Bewaffneter Konflikt droht Erdgas-Streit im Mittelmeer eskaliert – EU plant Sondersitzung
Erneut patrouillieren türkische Kriegsschiffe im Mittelmeer. Sie eskortieren ein Gas-Erkundungsschiff vor einer griechischen Insel. Griechenland schlägt Alarm – und erhält Beistand.
Die Außenminister der EU-Staaten werden voraussichtlich am Freitag in einer außerplanmäßigen Videokonferenz über die jüngsten Entwicklungen im Streit um Erdgas im Mittelmeer sprechen. Nachdem die Türkei die Entsendung eines Erkundungsschiffes vor eine griechische Insel angekündigt hat, droht der Konflikt mit dem Nato-Partner Griechenland zu eskalieren. Wegen der Spannungen mit Ankara hat Athen hat die Sondersitzung der EU-Außenminster gefordert.
Weitere Themen der Beratungen sollten die jüngsten Entwicklungen in Balarus sowie die Lage im Libanon nach der Explosionskatastrophe in Beirut sein, hieß es aus EU-Kreisen. Ein Sprecher des Auswärtigen Dienstes der EU wollte den Termin zunächst nicht bestätigen. Er sagte, Sitzungen würden erst nach Abschluss aller Vorbereitungen öffentlich angekündigt. Die Türkei wiederum kündigte an, die Vorbereitungen für die Ausbeutung strittiger Gasvorkommen noch auszuweiten.
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Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu machte die türkische Absicht deutlich, ab Ende August Lizenzen für Probebohrungen an neuen Standorten vergeben zu wollen. Die Türkei werde ihre "Rechte" im östlichen Mittelmeer kompromisslos verteidigen, sagte er. Die Schuld an dem erneuten Aufflammen des Konflikts mit Griechenland wies er Athen zu. Die griechische Regierung kritisierte die Entsendung des Erkundungsschiffes vor die griechische Insel Kastellorizo als "Bedrohung des Friedens" im östlichen Mittelmeer.
Israel stellt sich auf die Seite Griechenlands
Mittelmeeranrainer Israel unterstützt die griechische Position. "Israel drückt seine volle Unterstützung und Solidarität mit Griechenland aus – in seinem Recht, Seezonen und seine ausschließliche Wirtschaftszone abzugrenzen", erklärte das israelische Außenministerium am Mittwochmorgen. Israel hat mit Griechenland und Zypern ein Abkommen über den Bau einer Gaspipeline im östlichen Mittelmeer geschlossen.
Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell warnte vor einer weiteren Eskalation und sagte, die Situation sei "äußerst besorgniserregend und muss in einem Dialog gelöst" werden. Er wollte sich nicht festlegen, ob am Dienstag schon ein Beschluss der EU zu erwarten sei.
Problem für die Nato
Das türkische Forschungsschiff "Oruc Reis" befand sich nach Angaben der griechischen Marine am Dienstag südöstlich der griechischen Insel Kreta. Es wird von türkischen Marineschiffen begleitet und von griechischen Kriegsschiffen überwacht. Die Mission soll laut türkischen Angaben bis zum 23. August andauern. Griechenland hält die Erkundungen in seinen Hoheitsgewässern für einen Verstoß gegen seine Souveränität.
Der Konflikt stellt das Nato-Verteidigungsbündnis auf die Probe, in dem beide Länder Mitglied sind. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte sich am Montag mit dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis getroffen und anschließend die Parteien aufgefordert, sich an internationales Recht zu halten.
Erneute Eskalation nach kurzzeitiger Entspannung
Die Türkei fühlt sich durch ein vergangene Woche geschlossenes Abkommen zwischen Griechenland und Ägypten provoziert. Diese haben die Errichtung einer ausschließlichen Wirtschaftszone im Mittelmeer verabredet, die nur von ihnen genutzt werden darf. Das türkische Außenministerium hatte dieses Abkommen für "null und nichtig" erklärt und erst die Entsendung des Schiffes "Barbaros Hayrettin" in das umstrittene Gebiet angekündigt. Darauf folgte nun die Entsendung der "Oruc Reis".
Ende Juli hatte Ankara noch verkündet, "für eine Weile" auf die umstrittenen Bohraktivitäten nahe Kastellorizo zu verzichten und mit Griechenland und dem aktuellen EU-Ratsvorsitzenden Deutschland zu verhandeln.
Streit um Ausbeutung von Gasfeldern
Schon im Januar hatte Griechenland mit Zypern und Israel ein Abkommen über den Bau einer Gaspipeline durchs Mittelmeer unterzeichnet. Vergangenes Jahr hatte allerdings die Türkei ein Abkommen mit der Einheitsregierung in Libyen abgeschlossen, um sein Seegebiet auszuweiten. Dieses Abkommen wird wiederum von Ägypten, Zypern und Griechenland nicht anerkannt.
Seit der Entdeckung von reichen Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer, auch vor der Küste Zyperns, gibt es heftigen Streit um deren Ausbeutung. Sowohl die Republik Zypern als auch die Türkei und Griechenland erheben Anspruch auf die betreffenden Seegebiete.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa
- Eigene Recherche