US-Botschaft in Jerusalem Nahost-Experte: Palästinensern fehlt Kraft für Flächenbrand
Wie viel brisanter wird es in Nahost durch die Eröffnung der US-Botschaft? Ein Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung wagt eine Prognose.
Nahost-Experte Marc Frings sieht trotz der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem und der angekündigten Massenproteste der Palästinenser kein extremes Eskalationspotenzial. "Ich sehe nicht das Potenzial dafür, dass ein gewalttätiger Flächenbrand entsteht", sagte der Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah am Montag.
Der Fokus der Proteste werde auf dem Gazastreifen liegen. "Aber das passiert nicht wegen der Botschaft, sondern weil die Menschen das Gefühl haben, ihr Schicksal selber in die Hand nehmen zu müssen."
Höhepunkte mehrerer Unruheherde kommen zusammen
Problematisch sei aktuell, dass "verschiedene Unruheherde" gemeinsam ihren Höhepunkt fänden, sagte Frings. Die USA verlegten ihre Botschaft nach Jerusalem. Am Dienstag sei der Nakba-Tag, bei dem die Palästinenser der Vertreibung und Flucht Hunderttausender während des ersten Nahost-Krieges 1948 aus dem heutigen israelischen Staatsgebiet gedenken. Der Protest jährt sich wie die israelische Staatsgründung zum 70. Mal.
Seit Ende März hatten zudem Zehntausende Palästinenser im Gazastreifen für ein Recht auf Rückkehr in des heutige Israel protestiert. Beim "Marsch der Rückkehr" wurden bei Konfrontationen mit israelischen Soldaten Dutzende Palästinenser erschossen und Tausende verletzt. Zudem beginnt Mitte der Woche der Ramadan, der muslimische Fastenmonat.
Brisant: Einreisegenehmigungen während Ramadan
"Wir befinden uns gerade in einer unberechenbaren Situation, in der jede falsche Fingerbewegung Öl ins Feuer gießen könnte", sagte Frings. Wenn beispielsweise Israel während des Ramadans generell keine Einreisegenehmigungen nach Jerusalem erteilen werde, dann könnte das die Spannungen zusätzlich befeuern.
Allerdings sieht Frings die palästinensische Gesellschaft als zu zersplittert an, als dass sich eine Massenbewegung auch im Westjordanland und Ost-Jerusalem entwickeln könnte. Dazu seien die Menschen auch zu ausgelaugt aufgrund der politischen Lage. "Diese Erschöpfung ist ganz klar langfristiger Natur", sagte Frings. In einer Umfrage im März hatten rund 70 Prozent der Palästinenser gesagt, dass die Situation in 100 Jahren ähnlich schlecht sein werde wie heute oder schlechter.
- dpa
- Konrad-Adenauer-Stiftung zu Jerusalem