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Greta Thunberg: Warum ist die Klimaaktivistin für manche so ein Hassobjekt?


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Psychologe über Klimaaktivistin
Warum feinden so viele Menschen Greta Thunberg an?

InterviewVon Madeleine Janssen

Aktualisiert am 15.08.2019Lesedauer: 5 Min.
Greta Thunberg: Die Klimaaktivistin polarisiert mit ihrem eigenen Lebensstil.Vergrößern des Bildes
Greta Thunberg: Die Klimaaktivistin polarisiert mit ihrem eigenen Lebensstil. (Quelle: Stina Stjernkvist/imago-images-bilder)
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Klimaaktivistin Greta Thunberg erhitzt mit ihrem Einsatz die Gemüter. Für manche ist sie sogar ein Hassobjekt. Warum das so ist, erklärt der Sozialpsychologe Ulrich Wagner im Interview.

Die 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg polarisiert: Die einen bewundern das Engagement der jungen Schwedin. Andere sehen in ihr ein Instrument grüner Eliten. Teilweise schlägt dem Teenager blanker Hass entgegen. Dabei hat sie innerhalb kürzester Zeit viel erreicht: "Fridays for Future" ist eine weltweite Bewegung geworden, Thunberg wird sogar als Favoritin für den Friedensnobelpreis gehandelt. Derzeit reist sie in einer Hochseejacht zum UN-Klimagipfel nach New York. Ulrich Wagner, Sozialpsychologe und Professor für Psychologie an der Universität Marburg, erklärt im Gespräch mit t-online.de, warum Greta die Gemüter derart erhitzt.

t-online.de: Herr Wagner, die Klimaaktivistin Greta Thunberg gilt vielen Menschen als Vorbild, als mahnendes Beispiel. Auf der anderen Seite schlägt ihr Hass entgegen. Sie wird für ihr Asperger-Syndrom angefeindet, und es heißt oft, sie werde für eine Kampagne benutzt. Warum reagieren Menschen so?

Ulrich Wagner: Greta Thunberg hat ein ikonisches Auftreten. Sie macht den Eindruck, und wahrscheinlich ist es auch so, dass sie sich den Klimaschutz voller Überzeugung auf die Fahnen geschrieben hat. Sie ist bereit, große Nachteile für sich in Kauf zu nehmen: Immer überall hinzufahren, statt zu fliegen, ist wahrscheinlich auf Dauer kein Vergnügen.

Was hat das mit den Menschen zu tun, die Thunberg so anfeinden?

In der Psychologie weiß man: Das, was Thunberg da macht, führt dazu, dass solche Personen abgelehnt werden. Sie vertreten Positionen, die mit der Meinung vieler anderer nicht übereinstimmen. Manche sagen über den Klimawandel, der sei kein Problem. Oder die andere Variante: Es ist eines, aber wir können nichts daran ändern. Es ergibt doch keinen Sinn, wenn wir unser Leben umstellen. Wenn Greta Thunberg jetzt mit einem Segelschiff in die Vereinigten Staaten reist, auch sonst niemals fliegt und vegan lebt, zeigt sie mit dem eigenen Lebensstil, dass sie mit dieser Haltung nicht übereinstimmt. Und damit trifft sie die Überzeugungen mancher Menschen. Das können wir nicht gut vertragen, wenn jemand solche grundlegenden Einstellungen infrage stellt.

Warum tun wir uns damit so schwer?

Thunbergs Auftreten, ihr Verhalten zwingt die Menschen dazu, über sich selbst nachzudenken und ihre Ansichten selbstkritisch zu betrachten. Es kommt zu inneren Konflikten, und das ist nichts, was man üblicherweise gerne macht. Es gibt Leute, die sich damit schwerer tun. Meine Vermutung: Das sind Menschen, die mit Blick auf Umweltschutz und womöglich allgemein politisch konservativ sind. Die vielleicht meinen, wir könnten ungehindert so weitermachen wie bisher, die Umwelt ausbeuten und daraus Profit ziehen.

Warum wenden sich die Kritiker nicht an die Unterzeichner des Pariser Klimaschutzabkommens? Warum richtet sich der Hass gegen Thunberg?

Wenn wir uns selbst in Konflikt mit der Welt sehen, neigen wir dazu, möglichst einfache Erklärungen dafür zu suchen. Dann machen wir zum Beispiel einzelne Personen dafür verantwortlich. Auf diese Weise werden wir unseren Unbill viel leichter los, als wenn wir etwa die Europäische Union kritisieren, das ist ja ein völlig abstraktes Gebilde. Personen abzulehnen, ist immer einfacher. Dieses Muster erkennt man auch in anderen Zusammenhängen: Wirtschaftliche Probleme werden mit Flüchtlingen in Verbindung gebracht.

Was sehen Sie in Thunbergs Auftreten, was den Hass befeuern könnte?

Sie tritt ganz besonders auf. Streng, sehr diszipliniert, sie versucht gar nicht erst, vor der Kamera zu gefallen. Fest steht: Wenn Menschen so besonders sind, werden sie leicht zum Ziel von Anfeindungen. Wenn man wollte, könnte man die politische Botschaft, die sie rüberbringt, nicht mehr als solche sehen, sondern als Thunbergs Eigenart. Man nennt das in manchen Zusammenhängen auch Psychologisierung: Die Abweichler, die unbequeme Positionen vertreten, werden in Extremfällen für psychisch krank erklärt. So etwas findet man sogar in staatlichen Systemen – in der früheren UdSSR war es üblich, Oppositionelle in psychiatrische Kliniken zu sperren.

Es kursiert das Gerücht, Thunberg sei das Zugpferd einer PR-Kampagne.

Thunberg überbringt eine Botschaft, die lautet: Die Ressourcen unserer Erde sind endlich. Grundsätzlich werden Menschen, die solche Nachrichten überbringen, sofort unglaubwürdig, wenn man ihnen Eigennutz unterstellen kann. Wenn Thunberg etwa Miteigentümerin einer veganen Lebensmittelmarke wäre, würde man ihr vorwerfen, sie setze sich nur für die vegane Ernährung ein, um ihre eigenen finanziellen Interessen zu verfolgen. Variante zwei, um sie zu diskreditieren: Man wirft ihr vor, sie transportiere eine Propaganda-Botschaft, die wiederum anderen Personen dient, aber nicht ihren eigenen Überzeugungen entspricht. Das ist das übliche Vorgehen.

Ist das, was mit Thunberg passiert, die erwachsene Form des Schulhof-Mobbings, also gegen Menschen, die ein bisschen anders sind?

Ja, das würde ich so sehen. Aber auch in der Geschichte gibt es dafür Beispiele, etwa wie im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit mit "Hexen" umgegangen wurde. Das war nichts anderes als die Auseinandersetzung mit Menschen, die irgendwie eigentümlich waren. Mit fürchterlichen Ergebnissen. Das waren dieselben Mechanismen.

Was braucht Greta Thunberg, um diese Attacken zu verkraften?

Sie ist in einer ambivalenten Situation: Sie wird angefeindet, aber sie hat auch viele Unterstützer. Sie wird überall eingeladen, manches, wie von US-Präsident Trump, schlägt sie aus. Das ist eine eindrucksvolle Leistung. Ich weiß nicht, ob sie sich die Hassbotschaften anschaut – sie sollte es besser lassen. Solange ihr Unterstützerkreis so groß ist, dürfte sie all das nicht so anfichten.

Was hilft aus Ihrer Sicht gegen den Hass?

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Ich denke, dass die Menschen, die sich aktuell so hasserfüllt äußern, mehr und mehr in die inhaltliche Diskussion einbezogen werden. Vielleicht ändern sie dadurch ihre Haltung zum Thema Umweltschutz, und dann lässt der Hass auch nach. Psychologisch gesehen ist Greta Thunbergs Verhalten sehr einflussreich. Zumindest in Europa verändert sie die Haltung vieler Menschen.


Wie schafft sie das?

Unbeirrbar, ein bisschen fröhlich, immer wieder mit ihrer klaren Position. So tritt sie auf. Und so kann man auch die Mehrheit von der eigenen Haltung überzeugen. Menschen, die Innovationen bringen, sind nicht beliebt. Denken Sie an die Grünen. Als die in den Achtzigerjahren in die Parlamente eingezogen sind, waren sie nicht populär. Aber sie haben mittlerweile das Thema Umweltschutz in alle Parteien und in unser Bewusstsein getragen.

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