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Bin Ladens mutmaßlicher Leibwächter: Sami A. nach Tunesien abgeschoben


Widerrechtliche Abschiebung
Tunesien will Sami A. offenbar nicht wieder ausliefern

Von dpa, afp, reuters, jmt, dru

Aktualisiert am 14.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Sami A. auf einer Archivaufnahme: Der frühere Leibwächter des Terrorchefs Osama bin Laden ist nach Tunesien abgeschoben worden.Vergrößern des BildesSami A. auf einer Archivaufnahme: Der frühere Leibwächter des Terrorchefs Osama bin Laden ist nach Tunesien abgeschoben worden. (Quelle: Screenshot/WDR)

Die Abschiebung von Osama bin Ladens Ex-Leibwächter Sami A. nach Tunesien steht massiv in der Kritik. Völlig offen ist, ob die "grob rechtswidrige" Aktion überhaupt rückgängig zu machen ist.

Die Abschiebung des Ex-Leibwächters von Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden nach Tunesien trotz eines gegenteiligen Urteils droht zum juristischen Tauziehen zu werden. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erklärte die Abschiebung für "grob rechtswidrig". Sie "verletzt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien". Deshalb sei Sami A. "unverzüglich auf Kosten der Ausländerbehörde in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen".

Das Flüchtlingsministerium Nordrhein-Westfalens will gegen diesen Beschluss aber zusammen mit der Ausländerbehörde der Stadt Bochum Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.

Offen ist, ob Tunesien seinen Staatsbürger überhaupt nach Deutschland zurückschicken würde. Aus tunesischen Regierungskreisen heißt es laut "Bild"-Zeitung, aufgrund der Vorwürfe sei es kaum vorstellbar, dass Sami A. so einfach nach Deutschland zurück könne.

Gericht beklagt mangelnde Kooperation des Bamf

Der von den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestufte Sami A. war am Freitagmorgen in Begleitung von Bundespolizisten mit einer Chartermaschine von Düsseldorf aus in seine Heimat geflogen worden. Am Donnerstag hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden, dass er vorerst nicht abgeschoben werden dürfe. Dies hatte das Gericht damit begründet, dass es keine Sicherheit gebe, dass Sami A. in Tunesien nicht gefoltert werde.


Das Gericht informierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erst über seine Entscheidung, als Sami A. bereits im Flugzeug saß. Dass diese Entscheidung erst so spät an das Bamf ging, sei darauf zurückzuführen, dass alle beteiligten Behörden trotz mehrfacher Anfragen den Zeitpunkt der geplanten Abschiebung nicht bekanntgegeben hätten, teilte das Verwaltungsgericht mit.

Abschiebung hätte abgebrochen werden müssen

Das Flugzeug mit Sami A. an Bord landete am Freitagmorgen 8.11 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen Enfidha bei Hammamet. Die tunesischen Behörden ermitteln nach eigenen Angaben, ob A. an "extremistischen Aktivitäten" in Deutschland beteiligt gewesen ist. Er stehe unter Arrest, sagte ein Sprecher des tunesischen Justizministeriums. Ein Sprecher der tunesischen Anti-Terror-Behörde sagte "Bild", Sami A. werde in Tunis verhört.

In einer Mitteilung des Gerichts heißt es, zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses sei die Abschiebung noch nicht abgeschlossen gewesen und wäre deshalb abzubrechen gewesen. Doch vielmehr sei sie "sehenden Auges abschließend vollzogen worden". Dass die Gerichtsentscheidung über das Fortbestehen des Abschiebungsverbots den Behörden erst bekanntgegeben sei als die Abschiebung bereits in Gang gesetzt worden war, ist nach Ansicht des Gerichts die Schuld der Behörden. Diese hätten trotz mehrfacher Anfragen den Zeitpunkt der Abschiebung nicht bekanntgegeben.

Seehofer wollte sich persönlich um den Fall kümmern

Das Bamf habe im Gegenteil vor wenigen Tagen auf Anfrage mitgeteilt, dass ein ursprünglich für den 12. Juli geplanter Abschiebeflug wieder storniert worden sei, kritisierte Richter Wolfgang Thewes. Zugleich sei dem Gericht nicht mitgeteilt worden, dass am 13. Juli ein neuer Flug geplant war. "Hätten wir das gewusst, wäre der Beschluss selbstverständlich viel früher rausgegangen oder die Kammer hätte einen Zwischenbeschluss oder einen Stoppbeschluss erlassen", sagte er. "Der Eindruck ist entstanden, dass der Rechtsstaat vorgeführt worden ist."

Am Freitag hatte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums die Rückführung und die Übergabe von Sami A. an die tunesischen Behörden bestätigt. Zuständig für alle Entscheidungen sei Nordrhein-Westfalen. Es habe aber einen engen Kontakt zwischen Bund und NRW gegeben. Auch hätten vier Bundespolizisten den Flug begleitet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der sich regelmäßig über den Fall habe in Kenntnis setzen lassen, sei am Freitag nach der Übergabe des Mannes in Tunesien über die Rückführung informiert worden. Seehofer hatte öffentlich erklärt, er wolle sich persönlich um den Fall kümmern.

NRW weist Vorwürfe zurück

Das nordrhein-westfälische Integrationsministerium teilte mit, am 11. Juli 2018 habe die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen die Abschiebungsandrohung für rechtmäßig erachtet. Auf Grundlage dieses Beschlusses sei die Rückführung nach Tunesien am Freitag vorgenommen worden. "Ein anderslautender Beschluss lag dem Ministerium zu diesem Zeitpunkt nicht vor."

Der Vorsitzende des Amri-Untersuchungsausschusses des Bundestags, Armin Schuster (CDU), plädierte dafür, Sami A. vorerst nicht nach Deutschland zurückzuholen. Zunächst sollte die nächste Instanz entscheiden, sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Da habe ich keine schlaflosen Nächte. Immerhin handelt es sich um einen ausreisepflichtigen Gefährder mit Al-Kaida-Ausbildung."

"Rechtssicherheit gefährdet"

Die Rechtsanwältinnen von Sami A. begrüßten dagegen die deutlichen Worte des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen in seiner Entscheidung zur Rückholung des Tunesiers. "Wenn Behörden sich über gerichtliche Entscheidungen hinwegsetzen, ist die Rechtssicherheit gefährdet", sagte eine der Juristinnen, Seda Basay-Yildiz, dpa.

Sami A. lebte seit Jahren mit Frau und Kindern in Bochum. Er war 1997 zum Studium nach Deutschland gekommen. Im Jahr 2000 soll er eine militärische Ausbildung in einem Lager der Al-Kaida in Afghanistan erhalten und zeitweise zur Leibgarde von Osama bin Laden gehört haben. Bin Laden ist der Gründer des Terrornetzwerks Al-Kaida. Er wurde 2011 in Pakistan von einem US-Kommando getötet.

Ermittlungsverfahren wurde eingestellt

Anschließend soll sich Sami A. in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Der Tunesier hat diese Vorwürfe stets bestritten. Die Bundesanwaltschaft hatte laut Gericht gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber mangels hinreichenden Tatverdachts wieder eingestellt.

Abgeschoben werden soll der Tunesier seit 2014. Damals hatte das Bamf das Abschiebeverbot erstmals aufgehoben. Dagegen wehrte sich Sami A. bislang erfolgreich vor Gericht. Im Juni 2018 hob das Bamf erneut das Abschiebeverbot auf. Sami A. wurde darauf festgenommen und kam in ein Abschiebegefängnis.

Verwendete Quellen
  • Reuters, dpa
  • Eigene Recherchen
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