen tiefen Konflikt mit viel Gewalt stürzen kann, die weit über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus wirkt. Das muss unter allen Umständen vermieden werden."
Aktueller Auslöser: Zwangsräumungen in Ost-Jerusalem
In den vergangenen Tagen hatte es zunächst vor allem in Jerusalem heftige Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gegeben. Auslöser waren unter anderem Proteste gegen Polizei-Absperrungen in der Altstadt sowie drohende Zwangsräumungen palästinensischer Familien im Viertel Scheich Dscharrah. Zu Gewalt kam es zuletzt auch in arabischen Ortschaften im israelischen Kernland.
Die Hamas baut sich ihre Waffen entweder selbst oder schmuggelt sie in das Küstengebiet, über Ägypten oder den Seeweg. Zahlen zu ihrem Raketenarsenal nannte die Gruppe, die von Israel und der EU als Terrororganisation eingestuft wird, bislang noch nie. Das Thema gilt als streng geheim. Israel geht davon aus, dass militante Gruppen im Gazastreifen dazu in der Lage sind, täglich Hunderte Raketen auf Israel abzufeuern.
- Nachrichtenagentur dpa