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Hongkong: Situation eskaliert – 100 Aktivisten in Universität verbarrikadiert


Studenten verbarrikadieren sich auf Campus
Situation an Hongkonger Universität eskaliert

Von afp, dpa, dru, ds

Aktualisiert am 19.11.2019Lesedauer: 4 Min.
Flucht vom Uni-Campus: Ein Protestierer seilt sich von einer Fußgängerbrücke auf eine Autobahn hinab.Vergrößern des Bildes
Flucht vom Uni-Campus: Ein Protestierer seilt sich von einer Fußgängerbrücke auf eine Autobahn hinab. (Quelle: Kin Cheung/ap)
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Nach schweren Ausschreitungen belagert die Polizei eine Universität in Hongkong. Einigen Aktivisten gelang auf spektakuläre Weise die Flucht. Doch noch immer sitzen 100 Aktivisten auf dem Gelände fest.

In Hongkong spitzt sich die Lage vor der von Demonstranten besetzten Hochschule weiter zu: Rund 100 Aktivisten der Demokratiebewegung harrten am Dienstag weiter in der von Sicherheitskräften eingekesselten Polytechnischen Universität aus. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam forderte die Demonstranten auf, sich zu ergeben, um die dreitägige Besetzung des Geländes friedlich zu beenden. Die Volksrepublik China bekräftigte derweil ihren Anspruch auf die alleinige Entscheidungsgewalt über Hongkongs Verfassung.

In ihrer ersten öffentlichen Erklärung zur Besetzung der Polytechnischen Universität sagte Regierungschefin Lam am Dienstagmorgen auf einer Pressekonferenz, dass die "Demonstranten, einschließlich natürlich der Randalierer, die Gewalt stoppen, die Waffen abgeben und friedlich herauskommen und die Anweisungen der Polizei entgegennehmen müssen".

Die Demonstranten harrten seit Montag noch in der Universität aus. Mit Pfeil und Bogen, Molotowcocktails und Steinschleudern versuchten sie Polizisten abzuwehren. Für sie gab es praktisch keine Chance zu entkommen. Nur einigen Dutzend gelang auf spektakuläre Weise die Flucht: Sie seilten sich von einer Fußgängerbrücke auf eine Autobahn ab, wo sie von wartenden Motorradfahrern abgeholt wurden, wie Videoaufnahmen zeigten. Es war zunächst unklar, wie vielen Aktivisten die Flucht gelang. Die Beamten nahmen Dutzende Menschen fest, teilweise schlugen sie mit Schlagstöcken auf die am Boden liegenden Demonstranten ein.

"Er hat Angst"

Am Dienstag versammelten sich Verwandte einiger der immer noch in der Hochschule verschanzten Demonstranten zu einer Mahnwache vor der Universität. Eine Frau, die ihren Namen als Cheung angab, sagte, dass sie die vergangene Nacht in einem Park in der Nähe einer Polizeiabsperrung verbracht habe. Sie warte auf eine Nachricht ihres erwachsenen Sohnes, der als Ersthelfer auf den Campus gekommen sei. "Er hat Angst. Er hat Angst davor, von der Polizei festgenommen zu werden", sagte Cheung.

Peking zeigte derweil Hongkong erneut in drastischer Weise seine Sicht der Dinge auf, indem es seinen Anspruch auf die alleinige Entscheidungsgewalt über Hongkongs Verfassung bekräftigte. Der chinesische Volkskongress sei die einzige Institution, die Entscheidungen über die Verfassung der Sonderverwaltungszone treffen könne, sagte Parlamentssprecher Zang Tiewei laut staatlichen chinesischen Medien am Dienstag.

Hintergrund ist das Urteil des Obersten Gerichts in Hongkong, das das von der Hongkonger Regierung verhängte Vermummungsverbot am Montag aufgehoben hatte. Zang betonte, nur der Nationale Volkskongress habe das Recht, darüber zu entscheiden, ob ein Gesetz mit der Verfassung Hongkongs übereinstimme. Das Urteil habe Hongkongs Regierungschefin Lam und die Stadtregierung stark geschwächt.

Armeetrupp säubert Straßen

Am Wochenende sorgte ein Einsatz von Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee in Hongkong für Aufsehen und löste Sorgen vor einer militärischen Niederschlagung der Proteste aus. Die Soldaten halfen zwar lediglich beim Aufräumen verwüsteter Straßen. Sie trugen Sportkleidung, ein Video zeigte sie dabei, wie sie eine Straße hinauf und hinab joggten. Beobachter sprachen dennoch von einer subtilen Machtdemonstration Pekings, die zeigen sollte: die Entsendung der Armee bleibt eine Option.

Die Verfassung von Hongkong verbietet den in der Sonderverwaltungszone stationierten Soldaten eigentlich eine Einmischung in die "örtlichen Angelegenheiten der Region". Artikel 14 aber erlaubt der Hongkonger Regierung auch, sie um Unterstützung zu bitten, wenn die öffentliche Ordnung in Gefahr ist. Zuletzt kam die Armee 2018 bei Aufräumarbeiten nach einem Taifun zum Einsatz.

Video: Pekings Putztruppe rückt aus

Gericht kippt Vermummungsverbot

Die Europäische Union rief angesichts der Eskalation der Gewalt in Hongkong alle Seiten zu Zurückhaltung aufgerufen. "Jegliche Gewalt ist unannehmbar", erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montagabend in Brüssel. Beide Seiten müssten deeskalieren. Sie forderte zugleich die Sicherheitskräfte auf, "streng verhältnismäßig vorzugehen und Grundrechte wie das Recht auf Versammlungsfreiheit" zu respektieren.

Eine Lösung des Konflikts sei nur durch "ernsthaften Dialog" zu erreichen, erklärte Mogherini. Zugleich erinnerte sie daran, dass die bei der Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 festgehaltenen Autonomierechte Hongkongs im Rahmen der Regelung "Ein Land, zwei Systeme" Bestand haben müssten.

Wahltermin steht auf der Kippe

Wegen der unsicheren Lage erwägt die Hongkonger Regierung eine Verschiebung der für Sonntag geplanten Kommunalwahl. Sie teilte nach Angaben von RTHK mit, die Ereignisse des vergangenen Wochenendes hätten "die Chancen verringert", die Wahlen für die Bezirksräte abhalten zu können. Kontroversen hatte es schon vorher gegeben, nachdem der Wortführer der Demokratiebewegung, Joshua Wong, als Kandidat disqualifiziert worden war. Ihm wird unterstellt, für die Unabhängigkeit Hongkongs einzutreten. Auch wurden mehrere Kandidaten beider Lager attackiert und verletzt. Zuletzt waren prodemokratische Kandidaten in Umfragen im Aufwind.


Die Proteste in Hongkong dauern bereits seit 24 Wochenenden in Folge an und richten sich gegen die Regierung, das als brutal empfundene Vorgehen der Polizei sowie den wachsenden Einfluss der kommunistischen Führung in Peking. Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britische Kronkolonie nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" unter chinesischer Souveränität autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger genießen - anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik - viele Rechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit, um die sie jetzt aber fürchten.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP, dpa
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