"Wir sind noch nicht fertig" Dschihad-Militärchef getötet – Vergeltungsangriffe auf Israel
Israel greift nach der Drohung militanter Palästinenser den Gazastreifen an. Ein hochrangiger Kommandeur stirbt. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten.
Nach der gezielten Tötung eines militanten Palästinenserführers im Gazastreifen sind mehrere Raketen auf Israel abgefeuert worden. In mehreren Städten bis zum südlichen Rand der Küstenstadt Tel Aviv waren am Freitagabend Sirenen zu hören.
Israelischen Medienberichten zufolge gingen die Raketen auf offenem Gelände nieder oder wurden vom Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen. Die Stadt Tel Aviv hat nach Medienberichten aus Sorge vor weiteren Raketenangriffen öffentliche Luftschutzräume geöffnet.
"Greifen mit mehr als 100 Raketen an"
Israels Streitkräfte hatten zuvor den Militärchef der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad (PIJ) im Gazastreifen, Taisir al-Dschabari, getötet. Der hochrangige Kommandeur war dem Militär zufolge verantwortlich für zahlreiche Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und geplante Angriffe auf Zivilisten. Der Islamische Dschihad wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft.
"Wir greifen Tel Aviv und die Städte des Zentrums und der Umgebung mit mehr als 100 Raketen an", teilte der militärische Arm der Organisation am späten Freitagabend mit. Dies sei die Antwort auf die Ermordung des Führers Al-Dschabari.
Nach palästinensischen Angaben kamen bei der großangelegten israelischen Militäraktion mit mehreren Luftangriffen mindestens zehn Menschen ums Leben, darunter neben Al-Dschabari ein fünfjähriges Kind und weitere PIJ-Mitglieder. Mindestens 75 Menschen seien verletzt worden.
"Wir sind noch nicht fertig"
Israels Ministerpräsident Jair Lapid sagte am Freitagabend: "Israel ist nicht an einer breiten Operation im Gazastreifen interessiert, hat aber auch keine Angst vor ihr." Er sprach von einem "präzisen Anti-Terror-Einsatz", um eine "unmittelbare Bedrohung" abzuwehren. Der Islamische Dschihad warf Israel dagegen vor, einen "Krieg gegen unser Volk" begonnen zu haben.
Ein israelischer Armeesprecher betonte, der Einsatz gehe weiter: "Wir sind noch nicht fertig." Die im Gazastreifen herrschende Hamas erklärte, mit den Angriffen am Freitag habe Israel "ein weiteres Verbrechen begangen, für das es bezahlen muss". Sämtliche Palästinenserorganisationen seien zum Kampf aufgerufen: "Alle Fronten müssen das Feuer auf den Feind eröffnen."
Islamischer-Dschihad-Anführer Siad al-Nachala sagte dem Fernsehsender Al-Majadin, im Kampf gegen Israel werde es "keine roten Linien" geben. Alle israelischen Städte seien Ziele palästinensischer Raketen, Israel müsse mit "ununterbrochenen" Angriffen rechnen.
2019 hatte Israel bereits den Vorgänger von Al-Dschabari, Dschihad-Militärchef Baha Abu al-Ata, gezielt getötet. Darauf folgten damals massive Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf israelische Orte und Gegenangriffe der israelischen Luftwaffe in dem Küstenstreifen. Nach einigen Tagen konnte mit Hilfe von Unterhändlern Ägyptens und der Vereinten Nationen eine Waffenruhe vereinbart werden.
Bassam al-Saadi festgenommen
Am Montag hatte Israel Bassam al-Saadi festgenommen, ein hochrangiges Mitglied des Islamischen Dschihads. Bei seiner Festnahme im Westjordanland kam ein 17-jähriges Mitglied der Gruppe ums Leben. Israel hat seitdem alle Übergänge zum Gazastreifen – die Hochburg der Organisation – und einige umgebende Straßen gesperrt. Zur Begründung hieß es, es würden Racheakte befürchtet. Der PIJ ist eng mit Israels Erzfeind Iran verbunden und verübt aus dem Gazastreifen regelmäßig Raketenangriffe auf Israel.
Im Gazastreifen leben rund zwei Millionen Einwohner unter sehr schlechten Bedingungen. Die von der EU als Terrororganisation eingestufte Hamas hatte 2007 gewaltsam die Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Gebiets, die von Ägypten mitgetragen wird. Beide Staaten begründen die Maßnahme mit Sicherheitsinteressen.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters